Flynn-Effekt: Erwachsene können sich immer besser konzentrieren
Das Konzentrationsvermögen von Erwachsenen ist in den vergangenen 20 bis 30 Jahren gestiegen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Metaanalyse in der Fachzeitschrift »Personality and Individual Differences«. Die Forschungsgruppe um Denise Andrzejewski von der Universität Wien sieht darin einen ersten Beleg dafür, dass auch die Aufmerksamkeit dem Flynn-Effekt unterliegt.
Der Flynn-Effekt bezeichnet ein Phänomen, das Mitte bis Ende des 20. Jahrhunderts in vielen Ländern beobachtet wurde: Der mittlere Intelligenzquotient – das Ergebnis von standardisierten Intelligenztests – stieg von Generation zu Generation. Benannt ist der Effekt nach dem Politologen James Flynn, der erstmals 1984 darüber berichtet hatte. Im Schnitt legte der IQ pro Jahrzehnt rund drei Punkte zu, doch inzwischen stagniert die Entwicklung in einigen Ländern, und in manchen hat sich der Trend sogar umgekehrt. Über die Ursachen sind sich Fachleute bis heute nicht einig.
Das Konzentrationsvermögen könnte ein Baustein der allgemeinen Intelligenz sein und den Flynn-Effekt mitverursachen. Mit dieser Idee analysierte das Team um die Wiener Psychologin Daten aus 179 Studien von insgesamt mehr als 21 000 Menschen aus 32 Ländern, darunter Deutschland, Österreich und die Schweiz: Alle Teilnehmenden hatten in den Jahren 1990 bis 2021 den psychologischen Standardtest »d2« absolviert, der die Fähigkeit zu selektiver und anhaltender Aufmerksamkeit – das Konzentrationsvermögen – erfasst.
Der Test besteht aus 14 Zeilen (in der Neufassung 12 Zeilen), und jede Zeile ist gefüllt mit 47 Zeichen, darunter ausschließlich die Buchstaben d und p sowie teilweise ein oder zwei kleine senkrechte Striche über oder unter den Buchstaben. Die Aufgabe: jedes d mit zwei Strichen durchzustreichen, möglichst fehlerfrei, aber auch möglichst schnell, denn die Zeit ist auf im Mittel 20 Sekunden pro Zeile begrenzt.
Im Durchschnitt stieg die Konzentrationsleistung (definiert als die Zahl von korrekten minus falschen Antworten) bei den Erwachsenen mit den Jahren moderat an. Bei den Kindern blieb sie jedoch in etwa gleich: Sie arbeiteten zwar zunehmend schneller, machten dabei aber mehr Fehler. Die Forschenden deuten das als Hinweis auf ein impulsives, oberflächlicheres Testverhalten, möglicherweise dadurch verursacht, dass die Gesellschaft heute fehlertoleranter sei und dass Leistung eher an Geschwindigkeit als an Genauigkeit gemessen werde.
Allerdings fielen die Ergebnisse etwas anders aus, als die Gruppe die deutschsprachigen Länder separat betrachtete. Die Kinder machten hier nicht mehr, sondern weniger Fehler, und das Konzentrationsvermögen der Erwachsenen war nicht gestiegen. Das Gesamtfazit über mehr als 30 Länder lautete dennoch: Der Flynn-Effekt gilt auch für das Konzentrationsvermögen. Und dieser Zuwachs könnte zu einem Anstieg der Intelligenz – dem eigentlichen Flynn-Effekt – beitragen.
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