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Ernährung: Der Krokodile feines Gespür für Babygeschrei

Ein Test mit Nilkrokodilen zeigt: Die Tiere können das Stresslevel eines hilflosen Hominidenbabys besser einschätzen als Menschen. Vielleicht weil sie leichte Beute wittern.
Der Kopf eines aufmerksamen Krokodils
Hör mal, wer da schreit! Nilkrokodile interessieren sich offenbar besonders für hilflose Opfer.

Nilkrokodile haben anscheinend besonders feine Antennen für das Stresslevel eines schreienden Babys. Das gilt sowohl für die Lautäußerungen menschlicher Säuglinge als auch für die von Schimpanse und Bonobo, wie jetzt ein Test ergab. Ein Team um die Bioakustikerin Julie Thévenet von der Université Lyon spielte dazu in einem marokkanischen Zoo den mehr als 300 dort untergebrachten Nilkrokodilen über Lautsprecher Tonaufnahmen vor und beobachte die Reaktion der Reptilien.

Wie die Gruppe im Fachblatt »Proceedings of the Royal Society B« schreibt, interessierten sich die Tiere umso stärker für das Geräusch aus dem Lautsprecher – und bissen sogar probehalber hinein –, je gestresster der Säugling bei der Aufzeichnung war. Vermutlich reizt das Geschrei der vermeintlich hilflosen Jungtiere ihren Jagdtrieb. Und der Beutefang verspricht umso mehr Erfolg, je panischer das Geschrei – vielleicht weil der Säugling von seiner Mutter getrennt ist oder gar allein im Wasser treibt.

Wenn menschliche Versuchspersonen anhand der gleichen Tonaufnahmen das Stressniveau des Säuglings beurteilen sollten, lagen sie häufiger daneben als die Krokodile. Thévenet und ihr Team vermuten, dass sich Mensch und Krokodil auf andere akustische Merkmale stützen. Ausschlaggebend für die Reaktion der Reptilien seien komplexe Eigenschaften des Lautspektrums gewesen, wie etwa dessen Dissonanz. Die menschlichen Probanden hätten jedoch überwiegend auf die Tonhöhe geachtet: je höher das Geschrei, desto gestresster das Baby. Bonobobabys mit ihrem sehr hohen Rufen wurden darum beispielsweise für gestresster gehalten, als sie bei der Aufnahme tatsächlich waren. Die Krokodile schienen den Unterschied jedoch zu erkennen.

Grundsätzlich könnten Tiere die Bedeutung von Lautäußerungen einigermaßen zutreffend erfassen, auch über Artgrenzen hinweg. Dass die Krokodile beim Decodieren von Primatengeschrei so viel besser abschneiden als die um ein Vielfaches näher verwandten Menschen, sei bemerkenswert, fassen die Autoren der Studie zusammen.

Auch Krokodile kommunizieren untereinander über Lautäußerungen, vor allem bei der Aufzucht ihrer Jungen. Frisch geschlüpfte Krokodile machen durch ihr Geschrei das Muttertier auf sich aufmerksam. Insofern könnte es theoretisch sein, dass hinter dem Interesse für die Lautsprecher, das die Tiere in der Studie zeigten, nicht Jagdinstinkt steckt, sondern eine Art elterlicher Fürsorgereflex, räumen die Fachleute in ihrem Paper ein. Auf Anfrage des Magazins »Science« sagt der Verhaltensforscher Stephan Reber von der Universität Lund, der nicht an der Studie beteiligt war: »Mein Bauchgefühl nach Jahren der Arbeit mit Krokodilen: Ich glaube, … das ist eher nicht der Fall.«

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