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Pluto: Erste Wissenschaft mit Gaia-Daten

Vorab veröffentlichte Daten des Astrometriesatelliten Gaia unterstützen die Beobachtung einer Sternbedeckung durch Pluto am 19. Juli 2016. Profi- und Amateurastronomen nehmen an der Beobachtungskampagne teil, die Informationen über Atmosphäre und Position des Zwergplaneten liefert.
Atmosphärenhalo um den dunklen Pluto

Es ist nur einer von mehr als einer Milliarde Sternen im neuen, noch unveröffentlichten Katalog der Gaia-Mission. Doch weil er am Abend des 19. Juli 2016 von der Erde aus gesehen kurzzeitig von dem Zwergplaneten Pluto verdeckt wird, kommt ihm eine große wissenschaftliche Bedeutung zu. Deshalb haben sich die Verantwortlichen entschlossen, die Daten für diesen Stern vorab der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die International Occultation Timing Association (IOTA), eine internationale Vereinigung, die Voraussagen von Sternbedeckungen erstellt, hat daraus Beobachtungshinweise abgeleitet und auf ihrer Website zur Verfügung gestellt. Auch Amateurastronomen, die über eine geeignete Ausrüstung verfügen, sind aufgerufen, sich an dem Beobachtungsprojekt zu beteiligen.

Hier stellen wir die wichtigsten Fragen und Antworten zu diesem Projekt zusammen:

Was ist eine Sternbedeckung?
Unser Mond, die Planeten und auch die kleineren Körper in unserem Sonnensystem erscheinen uns am nächtlichen Firmament mit einer gewissen Ausdehnung. Dieser scheinbare Durchmesser oder Winkeldurchmesser wird in der Astronomie in der Regel in Bogenminuten oder Bogensekunden angegeben. Da sich alle Objekte unseres Sonnensystems gegenüber den viel weiter entfernten Sternen bewegen, kommt es gelegentlich vor, dass das Objekt von der Erde aus gesehen vor einem Stern vorüberzieht. Der Mond zum Beispiel bedeckt mehrmals im Monat Sterne (oder Planeten), die mit bloßem Auge oder mit einem Fernglas sichtbar sind. Sternbedeckungen durch Planeten sind viel seltener und die betreffenden Sterne meist nur mit einem Teleskop zu sehen.

Welcher Stern wird von Pluto bedeckt?
Pluto befindet sich im Sternbild Schütze, wo er sich gegenwärtig mit einer Geschwindigkeit von etwa 1,5 Bogenminuten pro Tag in westlicher Richtung bewegt. Das Himmelsareal, in dem sich der Zwergplanet aufhält, ist mit Sternen übersät, weil in dieser Richtung das Zentrum unseres Milchstraßensystems liegt. Am Abend des 19. Juli 2016, gegen 22:51 Uhr MESZ, wird Pluto über den Stern mit der Katalogbezeichnung UCAC4 345-180315 hinwegziehen. Mit einer scheinbaren Helligkeit von 14,1 mag ist der Stern genauso hell wie Pluto. Die Koordinaten des Sterns lauten gemäß der präzisen Gaia-Daten für die Epoche 2015.0 im J2000-System: Rektaszension: 286,8421576 Grad, Deklination: –21,1745647 Grad (RA: 19h7m22,1178s, Dec: -21°10’28,433’’).

Aufsuchkarte von Pluto | Pluto durchquert im Juli 2016 ein sternreiches Himmelsareal im Sternbild Schütze und wird dabei einen Stern mit der Katalogbezeichnung UCAC4 345-180315 (Bildmitte) bedecken. Die blauen Quadrate markieren die Positionen von Pluto für die Tage 17., 18., 19. und 20. Juli 2016, jeweils 0 Uhr UTC (= 2 Uhr MESZ). Da sich Pluto zu dieser Zeit in seiner Oppositionsschleife befindet, bewegt sich der Zwergplanet annähernd in westlicher Richtung am Firmament (in der Karte nach rechts).

Warum ist die Beobachtung der Sternbedeckung durch Pluto interessant?
Wie wir seit dem Vorbeiflug der Raumsonde New Horizons im Juli 2015 wissen, hat Pluto eine dünne Atmosphäre. Dies ist angesichts der niedrigen Temperaturen auf dem Zwergplaneten erstaunlich. Auf seiner stark elliptischen Bahn wird sich Pluto in den nächsten Jahren weiter von der Sonne wegbewegen, so dass die Temperaturen weiter sinken werden. Deshalb ist zu erwarten, dass Teile der Atmosphäre ausfrieren werden. Um diese Veränderungen von der Erde aus zu untersuchen, lässt sich das Sternenlicht verwenden, das bei einer Sternbedeckung durch Plutos Atmosphäre dringt, bevor es die Messgeräte auf der Erde erreicht. Des Weiteren lässt sich bei präzise bekannter Position des Sterns aus den Bedeckungsdaten die Bahn von Pluto genauer bestimmen, als es bisher der Fall ist. Die Genauigkeit der Positionsmessungen für Pluto ist im Wesentlichen durch die Anwesenheit des relativ großen Mondes Charon begrenzt. Eine Sternbedeckung durch Pluto kann erheblich genauere Daten liefern.

