Spezialnahrung : Essen für Junggebliebene
Die Ernährung von Jung und Alt unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum. Aber gibt es nicht doch Besonderheiten? "Häufig leiden Senioren an Kau- und Schluckbeschwerden oder sie können nicht mehr gut mit dem Besteck umgehen. Für diejenigen muss man das Essen dann doch pürieren", erklärt Christiane Kling. Sie arbeitet als Diätassistentin, Ernährungs- und Diabetesberaterin in der Klinik Hohenfreudenstadt im Schwarzwald. Dort setze das Küchenteam auf "traditionelle Kost" und die werde so zubereitet, dass sie sogar Patienten mit Altersdiabetes essen dürfen. Hat der Erkrankte sein Leben lang wenig gegessen, gibt es für ihn ein spezielles Insulinpräparat. Genauso verhält sich es, wenn der Patient gerne fünf Mahlzeiten am Tag essen möchte. "Eine Insulinbehandlung lässt sich den Essgewohnheiten des Betroffenen anpassen", sagt Kling.
Denn das Essen soll schmecken, das sei die Hauptsache, meint Christiane Kling. Gerade deshalb sollen die Gerichte gut gewürzt sein – die Mundschleimhaut müsse angeregt werden. Denn oftmals verändert sich auch das Geschmacksvermögen alter Menschen, meist eine Nebenwirkung von Medikamenten oder durch den Verlust des Geruchsinns verursacht. Den Betroffenen vergeht die Lust am Essen, oder noch schlimmer: Sie bemerken es nicht, wenn sie verfaulte oder verschimmelte Lebensmittel zu sich nehmen. Von den fünf Geschmacksrichtungen bitter, salzig, sauer, umami und süß bleibt letztere am längsten erhalten. Der Grund dafür, dass Senioren gerne Kuchen schlemmen oder stark gesüßten Kaffee trinken.
Verlangsamter Stoffwechsel
Die Lust auf Süßes sei aber laut Kling auch oft ein Problem. Rund ein Fünftel der Senioren haben deswegen mit Übergewicht zu kämpfen, heißt es vom Bundesverband Verbraucherzentrale. Was viele Senioren nicht beachten: Der täglich benötigte Energiebedarf geht im Laufe der Jahre zurück. Nährstoffe wie Eiweiß, Mineralien und Vitamine brauchen Senioren in gleicher Menge wie Jüngere. Der Energiebedarf verringert sich bei Männern zwischen ihrem 25. und 75. Lebensjahr um ungefähr 20 Prozent, das entspricht knapp 400 Kilokalorien. Bei Frauen liegt der Wert etwa bei 200 Kilokalorien, also umgerechnet 15 Prozent. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: So verlangsamt sich der menschliche Stoffwechsel mit dem Alter, außerdem bewegen sich Senioren in der Regel nicht mehr so häufig, wodurch sie wiederum weniger Fett verbrennen. Die Ökotrophologin Holtorf rät daher: "Anstatt wie früher einen normalen Sahnejoghurt zu essen, sollte man als älterer Mensch lieber zu der fettarmen Version greifen."
Nicht nur der Genuss und die Lust am Essen geht bei vielen alten Menschen verloren, viele vergessen das Essen einfach ganz. Der Grund hierfür kann eine fortschreitende Altersdemenz sein – oder auch das falsche Trinkverhalten. Teilweise verlieren Senioren ihr Durstempfinden, oder sie haben Angst davor, auf die Toilette zu gehen, wenn sie dabei von anderen unterstützt werden müssen und trinken deshalb weniger. Dadurch fehlt es dem Körper erheblich an Flüssigkeit – Haut und Schleimhäute trocknen aus, das Gehirn wird unzureichend versorgt, wodurch wiederum Verwirrtheitszustände auftreten und das Trinken und Essen vergessen wird. Ricarda Holtorf spricht von einem "Teufelskreis", in dem viele Senioren stecken.
