Übersichtsgrafik: Das größte Stromnetz der Welt
Es ist das größte zusammenhängende Elektrizitätssystem der Welt: das europäische Stromnetz. 36 Länder produzieren und verbrauchen tagtäglich Strom und schicken ihn über Ländergrenzen hin und her. Gas- und Kohlekraftwerke, Windräder und Solarpaneele, Wasserkraftwerke und Atommeiler erzeugten im Jahr 2023 insgesamt 2748 Terawattstunden (kurz: TWh); 2715 TWh verbrauchten Industriebetriebe und Privatpersonen im selben Jahr zusammen. Das weit verzweigte Netz ist auf die unterschiedlichen Erzeuger und Verbraucher eingestellt. Es ist ein Meisterstück der Koordination. Denn gut 40 Jahre nach Beginn der Energiewende verbindet das Netz Länder, die in puncto Strommix unterschiedlicher nicht sein könnten.
Das gesamteuropäische Zusammenspiel sorgt dafür, dass Länder elektrische Energie zu jedem Zeitpunkt von dort beziehen, wo sie momentan am günstigsten erzeugt wird. So exportiert beispielsweise Deutschland an windreichen Tagen günstigen Windstrom in die Nachbarländer. Während einer Dunkelflaute kann es sich dagegen lohnen, Energie von nebenan zu importieren, statt die letzten Reserven des eigenen Kraftwerkparks hochzufahren. Das stärkt nicht nur die Versorgungssicherheit, sondern liefert in der Regel auch den günstigsten Strom.
Deutschland und Frankreich erzeugen in Europa mit Abstand am meisten Strom: Gut 448 TWh kamen in Deutschland im Jahr 2023 zusammen, knapp 479 im Nachbarland Frankreich.
Die Länder unterscheiden sich aber nicht nur mit Blick auf den Strommix und die produzierten Strommengen, sondern auch im Strompreis – und zwar eklatant. Den niedrigsten Preis zahlten Privatverbraucher im Jahr 2023 im Kosovo mit 7,1 Cent pro Kilowattstunde (kWh). In Deutschland war die Kilowattstunde im selben Jahr mit knapp 41 Cent im europäischen Vergleich am teuersten.
In naher Zukunft werden die europäischen Hochleistungstrassen noch deutlich mehr Strom transportieren müssen als bisher. Denn Industrieprozesse und Verkehr werden elektrifiziert, um Treibhausgasemissionen zu senken. Da dieser Strom aus erneuerbaren Quellen stammen soll, werden die Einspeisungen in das Netz je nach Verfügbarkeit von Sonnen- und Windstrom erheblich schwanken. Daher muss das Stromnetz zusätzlich anpassungsfähiger werden: Speicher müssen her, flexible Abnehmer sowie Anlagen, die überschüssigen Strom in Wärme oder wertvolles Wasserstoffgas umwandeln. Intelligente Methoden, Stromlasten nach Verfügbarkeit zu steuern, gehören ebenso dazu.
Wie gut die einzelnen Länder im europäischen Verbundnetz auf diesen Umbruch vorbereitet sind, hat der Thinktank »Globsec« mit dem »Grid Transition Index 2024« ermittelt. Für jedes Land wurde anhand von 30 Kriterien bewertet, wie gut das Stromnetz derzeit funktioniert, welche Herausforderungen im Jahr 2030 bevorstehen und welche technischen Lösungen jetzt bereits verfügbar sind. Für Deutschland zeichnet sich ein gemischtes Bild: Der Ausbau erneuerbarer Energien ist hier sehr weit – dieser vermeintliche Pluspunkt stellt allerdings eine Herausforderung für das Netz dar, weil Strommengen dadurch stark schwanken und Puffer aufgebaut werden müssen. Das geschieht derzeit an vielen Stellen. Größtes Manko ist hier zu Lande die fehlende Digitalisierung des Stromsektors: Intelligente Messstellen, die den Stromverbrauch auch von privaten Haushalten an die aktuell verfügbare Menge anpassen könnten (»Smart Meter«), fehlen quasi noch flächendeckend.
Themenwoche: Stromnetze der Zukunft
Unsere Stromversorgung ändert sich – und mit ihr die Anforderungen an das Netz. Wir beleuchten in dieser Themenwoche die spannendsten Aspekte zur Zukunft unserer Stromversorgung.
Energiewende: Damit das Netz nicht reißt
Netzausbau: Darf der Netzbetreiber meine Wärmepumpe abschalten?
Grafik: Das größte Stromnetz der Welt
Nutzen statt abregeln: Wohin mit dem überschüssigen Strom?
Hohe Strompreise: Billig erzeugt, teuer verkauft
Solarzellen: Die Zukunft der Fotovoltaik
Kommentar: Mehr Mut zum Risiko!
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