Rohstoffe: Erz-Fingerabdrücke sollen blutiges Coltan stoppen
Tantal ist einer der wichtigsten Rohstoffe für die moderne Unterhaltungselektronik. Das graphitgraue und leicht glänzende Metall gewinnt man aus dem Erz Coltan – und stellt daraus kleine und leistungsstarke Kondensatoren her. Was als Endprodukt in den Schaufenstern teurer Fachmärkte funkelt, hat seinen Ausgangspunkt oft in kleinen Minen im Dschungel des Ostkongo.
In der Demokratischen Republik Kongo kämpften 19 Jahre lang unterschiedlichste Rebellengruppen und die Armeen der Nachbarn in drei blutigen Kriegen – oftmals finanziert durch den Handel mit ebenjenen begehrten Metallen. Bis heute schwelt der Konflikt in der rohstoffreichen kongolesischen Provinz Nord-Kivu weiter.
Um der Region Stabilität und Prosperität zurückzugeben, gründete sich auf Initiative der Vereinten Nationen die International Conference of the Great Lakes Region (ICGLR). Dreh- und Angelpunkt des ambitionierten Plans der ICGLR ist es unter anderem, die Kontrolle über den Handel mit so genannten Konfliktmineralen zurückzugewinnen und so die finanziellen Ressourcen der Rebellen auszutrocknen.
Um herauszufinden, ob aus einer von Rebellen kontrollierten Mine Erze auf dem Weltmarkt landen, hat die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover ein Zertifizierungssystem entwickelt, das derzeit in Ostafrika etabliert wird. Ein Baustein dieses Systems ist der ebenfalls an der BGR entwickelte "Coltan-Fingerprint", der es ermöglicht, die Angaben zur Herkunft der Erze zu überprüfen. Zusammen mit dem Chemiker Hans-Eike Gäbler hat der Mineraloge Frank Melcher dort einen forensischen Nachweis entwickelt, der anhand chemischer und mineralogischer Parameter die Herkunftslagerstätten von Tantalerzkonzentraten eindeutig lokalisiert.
Jedes Erz hat seinen eigenen chemischen Fingerabdruck
Da Coltan in verschiedenen Lagerstätten unter leicht unterschiedlichen Bedingungen entstand, ist seine jeweilige chemische Zusammensetzung immer individuell. Über mehrere Jahre hinweg hat Melcher die chemische Zusammensetzung von Proben aus verschiedenen Regionen und Minen verglichen und damit eine Datenbank des seltenen Erzes aufgebaut. Was auf den ersten Blick nach wissenschaftlicher Sammelwut eines Mineralogen aussieht, hat einen ernst zu nehmenden Hintergrund. Denn wenn bei einem Lieferanten unklar sein sollte, woher sein Erz stammt, kann es einfach mit der entsprechenden Probe in der Datenbank der BGR verglichen werden.
Einfach wie ein Vaterschaftstest
"Die ganze Sache funktioniert wie ein Vaterschaftstest", sagt Gäbler. Der Lieferant müsse zunächst einen Herkunftsort für sein Erz nennen. Anschließend werde die Probe dann in einem entsprechenden Labor untersucht. Dabei beschießt man das Mineral mit einem Laser und leitet das abgetragene Material in ein Massenspektrometer, das Elemente identifiziert und ihre Konzentration bestimmt. Auch das Alter der Coltanlagerstätte können Wissenschaftler anhand dieser Messungen schätzen. Zusammen ergeben die Daten ein charakteristisches Bild des betreffenden Erzes, das so einer bestimmten Lagerstätte eindeutig zugeordnet wird. "Die Untersuchung einer Probe kostet etwa 1000 Euro", sagt Gäbler. Da sei es klar, dass nicht einfach wahllos kontrolliert werden könne. Bei solchen Summen müsse zumindest ein Anfangsverdacht vorliegen.
Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat die BGR jetzt im Rahmen der offiziellen deutschen Entwicklungszusammenarbeit begonnen, die für die Zertifizierung der Minen und Abbaugebiete nötige Infrastruktur mit entsprechenden Laborkapazitäten aufzubauen. Der Geologe Rudolf Mauer ist seit Dezember 2011 in Bujumbura, der Hauptstadt Burundis, und versucht mit seinem Team die Zertifizierung der Minen voranzutreiben. Neben der Einführung von Standards und Prozessen, mit denen das gehandelte Erz nachverfolgt werden soll, wird in Daressalam ein spezielles Labor für die Untersuchung von Coltan aufgebaut. Dort sollen verdächtige Proben untersucht und so die forensische Grundlage gelegt werden, illegale Coltanlieferungen strafrechtlich zu verfolgen und so eine der Geldquellen der Kriegsparteien im Kongo auszutrocknen.
