Evolution: Das ideale Körpergewicht, um schnell zu laufen
Das schnellste Landtier auf der Welt ist der Gepard. Mehr als 100 Kilometer in der Stunde kann er beim Laufen erreichen – davon können Menschen nur träumen. Doch wer sich über den Gedanken ärgert, dem gefleckten Jäger im Ernstfall nicht davonlaufen zu können, den mag vielleicht diese Erkenntnis trösten: Bezogen auf unseren Körperbau haben wir Menschen nahezu das Optimum an Schnelligkeit herausgeholt, zumindest im Durchschnitt. Wären wir deutlich kleiner und leichter oder merklich größer und schwerer, kämen wir sehr viel langsamer voran. Das hat ein Forschungsteam um Christofer J. Clemente von der australischen University of Queensland in aufwändigen Studien ermittelt und im Fachmagazin »Nature Communications« veröffentlicht.
Für ihre Studien nutzten die Wissenschaftler eine Simulationssoftware, die auf einem öffentlich zugänglichen Modell des menschlichen Körpers beruht. Im Modell sind Muskeln, Knochen und Sehnen detailgetreu angelegt. Die 2019 entwickelte Software kann beispielsweise anzeigen, wie sich die einzelnen Komponenten beim Laufen mit verschiedenen Geschwindigkeiten verhalten. Das Team um Clemente legte nun verschieden große Modelle des Menschen dort an – von kleinen, 100 Gramm leichten Zwergen bis zu 2000 Kilogramm schweren Riesenmenschen. Dann ließ sie das Programm simulieren, wie schnell sich die unterschiedlich großen Exemplare jeweils maximal fortbewegen konnten.
Die tonnenschweren Riesen verloren das virtuelle Rennen, denn sie kamen gar nicht erst vom Fleck. Nur bis rund 900 Kilogramm Gewicht war mit dem Körperbau eines Menschen überhaupt eine Bewegung auf zwei Beinen möglich. Aber auch klein zu sein hatte nur einen begrenzten Vorteil: Die 100 Gramm wiegenden Miniaturmenschen konnten sich ebenfalls nicht fortbewegen. Trägt man die Geschwindigkeit gegen das Körpergewicht auf, erhält man eine Kurve mit einem optimalen Körpergewicht von 47 Kilogramm.
Die Autoren schlagen auch eine Erklärung vor, warum das so sein könnte. Wie schnell jemand laufen kann, hängt nach weiteren Erkenntnissen hauptsächlich davon ab, mit welcher Kraft sich die Person vom Boden abstößt – also nicht etwa, wie schnell sie ihre Beine bewegen kann. Die Kraft, die man aufbringen kann, hängt wiederum von den Muskeln ab, genauer gesagt von deren Querschnittsfläche. Diese steigt aber mit wachsender Körpergröße nicht so rasch wie die Masse der Muskeln, und entsprechend sind die Muskeln ab einer gewissen Körpergröße relativ gesehen schwächer. Bei den sehr leichten Minimenschen wiederum sind die Muskeln zwar verhältnismäßig stark, doch die Personen sind zu leicht, um genügend Kraft auf den Boden auszuüben und sich abzustoßen.
Um schnell laufen zu können, darf man also weder zu groß noch zu klein sein – wie der Gepard, der übrigens im Schnitt ebenfalls 47 Kilogramm wiegt. Das menschliche Durchschnittsgewicht von Erwachsenen liegt bei rund 62 Kilogramm. Das ist relativ nah am Optimum, wie die Autoren anmerken. Sie spekulieren, dass die Fähigkeit, schnell zu laufen, einen evolutionären Vorteil darstellte. Andere Homininen seien deutlich schwerer oder leichter gewesen als der heutige Mensch, etwa der im Schnitt 30 Kilogramm leichte Australopithecus afarensis oder der mit im Mittel 80 Kilogramm deutlich schwerere Homo erectus.
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