Phlegräische Felder: Europas Supervulkan kann ohne Vorwarnung explodieren
An den Phlegräischen Feldern nahe Neapel, Europas einzigem Supervulkan, herrscht Unruhe. Seit 1950 hob sich dort der Boden schubweise um mehrere Meter, begleitet von Erdbeben. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts mussten wegen dauernder Erschütterungen die 40 000 Einwohner von Pozzuoli für Monate ihre Heimat verlassen: Man fürchtete einen Vulkanausbruch vergleichbar jenem von 1538, bei dem der 133 Meter hohe Monte Nuovo entstand.
Eine Arbeitsgruppe um Michael Stock von der University of Oxford hat jetzt eine gute und eine schlechte Nachricht für die Bevölkerung der Region. Ihrer Analyse nach sind solche Erdbeben und Hebungen, anders als bisher vermutet, wohl kein Indiz für eine baldige Eruption. Allerdings kommen sie zu dem Schluss, dass die Phlegräischen Felder unter Umständen nur mit sehr geringer Vorwarnzeit oder gar völlig überraschend ausbrechen.
Wann perlen die Fluide aus?
Hinter solchen Eruptionen stehen vulkanische Fluide – Gase wie Wasser und Kohlendioxid, die im Gestein gelöst sein können oder als Gasblasen im Magma vorliegen. Wenn sich im Lauf der Zeit genug an Fluiden gesättigtes, blasenhaltiges Magma ansammelt, steigt der Druck so weit, dass die gesammelten Gasblasen den Vulkanschlot aufsprengen. Bisher gingen Fachleute meist davon aus, dass das ein langsamer Prozess ist: Das Magma samt Fluiden sammelt sich über Jahrhunderte an, bis das Gestein darüber unter dem hohen Druck beginnt, sich zu verformen und zu rumpeln. Dann steht der Ausbruch bevor.
Stock und seine internationale Arbeitsgruppe schlagen einen anderen Mechanismus vor. Demnach steigt der Druck in der Magmakammer nicht langsam an, bis ein kritischer Wert überschritten ist. Vielmehr fehlen, so ihr Befund, Gasblasen über lange Zeit völlig – das Magma ist nicht mit Fluiden gesättigt. Erst sehr kurz vor der Eruption perlt plötzlich Gas aus und erhöht den Druck bis zum Brechen des Deckgesteins.
Einen solchen Ablauf jedenfalls legen die Überreste eines Ausbruchs vor 4000 Jahren nahe. Aus den Ascheschichten sammelten die Forscher das Mineral Apatit, das flüchtige Stoffe in seine Kristallstruktur einbaut und deswegen detaillierte Informationen über den Zustand des Magmas während der Kristallisation bewahrt. Im Gegensatz dazu stehen winzige Einschlüsse von Schmelze innerhalb wachsender Kristalle – sie tauschen auch nach ihrer Umschließung Stoffe mit der Magmakammer aus.
Diese beiden Sachverhalte reichen, um herauszufinden, wann in der Schmelze die ersten Gasblasen entstanden – das geschah exakt an dem Punkt, an dem die Schmelze mit Fluiden übersättigt war. Nach dem klassischen Modell sollten bereits lange vor der Eruption Teile des Magmas an Fluid übersättigt sein. Der entstehende Druck erzeugt dann Erdbeben und andere Warnzeichen. Doch das ist nicht das, was Stock und sein Team fanden.
Plötzlich übersättigt
Vielmehr gab es zwar Apatite, die aus einer an Fluiden übersättigten Schmelze entstanden, jedoch keine solchen Schmelzeinschlüsse. Demnach war die Schmelze nicht lange genug übersättigt, um eine nennenswerte Menge entsprechender Einschlüsse zu erzeugen. Doch ihr Fehlen verrate noch mehr, schreibt das Team: Demnach war die Zeitspanne zwischen dem Entstehen der allerersten Gasblasen zu kurz, als dass sich die Zusammensetzung der Einschlüsse durch Diffusion an die Magmakammer hätte anpassen können.
Viele leichte Moleküle und Ionen wandern nämlich, auch nachdem der Einschluss völlig von der Außenwelt abgetrennt ist, durch den umgebenden Kristall nach außen. Das aber dauert eine Weile – unter den Bedingungen einer Magmakammer einige Tage bis Wochen. Da keine Einschlüsse gefunden wurden, die auf fluidgesättigtes Magma hindeuten, muss sich die Magmakammer nach dem Entstehen der ersten Blasen binnen dieser Zeitspanne geleert haben.
In so einem Fall käme die Eruption sehr plötzlich, denn nach diesem Mechanismus haben Erdbebenschwärme und Bodenhebungen mit der Eruption selbst nichts zu tun – sie spielen sich auf längeren Zeitskalen ab. Stattdessen empfehlen Stock und seine Arbeitsgruppe, vulkanische Gase auf kurzfristige Änderungen zu untersuchen. Die nämlich würden deutlich anzeigen, wenn die Magmakammer anfängt, Blasen zu werfen. Ein paar Tage hätte man dann wohl noch.
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