Sprachforschung: Es werde Wort - und zwar schnell!
Sich anderen mitzuteilen, ist ein tief verwurzeltes Bedürfnis des Menschen. So tief, dass manche Wissenschaftler annehmen, es gäbe eine Art natürliches Sprachverständnis und eine genetisch verankerte Grammatik. Die Gebärdensprache eines kleinen Beduinenstammes beweist, dass grammatische Strukturen innerhalb weniger Jahrzehnte entstehen können.
Nur etwa 3500 Menschen umfasst die Gemeinschaft der Al-Sayyid-Beduinen. Vor rund 200 Jahren hatten sie sich in der Negev genannten Wüstenregion im heutigen Israel angesiedelt und leben seitdem in einer einzigen Siedlung unter sich. Seit drei Generationen werden sogar die Ehen zwischen Blutsverwandten geschlossen, wodurch rezessive Gendefekte, die sich in stärker durchmischten Gruppen kaum einmal bemerkbar machen könnten, relativ häufig auftreten und die Eigenschaften ihrer Träger mitbestimmen. Innerhalb dieses Zeitraums wurden 150 gehörlose Kinder geboren, deren Taubheit sich anhand der Familienstammbäume bis zu zwei von fünf Söhnen eines Gründungsmitglieds der Gemeinschaft zurückverfolgen lässt. Der Anteil gehörloser Menschen liegt damit bei den Al-Sayyid-Beduinen ungefähr vierzigmal so hoch wie in anderen Gesellschaften, in denen schätzungsweise 0,1 bis 0,2 Promille der Bevölkerung aus verschiedensten Gründen nicht hören können.
In der Beduinengemeinschaft erwächst den gehörlosen Mitgliedern kein Nachteil aus ihrer Taubheit. Sie sind voll in das Gemeinwesen integriert, heiraten und ziehen Kinder groß. Da sie nicht an der lautsprachlichen Kommunikation teilnehmen können, hat sich in den letzten siebzig Jahren eine Gebärdensprache entwickelt, die von Hörenden und Nichthörenden gemeinsam genutzt wird und offenbar keinem Einfluss anderer Sprachen unterliegt. Weder die gesprochene Sprache der Beduinen, noch die Gebärdensprachen der israelischen oder jordanischen Gehörlosen spiegelt sich in den Gebärden der Beduinen wider. Ein Glücksfall für Wissenschaftler, die auf der Suche nach den grundlegenden Prinzipien von Sprache sind.
Besonders ein Merkmal der Al-Sayyid-Beduinen-Gebärdensprache (Al-Sayyid Bedouin Sign Language, ABSL) fiel den Forschern auf: In Sätzen mit Subjekt, Prädikat und Objekt war die Reihenfolge der Satzteile anders als in allen lokalen Sprachen der Region, seien sie nun gesprochen oder gebärdet. Selbst von der Lautsprache der Beduinen wich die ABSL ab. Während nämlich der gesprochene arabische Dialekt ebenso wie das Hebräisch der Regel Subjekt-Prädikat-Objekt folgen ("Mann isst Apfel"), gebärden die Al-Sajid-Beduinen Subjekt-Objekt-Prädikat ("Mann Apfel isst"). Da es für diese Abfolge kein Vorbild gibt, muss sie ein eigenes Produkt der neuen Sprache sein.
Daraus zieht das Wissenschaftlerteam zwei Folgerungen. Einerseits entwickelt sich ABSL anscheinend wirklich extrem eigenständig. Und zwar sehr schnell. "Wir hatten nicht erwartet, so früh eine Ordnung der Wörter zu entdecken", sagt Padden. Außerdem könnte die beobachtete Reihenfolge so etwas wie die natürliche Variante der ersten Ursprachen sein. Auch kleine gehörlose Kinder in anderen Nationen, die noch keine sprachliche Schulung durchlaufen haben, setzen bei ihren spontanen Gebärden die Zeichen für Aktionen an das Satzende. Und manche Linguisten sehen darin auch die typische Abfolge bei den meisten heutigen Sprachen.