In Seniorenheimen und bei Essen-auf-Rädern-Services müsste deshalb genau auf die Auswahl der Speisen geachtet werden, sagt die Ernährungsberaterin Christiane Kling. Oftmals fehle es in den Heimleitungen aber an Experten. "Aus wirtschaftlichen Gründen", meint Kling. Ihre Kollegin Holtorf stimmt zu: "Extrawünsche sind in solchen Einrichtungen oft nicht möglich." Pauschalisieren dürfe man aber nicht – weder bei seinem Urteil über Altenheime, noch beim Thema Ernährung im Allgemeinen.
Bemühungen um Verbesserung
Trotzdem: Die Assoziation "unterversorgte Senioren" mit "Altenheimen" ist nicht ganz unberechtigt. Laut des neuesten Berichtes des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen bekommt jeder dritte Heimbewohner nicht genug zu essen und zu trinken. Die Veröffentlichung verursachte im Sommer 2007 einen Aufschrei in Deutschland und ein Umdenken vieler Heimleitungen. "Viele bemühen sich sehr, schicken ihre Angestellten auf Fortbildungen und ändern die Essenspläne", sagt Ricarda Holtorf. Und zwar weg vom kostengünstigen Allerlei, hin zu bekömmlicher Vollkost. Das sei nach Meinung der Ökotrophologin die beste Art und Weise, sich zu ernähren.
Aber ob die Senioren lieber zu Salat oder Braten greifen, soll trotz aller Ernährungs-Weisheiten ihnen überlassen werden. Denn so Expertin Holtorf: "Selbstbestimmung ist das Wichtigste." Und die Garantie dafür, dass auch mit 70 Jahren Essen genussvoller Spaß bleibt.
Julia Langensiepen
Dieser Beitrag ist Teil eines Projektes der Studenten des 3. und 5. Semester Wissenschaftsjournalismus der Hochschule Darmstadt zum Thema "Ernährung":
Das große Fressen
Denn das Essen soll schmecken, das sei die Hauptsache, meint Christiane Kling. Gerade deshalb sollen die Gerichte gut gewürzt sein – die Mundschleimhaut müsse angeregt werden. Denn oftmals verändert sich auch das Geschmacksvermögen alter Menschen, meist eine Nebenwirkung von Medikamenten oder durch den Verlust des Geruchsinns verursacht. Den Betroffenen vergeht die Lust am Essen, oder noch schlimmer: Sie bemerken es nicht, wenn sie verfaulte oder verschimmelte Lebensmittel zu sich nehmen. Von den fünf Geschmacksrichtungen bitter, salzig, sauer, umami und süß bleibt letztere am längsten erhalten. Der Grund dafür, dass Senioren gerne Kuchen schlemmen oder stark gesüßten Kaffee trinken.
Verlangsamter Stoffwechsel
Die Lust auf Süßes sei aber laut Kling auch oft ein Problem. Rund ein Fünftel der Senioren haben deswegen mit Übergewicht zu kämpfen, heißt es vom Bundesverband Verbraucherzentrale. Was viele Senioren nicht beachten: Der täglich benötigte Energiebedarf geht im Laufe der Jahre zurück. Nährstoffe wie Eiweiß, Mineralien und Vitamine brauchen Senioren in gleicher Menge wie Jüngere. Der Energiebedarf verringert sich bei Männern zwischen ihrem 25. und 75. Lebensjahr um ungefähr 20 Prozent, das entspricht knapp 400 Kilokalorien. Bei Frauen liegt der Wert etwa bei 200 Kilokalorien, also umgerechnet 15 Prozent. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: So verlangsamt sich der menschliche Stoffwechsel mit dem Alter, außerdem bewegen sich Senioren in der Regel nicht mehr so häufig, wodurch sie wiederum weniger Fett verbrennen. Die Ökotrophologin Holtorf rät daher: "Anstatt wie früher einen normalen Sahnejoghurt zu essen, sollte man als älterer Mensch lieber zu der fettarmen Version greifen."
