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News: Erregende Einsichten

Männer interessieren sich mehr für sexuelle Reize als Frauen und reagieren auch stärker darauf. Das ist keine sexistische Parole, sondern das Ergebnis zahlreicher Forschungsarbeiten. Und nun sagen uns Wissenschaftler auch, worin im Gehirn der Unterschied besteht.
Das Thema, warum Frauen offenbar nicht einparken können und Männer unfähige Zuhörer sein sollen, füllt Buchladenregale und Kassen, lässt aus einem Spaß unerwartet heftigen Streit entstehen und kitzelt so manche Empfindlichkeit im Gegenüber heraus, derer sich Frau wie Mann oft selbst nicht bewusst waren. Uralt und doch hochaktuell ist diese Suche nach dem kleinen, mittleren oder auch großen Unterschied zwischen den Geschlechtern – und jede neue Erkenntnis wird begierig aufgenommen und weiter verbreitet.

Wesentlich fundierter belegt als Einparkkünste und mangelnde Zuhörerfähigkeiten ist das größere Interesse und die stärkere Reaktion von Männern auf sexuell stimulierende Reize im Vergleich zu ihren weiblichen Gegenparts. Läuft also etwas anders im Gehirn von Frauen, wenn sie Adoniskörper oder heiße Erotikszenen bestaunen dürfen?

Die Antwort seitens Stephan Hamann lautet ja. Der Wissenschaftler von der Emory University und seine Kollegen baten 28 Freiwillige – Frauen wie Männer – zum Videonachmittag und führten den Teilnehmern viererlei Kurzfilme vor: Pärchen beim Liebesspiel, je nach Betrachter nackte Männer- beziehungsweise Frauenschönheiten, eine Erregungs-neutrale medizinische Massageszene und, als ganz klare Kontrolle, ein schlichtes Kreuz zum Fixieren.

Dabei mussten die Gäste mit weiteren, wenig aufregenden, sondern wohl eher störenden Zuschauern zurechtkommen: Während die menschlichen Versuchskaninchen mit Betrachten beschäftigt waren, schauten ihnen die Wissenschaftler mit funktioneller Magnetresonanztomographie gründlich in den Kopf. Der Stimmung tat das offenbar keinen Abbruch, und so registrierten die Geräte, dass sich in den männlichen Gehirnen bestimmte Regionen tatsächlich stärker regten als andere – obwohl die Frauen sich nach eigener Einschätzung zum Teil stärker erregt fühlten als die Männer.

Wie von den Wissenschaftlern schon vorab vermutet, handelte es sich dabei um die beiden Mandelkerne oder Amygdalae und den Hypothalamus, wichtige Zentren für die Steuerung von Gefühlen und damit auch die sexuelle Aktivität. Am intensivsten reagierten Männer und Frauen gleichermaßen auf das sich liebende Paar, wobei sich bei den männlichen Teilnehmern die linke Amygdala etwas deutlicher meldete als die rechte, während sich bei den Zuschauerinnen keine Unterschiede zeigten.

Aber es gab auch Gemeinsamkeiten: Bei allen Betrachtern wurden darüber hinaus mehrere Zentren aktiv, die mit der Verarbeitung visueller Reize, Aufmerksamkeit und motorischer wie somatosensorischer Funktionen verknüpft sind. Dazu gesellten sich weitere Regionen aus dem Aufgabenbereich Emotionen, Aufmerksamkeit und sexuelle Motivation sowie der Nucleus accumbens, der Hauptsitz des Belohnungszentrums. Letzteres bestätigte die Aussagen der Teilnehmer, dass sie sexuell animierende Bilder als irgendwie befriedigend empfinden.

Die verstärkte Aktivität der Amygdalae bei den männlichen Teilnehmern könnte nach Ansicht der Forscher darauf hinweisen, dass Männer visuellen sexuellen Reizen wohl mehr Wert beimessen als Frauen – sei das Verhalten nun angeboren oder gelernt. Damit wäre sie kein Ausdruck größerer Erregung, was wiederum dazu passt, dass die Frauen sich teilweise viel stärker beeindruckt zeigten.

Und was lässt sich nun schließen aus der Aktivitätsmessung? Frauen hinken in der sexuellen Erregbarkeit keineswegs hinterher – womit solche Unterschiede im Gehirn auch schon erklärt werden sollten –, sie verarbeiten die Eindrücke offenbar nur anders. Und diese Erkenntnis ist ein mindestens ebenso alter Hut wie die Tatsache, dass Frauen keine Busparkplätze brauchen und Männer durchaus offene Ohren haben. Manche zumindest.

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