Geht man also davon aus, dass wir Menschen von Natur aus mit einer Ur-Grammatik ausgestattet sind, könnten die Gebärden der Beduinen uns tatsächlich viel über unsere sprachlichen Wurzeln verraten. Auf jeden Fall aber erlauben sie, die spannende Entwicklung einer neuen Sprache Schritt für Schritt mitzuverfolgen. Denn mit siebzig Jahren ist eine Sprache noch längst nicht ausgereift. Während ihrer Studien bemerkten die Linguisten, dass die Kinder der Probanden bereits nicht mehr genau so wie ihre Eltern gebärden. Eine quicklebendige Sprache eben.
In der Beduinengemeinschaft erwächst den gehörlosen Mitgliedern kein Nachteil aus ihrer Taubheit. Sie sind voll in das Gemeinwesen integriert, heiraten und ziehen Kinder groß. Da sie nicht an der lautsprachlichen Kommunikation teilnehmen können, hat sich in den letzten siebzig Jahren eine Gebärdensprache entwickelt, die von Hörenden und Nichthörenden gemeinsam genutzt wird und offenbar keinem Einfluss anderer Sprachen unterliegt. Weder die gesprochene Sprache der Beduinen, noch die Gebärdensprachen der israelischen oder jordanischen Gehörlosen spiegelt sich in den Gebärden der Beduinen wider. Ein Glücksfall für Wissenschaftler, die auf der Suche nach den grundlegenden Prinzipien von Sprache sind.
Um die Annahme von der "unberührten" Sprache zu prüfen und die vorhandenen grammatischen Strukturen aufzuspüren, besuchten Linguisten um Carol Padden von der University von Kalifornien in San Diego acht gebärdende Beduinen der zweiten Sprachgeneration, von denen sieben gehörlos und einer hörend waren, in ihrem Dorf. Unterstützt von einem Übersetzer baten die Forscher ihre Probanden, spontan von einem persönlichem Erlebnis zu berichten und Ereignisse aus kurzen Videostreifen nachzuerzählen. Die Antworten wurden aufgezeichnet und sorgfältig analysiert.
Besonders ein Merkmal der Al-Sayyid-Beduinen-Gebärdensprache (Al-Sayyid Bedouin Sign Language, ABSL) fiel den Forschern auf: In Sätzen mit Subjekt, Prädikat und Objekt war die Reihenfolge der Satzteile anders als in allen lokalen Sprachen der Region, seien sie nun gesprochen oder gebärdet. Selbst von der Lautsprache der Beduinen wich die ABSL ab. Während nämlich der gesprochene arabische Dialekt ebenso wie das Hebräisch der Regel Subjekt-Prädikat-Objekt folgen ("Mann isst Apfel"), gebärden die Al-Sajid-Beduinen Subjekt-Objekt-Prädikat ("Mann Apfel isst"). Da es für diese Abfolge kein Vorbild gibt, muss sie ein eigenes Produkt der neuen Sprache sein.
Daraus zieht das Wissenschaftlerteam zwei Folgerungen. Einerseits entwickelt sich ABSL anscheinend wirklich extrem eigenständig. Und zwar sehr schnell. "Wir hatten nicht erwartet, so früh eine Ordnung der Wörter zu entdecken", sagt Padden. Außerdem könnte die beobachtete Reihenfolge so etwas wie die natürliche Variante der ersten Ursprachen sein. Auch kleine gehörlose Kinder in anderen Nationen, die noch keine sprachliche Schulung durchlaufen haben, setzen bei ihren spontanen Gebärden die Zeichen für Aktionen an das Satzende. Und manche Linguisten sehen darin auch die typische Abfolge bei den meisten heutigen Sprachen.
Geht man also davon aus, dass wir Menschen von Natur aus mit einer Ur-Grammatik ausgestattet sind, könnten die Gebärden der Beduinen uns tatsächlich viel über unsere sprachlichen Wurzeln verraten. Auf jeden Fall aber erlauben sie, die spannende Entwicklung einer neuen Sprache Schritt für Schritt mitzuverfolgen. Denn mit siebzig Jahren ist eine Sprache noch längst nicht ausgereift. Während ihrer Studien bemerkten die Linguisten, dass die Kinder der Probanden bereits nicht mehr genau so wie ihre Eltern gebärden. Eine quicklebendige Sprache eben.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.