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Kosmologie: Euclid ist erfolgreich ins dunkle Universum gestartet

Das ESA-Teleskop Euclid hat die Erde verlassen und ist unterwegs ins All. Es soll die genaueste 3-D-Karte unseres Kosmos erstellen und sechs Jahre lang das dunkle Universum erforschen.
Euclid startet an Bord einer Falcon-9-Rakete
Das neue ESA-Teleskop Euclid beim Start zum 1,5 Millionen Kilometer entfernten Lagrange-Punkt L2.

Das Teleskop, das die dunkelsten Geheimnisse des Universums erforschen soll, hat die Erde in gleißendem Sonnenlicht verlassen. Am 1. Juli 2023, um 11.12 Uhr Ortszeit, (17.12 Uhr MESZ) stieg die Falcon-9-Rakete mit der Sonde Euclid an Bord vom Raketenstartplatz in Cape Canaveral, Florida, in einer Wolke aus Feuer und Rauch donnernd gen Himmel, um sie zu ihrem 1,5 Millionen Kilometer entfernten Ziel, dem Lagrange-Punkt L2, zu bringen. Von dort wird Euclid mindestens sechs Jahre lang mit noch nie da gewesener Genauigkeit und Empfindlichkeit ein Drittel des Himmels durchmustern und dabei helfen, zwei geheimnisvolle Komponenten des Universums besser zu verstehen: Dunkle Materie und Dunkle Energie.

Der sichtbare Teil des Alls ist kaum mehr als ein dünner Staubfilm aus Materie an der Oberfläche einer immensen verborgenen Welt. Unvorstellbare 95 Prozent sind laut Messungen und anerkannten theoretischen Modellen »dunkel«. Das bedeutet aber nicht nur, dass man diese Bestandteile des Universums nicht sehen kann, sondern auch, dass weder Form noch Funktion oder genaue Beschaffenheit bekannt sind. Denn das, was Astronominnen und Astronomen beim Blick von der Erde ins Weltall beobachten, passt nicht zu dem, was die Theorie vorhersagt. Das Universum dehnt sich seit dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren immer schneller aus, obwohl sich die Expansion auf Grund der wirkenden Gravitation eigentlich verlangsamen sollte. Und rotierende Galaxien wie unsere Milchstraße müssten eigentlich in alle Richtungen auseinanderfliegen, wenn da nicht eine rätselhafte Kraft wäre, die alles zusammenhält.

Euclid scannt den Himmel | Euclid wird den Himmel sechs Jahre lang abtasten und die einzelnen Messungen zur größten jemals durchgeführten kosmologischen Durchmusterung im sichtbaren und nahen Infrarot zusammenfassen. Die verschiedenen Grautöne zeigen den Bereich, den Euclid jeweils pro Jahr aufzeichnet. Die überwältigende Helligkeit der Milchstraße verhindert, dass das Teleskop mehr als 35 Prozent des Himmels abdecken kann.

Mit Euclid will die Europäische Raumfahrtbehörde ESA Licht in diese Dunkelheit bringen. Das Teleskop, das mit einer Kamera für den sichtbaren Wellenlängenbereich und einer für den Nah-Infrarotbereich ausgestattet ist, soll dazu Milliarden von Galaxien in einem Umkreis von rund 10 Milliarden Lichtjahren beobachten, um die größte und genaueste 3-D-Karte unseres Universums zu erstellen. Mehr als 5000 Menschen waren an der Entwicklung und dem Bau der insgesamt 1,4 Milliarden Euro teuren Sonde beteiligt.

Die Erleichterung über den erfolgreichen Start ist den Verantwortlichen der Europäischen Raumfahrtagentur ESA deutlich anzumerken – insbesondere als das Raumflugkontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt gegen 17.57 Uhr MESZ endlich den Empfang des Signals von Euclid über die Bodenstation New Norcia in Australien bestätigt. Denn eigentlich hätte der gut vier mal fünf Meter große und knapp zwei Tonnen schwere Satellit bereits im Jahr 2020 in einer russischen Sojus-Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana die Reise ins All antreten sollen. Doch erst dauerte das gesamte Design des Teleskops etwa zwei Jahre länger als gedacht. Dann kam die Coronapandemie. Und schließlich marschierte Russland in die Ukraine ein. Plötzlich stand das Konsortium zwar mit einem fertigen Satelliten, aber ohne Rakete da. Es ist ein absolutes Novum, dass sich die ESA nun bei einer milliardenschweren Wissenschaftsmission auf ein Privatunternehmen wie SpaceX verlässt.

Mehr als zehn Jahre hat die Entwicklung der hochkomplexen wissenschaftlichen Instrumente gedauert. Um die Form und die Verteilung von Galaxien sowie die Geschwindigkeit präzise zu vermessen, braucht das Teleskop ein großes Sichtfeld und extrem empfindliche Detektoren; es muss ausgesprochen stabil sein und einen großen Bereich des elektromagnetischen Spektrums abdecken. Dazu spaltet ein spezieller Filter das auftreffende Licht in zwei Strahlen auf – der eine enthält den sichtbaren, der andere den infraroten Anteil –, die dann zu zwei wissenschaftlichen Instrumenten geleitet werden: VIS und NISP. Die erste Abkürzung steht für »Visible Instrument« und die zweite für »Near Infrared Spectrometer and Photometer«. Zusammen decken sie einen Bereich des elektromagnetischen Spektrums zwischen 550 und 2000 Nanometern ab.

»Es wäre natürlich fantastisch, wenn wir mit Euclid einen echten Durchbruch erzielen könnten – etwa, indem wir herausfinden, dass sich die Gravitation auf großen Skalen nicht so verhält, wie es Albert Einstein beschrieben hat«, erklärte der Projektleiter der Mission bei der ESA, Giuseppe Racca, im Vorfeld gegenüber »Spektrum«. Darauf traue er sich aber vorerst nicht zu hoffen. Josef Aschbacher, ESA-Generaldirektor, ist sich dagegen sicher, dass die Mission »einige Nobelpreisgewinner hervorbringen wird«, wie er bei ESA TV kurz vor dem Start sagte. Bis Euclid in seinem Beobachtungsorbit angekommen ist, wird es ohnehin erst einmal gut 30 Tage dauern. Nach der Kalibrierung der Instrumente und einigen Tests soll die Mission dann im Herbst erste Daten und Bilder liefern – pro Tag mehr, als das Hubble-Teleskop während seiner gesamten bisherigen Laufzeit zur Erde geschickt hat.

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