Welche Rolle spielen die Gaia-Daten?
Um die Orte auf der Erde zu berechnen, von denen aus Pluto exakt vor dem Stern vorbeizieht, muss die Position des Sterns möglichst präzise bekannt sein. Gaia erlaubt mit seinen astrometrischen Messungen die bisher genauesten Koordinatenangaben. Für den betreffenden Stern beträgt Gaias Messgenauigkeit eine Millibogensekunde. Das ist der tausendste Teil einer Bogensekunde und der Winkel, unter dem uns die Größe eines Menschen aus der Entfernung des Mondes erschiene.

Von wo aus ist die Sternbedeckung zu sehen?
Nur von einem breiten Streifen auf der Erdoberfläche aus gesehen wird Pluto tatsächlich genau vor dem Stern vorbeiziehen. Das hängt mit dem kleinen Durchmesser von Pluto (2370 Kilometer) und seiner großen Entfernung (4,8 Milliarden Kilometer oder 32,14 Astronomische Einheiten) zusammen. Die Zentrallinie der Bedeckung verläuft in Ost-West-Richtung vom Mittleren Osten über Nordafrika (Irak, Jordanien, Israel, Ägypten, Libyen, Algerien, Marokko). Auch von Europa aus (mit Ausnahme von Skandinavien) lässt sich die Sternbedeckung beobachten. Auf Grund von Unsicherheiten in der Position von Pluto ist es durchaus möglich, dass sich die Lage der Zentrallinie um bis zu 400 Kilometer nach Norden oder Süden verschiebt.

Sichtbarkeit der Sternbedeckung von Pluto | Die von Pluto hervorgerufene Bedeckung eines gleich hellen Sterns am Abend des 19. Juli 2016 ist von Europa und Nordafrika aus zu sehen. Die Zentrallinie (rot) verläuft von Osten nach Westen; die markierten Zeitpunkte sind in koordinierter Weltzeit (UTC) angegeben, zur Umrechnung in MESZ sind zwei Stunden hinzuzuzählen. Die grünen Punkte bezeichnen Standorte von Teleskopen, die am Beobachtungsprogramm teilnehmen.

Was ist bei der Sternbedeckung zu sehen?
Pluto und der von ihm bedeckte Stern sind mit 14,1 mag gleich hell. Die kombinierten Lichtströme beider Objekte nehmen um 50 Prozent ab, wenn Pluto über den Stern hinwegzieht und dessen Licht abschattet. In der fotometrisch bestimmten Lichtkurve zeichnet sich diese Bedeckung als Einsenkung ab, die rund 100 Sekunden andauert. Beobachter auf der Zentrallinie sollten während der Mitte der Bedeckung einen so genannten central flash registrieren: einen kurzzeitigen Anstieg der Helligkeit, der verursacht wird durch die Lichtbrechung des Sternenlichts in Plutos Atmosphäre. Die Gashülle wirkt wie eine ringförmige Linse, die das Sternenlicht zum Beobachter hin fokussiert. Dieser central flash währt nur wenige Sekunden.

Welche Ausrüstung brauche ich zur Beobachtung?
Am besten geeignet sind Teleskope mit einem Spiegeldurchmesser von 40 Zentimetern und mehr. In den Ländern, in denen die Bedeckung sichtbar ist, gibt es zahlreiche Teleskope dieser Größe, zum Teil an Sternwarten, an denen Beobachtungszeit gemietet werden kann. Aber auch mit kleineren Teleskopen sind wissenschaftlich verwertbare Daten zu gewinnen. Ideal ist es, wenn die Lichtströme fotometrisch gemessen werden und eine Zeitauflösung von etwa 10 Sekunden erreicht wird.

Wie sind die Beobachtungsbedingungen?
Pluto steht zum Zeitpunkt der Sternbedeckung gegen 22:51 Uhr MESZ von Deutschland aus gesehen im Südsüdosten (Azimut 154 Grad) in nur 15 Grad Höhe über dem Horizont. Je südlicher der Beobachtungsort, desto höher steht Pluto. Die Beobachtungen werden leider durch das helle Licht des Vollmonds erschwert, der an diesem Abend nur 11 Grad östlich von Pluto ebenfalls im Sternbild Schütze steht.

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