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Neurowissenschaft: Ersatzteil im Kopf

Neuroprothese ersetzt defekte Nervenverbindungen im Gehirn von Ratten.
Wachstumsförderung im Gehirn

Ein örtlicher Hirnschaden – beispielsweise durch einen Schlaganfall – äußert sich nicht allein dadurch, dass das betroffene Areal ausfällt. Oft werden auch Fernverbindungen in Mitleidenschaft gezogen, die über die verletzte Hirnregion verlaufen. Im Tierversuch haben Hirnforscher nun dafür eine Therapie erprobt: Sie ersetzten die gestörte Verbindung durch eine Art externer Leitung.

Dazu verletzten die Wissenschaftler um Randolph Nudo vom Kansas University Medical Center zunächst ein Areal im Hirn der Ratten – den primären Motorkortex. Er spielt bei zielgenauen Greifbewegungen eine Rolle und arbeitet dabei im Verbund mit mindestens zwei weiteren Arealen, welche die Forscher intakt ließen. Eines davon übernimmt Aufgaben der Bewegungsplanung, das andere dient zur Rückmeldung von Sinnesinformationen etwa über die aktuelle Position von Pfote und Arm.

Nun unterzogen die Forscher die Tiere einem Geschicklichkeitstest: Die Ratten sollten durch einen Schlitz in der Wand nach einem Futterstückchen greifen. Ohne Prothese gelang ihnen dies selbst nach Wochen kaum oder gar nicht.

© Randolph J. Nudo, Molecular and Integrative Physiology, Landon Center on Aging, Kansas City / PNAS
Mit und ohne Hilfe der Prothese
Dass die Neuroprothese direkten Einfluss auf das Verhalten der Tiere hat, demonstrieren die Forscher, indem sie das Gerät testweise ausschalten. Der Ratte gelingt es danach nicht mehr, das Futterstückchen zu ergreifen.

Implantierten die Wissenschaftler dagegen eine Neuroprothese, konnten die Tiere den Ausfall der Hirnregion kompensieren. Das Gerät bestand aus Messelektroden, die im Wahrnehmungsareal steckten, und Stimulationselektroden, welche die Nervenzellen im Bewegungsplanungsareal elektrisch reizten. Verbunden waren die Drähte über einen kleinen batteriebetriebenen Steuercomputer, den die Forscher am Kopf des Tiers befestigten. So konnte das Implantat rund um die Uhr arbeiten.

Innerhalb weniger Tage verbesserte sich die Leistung der Ratten, schon nach zwei Wochen seien die Testergebnisse vom Zustand davor nicht mehr zu unterscheiden gewesen, schreiben Nudo und Kollegen. Entscheidend war dabei das richtige Timing der Stimulation: Das Verfahren zeigte vor allem dann Wirkung, wenn der Steuercomputer in den Daten der Messelektroden nach dem Signal feuernder Nervenzellen suchte und nur dann das Wahrnehmungsareal reizte. Eine zufallsgesteuerte Dauerreizung, wie sie beispielsweise bei Hirnschrittmachern üblich ist, zeigte hingegen nur wenig Wirkung.

Außerdem durfte die Stimulation erst mit einer Verzögerung von 7,5 Millisekunden einsetzen – vermutlich brauchen im intakten Gehirn die Signale ebenso lang für den Weg über das nun zerstörte Areal. Entscheidend ist es demnach, das Verhalten des gesunden Gehirns zu imitieren und nicht einfach die Signale von A nach B zu leiten. Die Lernfähigkeit des Hirns sorge dann dafür, dass sich neue Verbindungswege ausbilden oder alte so weit verstärkt werden, dass wieder eine annähernd normale Funktion möglich ist.

Andere Forschergruppen hatten mit ähnlichen Ansätzen in der Vergangenheit ebenfalls Erfolg gehabt, wenn auch in aller Regel nur bei Tierversuchen. Angesichts dieser Ergebnisse biete es sich an, die Anwendung beim Menschen genauer zu studieren, meinen Nudo und Kollegen. Neuroprothesen könnten ausgefallene Verbindungen im Rückenmark ersetzen, aber auch die Folgen lokaler Hirnverletzungen abmildern, wie sie beispielsweise durch einen Schlaganfall auftreten.

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