Nicht nur der Genuss und die Lust am Essen geht bei vielen alten Menschen verloren, viele vergessen das Essen einfach ganz. Der Grund hierfür kann eine fortschreitende Altersdemenz sein – oder auch das falsche Trinkverhalten. Teilweise verlieren Senioren ihr Durstempfinden, oder sie haben Angst davor, auf die Toilette zu gehen, wenn sie dabei von anderen unterstützt werden müssen und trinken deshalb weniger. Dadurch fehlt es dem Körper erheblich an Flüssigkeit – Haut und Schleimhäute trocknen aus, das Gehirn wird unzureichend versorgt, wodurch wiederum Verwirrtheitszustände auftreten und das Trinken und Essen vergessen wird. Ricarda Holtorf spricht von einem "Teufelskreis", in dem viele Senioren stecken.
Essen alte Menschen doch, dann oftmals nicht genug. Da der Magen seine Elastizität verliert, fühlen sie sich zu früh gesättigt. Zusätzlich verändert sich das Zusammenspiel aus Hungergefühl auslösenden Hormonen und ihren Gegenspielern, die dem Gehirn Sättigungssignale weiterleiten. Dadurch wird der Energie- und Nährstoffbedarf nicht genügend gedeckt und es treten gehäuft Mangelerkrankungen auf. Laut einer Ernährungsstudie der Paderborner Universität ist Vitamin-B12-Mangel trotz ausreichender Zufuhr die häufigste Vitaminmangelerkrankung, die in deutschen Kliniken festgestellt werden kann. Das Vitamin nimmt der Mensch durch tierische Produkte zu sich, also beispielsweise Fleisch oder Milch, und wird dann im Körper für die Zellteilung oder Blutbildung benötigt. Da sich die Zusammensetzung des Magensaftes verändert, fehlt unter anderem das Protein, das dieses Vitamin binden und in den Darm transportieren kann.
In Seniorenheimen und bei Essen-auf-Rädern-Services müsste deshalb genau auf die Auswahl der Speisen geachtet werden, sagt die Ernährungsberaterin Christiane Kling. Oftmals fehle es in den Heimleitungen aber an Experten. "Aus wirtschaftlichen Gründen", meint Kling. Ihre Kollegin Holtorf stimmt zu: "Extrawünsche sind in solchen Einrichtungen oft nicht möglich." Pauschalisieren dürfe man aber nicht – weder bei seinem Urteil über Altenheime, noch beim Thema Ernährung im Allgemeinen.
Bemühungen um Verbesserung
Trotzdem: Die Assoziation "unterversorgte Senioren" mit "Altenheimen" ist nicht ganz unberechtigt. Laut des neuesten Berichtes des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen bekommt jeder dritte Heimbewohner nicht genug zu essen und zu trinken. Die Veröffentlichung verursachte im Sommer 2007 einen Aufschrei in Deutschland und ein Umdenken vieler Heimleitungen. "Viele bemühen sich sehr, schicken ihre Angestellten auf Fortbildungen und ändern die Essenspläne", sagt Ricarda Holtorf. Und zwar weg vom kostengünstigen Allerlei, hin zu bekömmlicher Vollkost. Das sei nach Meinung der Ökotrophologin die beste Art und Weise, sich zu ernähren.
Aber ob die Senioren lieber zu Salat oder Braten greifen, soll trotz aller Ernährungs-Weisheiten ihnen überlassen werden. Denn so Expertin Holtorf: "Selbstbestimmung ist das Wichtigste." Und die Garantie dafür, dass auch mit 70 Jahren Essen genussvoller Spaß bleibt.
Julia Langensiepen
Dieser Beitrag ist Teil eines Projektes der Studenten des 3. und 5. Semester Wissenschaftsjournalismus der Hochschule Darmstadt zum Thema "Ernährung":
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