Zwar sei bislang noch keine Mine nach dem ICGLR-Schema zertifiziert worden, sagt Mauer, es werde jedoch mit Hochdruck daran gearbeitet, und es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis das erste Zertifikat vergeben werden könne. Mauer meint auch: "Es zeigen sich bereits die ersten positiven Anzeichen beim Handel mit Konfliktmineralen." In Ghana werde bereits versucht, den illegalen Bergbau einzuschränken. So ist es bei Polizeiaktionen zu ersten Festnahmen krimineller Rohstoffhändler gekommen. Zwar ist dies nicht direkt auf die Arbeit der Analytical Fingerprint Management Unit (AMU) zurückzuführen, da die Organisation in Ghana nicht aktiv ist. Es zeigt jedoch, dass ein Umdenken eingesetzt hat. Auch im Kongo wurde erkannt, dass man erheblich verliert, wenn nichts gegen die desolate Situation unternommen wird. Mauer formuliert es vorsichtig: "Es besteht der begründete Verdacht, dass aus dem Ostkongo Minerale über Nachbarländer illegal exportiert werden." Genau dieser undurchsichtige Export soll durch den Coltan-Fingerprint kontrollierbar gemacht werden.
"Die ganze Sache funktioniert wie ein Vaterschaftstest"
Hans-Eike Gäbler
Denn für die verarbeitende Industrie ist die teils heikle Herkunft ihrer Minerale in den vergangenen Jahren mehr und mehr zum Problem geworden. Seit ein bis zwei Jahren gebe es einen Boykott für Minerale aus dem Ostkongo, erklärt Mauer die politische Situation. Zwar zielt dieser nur auf die Finanzierung der Rebellen, trifft jedoch gleichermaßen alle am Tantalhandel beteiligten Gruppen und Personen. Für die Minenbetreiber und Händler geht es daher im Moment in erster Linie darum, sich wieder einen Marktzugang zu den großen Abnehmern in der industrialisierten Welt zu eröffnen. Um im Geschäft bleiben zu können, sind sie darauf angewiesen, ein entsprechendes Zertifikat über die Herkunft ihrer Minerale zu erhalten. Erst wenn die Händler nachweisen können, woher sie ihr Tantal beziehen, können sie es auch wieder Gewinn bringend auf den Weltmärkten verkaufen.
Welche negativen Auswirkungen es haben kann, in den politischen Strudel des ostafrikanischen Tantalhandels zu geraten, weiß das deutsche Unternehmen H.C.Starck. Dem Chemie- und Metallurgieunternehmen wurde 2001 in einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne vorgeworfen, mit so genanntem "Blut-Coltan" aus dem Kongo zu handeln und damit indirekt die Rebellen zu finanzieren. Zwar konnten die Vereinten Nationen im Verlauf einer entsprechenden Untersuchung klären, dass das Unternehmen auf Händler hereingefallen war, die über die Herkunft des Tantals schlicht gelogen hatten. In der Zwischenzeit jedoch stand H.C.Starck mehrere Wochen lang am öffentlichen Pranger und musste sich für seine Aktivitäten im Kongo rechtfertigen. Immer wieder wurde das Unternehmen in der Presse als Beispiel für das schmutzige Geschäft mit dem kongolesischen Coltan herangezogen. Das so entstandene Imageproblem verfolgt es bis heute – auch wenn sich die Vorwürfe später als haltlos herausstellten.
Für die Industrie ist die teils heikle Herkunft ihrer Minerale in den vergangenen Jahren zum Problem geworden
Dass sich mit fair abgebauten und gehandelten Tantal durchaus Geld verdienen lässt, zeigt ein Beispiel aus den Niederlanden. Das aus einer holländischen Initiative gegen kongolesisches Konflikt-Coltan entstandene Unternehmen Fairphone produziert ein Smartphone, bei dem explizit damit geworben wird, dass keine Konfliktrohstoffe verbaut werden. Der Erfolg des Produkts gibt dem Unternehmen und den Wissenschaftlern des BGR recht. Von den anvisierten ersten 20 000 Stück sind bislang über 10 000 bestellt worden, obwohl eine Auslieferung des Fairphones erst Ende dieses Jahres geplant ist.
Die Beispiele zeigen eine zunehmend informierte und kritische Öffentlichkeit. Und sie belegen, dass eine solche Öffentlichkeit Einfluss auf die Handelspraxis der Industrie mit Konfliktmineralen nehmen kann. Ohne eine wissenschaftlich fundierte forensische Grundlage jedoch hat der Versuch, solche "blutigen" Rohstoffe von den Weltmärkten zu bannen, kaum Aussicht auf Erfolg.
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