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News: Es schmilzt, es schmilzt nicht, es schmilzt, ...

Seit Jahrzehnten haben die Wissenschaftler ein wachsames Auge auf die Eismassen der westlichen Antarktis - denn deren Abschmelzen könnte fatale Folgen haben. Schon jetzt sollen deshalb die Meeresspiegel in jedem Jahr um rund einen Millimeter an. Nun zeigt sich aber, dass der Rückzug des Eissschildes seit der letzten Eiszeit viel ungleichmäßiger war als bisher vermutet und die Gefahr vielleicht überschätzt wurde.
Die westliche Antarktis liegt unter einer durchschnittlich 2 000 Meter mächtigen Eisschicht verborgen. Wenn diese Eismassen vollständig abschmelzen, würde dies den Meeresspiegel um fünf bis sechs Meter anheben. Die gegenwärtig beschleunigte globale Erwärmung spielt dabei allerdings keine Rolle, denn der Rückzug des antarktischen Inlandeises ist die natürliche Folge der ansteigenden Temperaturen seit der letzten Eiszeit. Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Meere deshalb in jedem Jahr um rund einen Millimeter ansteigen. Robert Bindschadler vom Goddard Space Flight Center der NASA glaubt allerdings, dass derlei Schätzungen zu hoch liegen (Tagung der American Geophysical Union vom 15. bis 19. Dezember 2000 in San Francisco).

Für derartige Modelle rekonstruieren Forscher die Eisdicken und -ausdehnungen seit dem letzten glazialen Maximum vor rund 20 000 Jahren, als in der westlichen Antarktis etwa dreimal soviel Eis lagerte wie heute. Doch diese Abschätzungen sind offenbar viel zu verallgemeinernd und deshalb unzuverlässig. So zeigte sich bei der Untersuchung des ungefähr 50 mal 80 Kilometer großen Siple Dome in der Nähe des Ross-Eisschelfes, dass diese Erhebung niemals von massiven Eismassen überdeckt war. Zu diesem Ergebnis kamen Charles Raymond und seine Mitarbeiter vom Department of Glaciology der University of Washington, nachdem sie die Morphologie des Siple Dome mithilfe von Radarmethoden abbildeten.

Auch die mittlerweile nachgewiesene Tatsache, dass die Eismassen sogar noch vor 8 000 Jahren anwuchsen, weist darauf hin, dass man das Eisvolumen der Vergangenheit falsch einschätzte. Denn bisher gingen die Forscher davon aus, dass sich das Eis seit eben jenen 20 000 Jahren kontinuierlich zurückzieht. Aufgrund neuer Erkenntnisse über die Meerespiegelschwankungen der geologischen Vergangenheit vermutet W. R. Peltier vom Department of Atmospheric Physics der University of Toronto zudem, dass die Meere vor dem derzeitigen Rückzug der antarktischen Eismassen kräftig angestiegen waren, während sich das nachfolgende Abschmelzen des Eises hier kaum widerspiegelt.

Die Frage, wie schnell sich die Eismassen zurückziehen, liegt also noch immer weitgehend im Dunkeln. Bindschadler glaubt, dass es sich dabei weniger um einen kontinuierlichen Prozess handelte, sondern vielmehr um einzelne Stadien: "Die Teile des westantarktischen Eisschildes, auf die sich die Forschungen der letzten zehn Jahre konzentrierten, scheinen derzeit fast unveränderlich zu sein. Ob dies in Zukunft so bleibt, ist natürlich unklar." Die Prognosen für zukünftige Entwicklungen stehen aufgrund dieser Inhomogenitäten daher also weiterhin auf ungewisser Basis.

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