Evolution: Fische(n) im Trüben
Blinde wieder sehend zu machen, ist längst kein alleiniges Wunder der Bibel mehr. Und auch nicht immer eine Frage von Hightech: Bei einem Höhlenfisch reicht klassische Genetik.
Wer in vollständiger und andauernder Dunkelheit lebt, muss sich an diese besondere Umgebung anpassen. Selbst extrem lichtempfindliche Augen wie bei Eulen oder Katzen gelangen hier an ihre Grenzen. Der Blinde Höhlensalmler (Astyanax mexicanus) – ein Fisch, der über zahlreiche Generationen hinweg das Tageslicht nicht mehr zu Gesicht bekommen hat – verlässt sich deshalb ganz auf andere Sinne und verzichtet schlicht auf die Entwicklung funktionstüchtiger Sehorgane.
Diese tageslichtscheuen Fische haben sich zu Spezialisten für das Leben in ständiger Nacht ausgebildet: Mit Hilfe eines leicht veränderten Körperbaus und einem ausladenden Kiefer mit einer größeren Anzahl von Zähnen können sie sehr effektiv am Gewässergrund Nahrung aufspüren. Um in der Dunkelheit nicht einen Stein mit einem Beutetier zu verwechseln, besitzen sie außerdem an Maul und Gaumen mehr Geschmacksknospen als ihre sehenden Verwandten.
Und die Tiere verzichten nicht nur auf die überflüssigen Augen. Im Gehirn haben sich auch die Regionen verkleinert, die normalerweise visuelle Informationen verarbeiten. Zudem blieb das für den Oberflächenbewohner typische Schwarmverhalten und die Pigmentierung bei der Anpassung an die Dunkelheit auf der Strecke.
Für die genetische und evolutionsbiologische Welt ist die Erblindung des Fisches aber noch in weiten Teilen ein Mysterium. Theorien und Ergebnisse gibt es viele – Gewissheiten wenige. Selbst Darwin war bei den augenlosen Wassertieren mit seinem Evolutionslatein am Ende.
Doch Richard Borowsky und seinem Team gelang es nun, den Blinden wieder das Augenlicht zu schenken. Die Forscher mussten dafür nicht einmal aufwändige gentechnische Methoden anwenden, sondern wandelten auf den Pfaden von Gregor Mendel: Sie paarten einfach unterschiedliche Höhlenbevölkerungen miteinander. Denn den Wissenschaftlern war von älteren Studien bekannt, dass die verschiedenen Fischbestände zwar alle Fehler in unterschiedlichen Genen hatten, diese aber immer zum selben Ergebnis führten – der Blindheit.
Vereinfacht lässt sich die Vorgehensweise der Forscher so erklären: Sie kreuzten zum Beispiel einen Fisch aus Höhle A mit einem Fehler im Gen A mit einem Fisch aus Höhle B mit einem Fehler in Gen B. Der glückliche Nachkomme bekam bei dieser Kombination ein gesundes Gen A von seiner Mutter und ein gesundes Gen B von seinem Vater – und konnte wieder sehen. Bei Kreuzungen von weit entfernten Populationen, die sich in vielen Genen unterschieden, hatten Borowsky und seine Kollegen dabei eine Erfolgsquote von fast vierzig Prozent.
Dieser blinde und gerade mal zwölf Zentimeter große Wasserbewohner wird somit weiter für Genetiker und Evolutionsbiologen ein wichtiges Forschungsfeld bleiben – nicht zuletzt, um die Entwicklung des menschlichen Auges besser zu verstehen. Und vielleicht können sie dann irgendwann sein evolutionäres Geheimnis lüften, das er über Millionen von Jahren in der Dunkelheit der unterirdischen Felsgrotten gehütet hat.
Doch das war nicht immer so. Verfolgt man die Familiengeschichte dieses nach Astyanax, dem Sohn des trojanischen Helden Hektor, benannten Höhlenbewohners, so trifft man durchaus auf sehende Vorfahren. Im Laufe der Evolution entwickelte sich daraus eine einzige Art, die allerdings verschiedene Erscheinungsformen ausprägen kann: einen kräftig pigmentierten und sehenden Fisch, der das helle Oberflächenwasser bewohnt, und etwa dreißig unterschiedliche farblose und blinde Formen, die in der vollkommenen Dunkelheit mexikanischer Höhlensysteme leben. Sie sind in Millionen von Jahren zu verschiedenen Zeiten und auf unterschiedliche Art und Weise entstanden.
Diese tageslichtscheuen Fische haben sich zu Spezialisten für das Leben in ständiger Nacht ausgebildet: Mit Hilfe eines leicht veränderten Körperbaus und einem ausladenden Kiefer mit einer größeren Anzahl von Zähnen können sie sehr effektiv am Gewässergrund Nahrung aufspüren. Um in der Dunkelheit nicht einen Stein mit einem Beutetier zu verwechseln, besitzen sie außerdem an Maul und Gaumen mehr Geschmacksknospen als ihre sehenden Verwandten.
Und die Tiere verzichten nicht nur auf die überflüssigen Augen. Im Gehirn haben sich auch die Regionen verkleinert, die normalerweise visuelle Informationen verarbeiten. Zudem blieb das für den Oberflächenbewohner typische Schwarmverhalten und die Pigmentierung bei der Anpassung an die Dunkelheit auf der Strecke.
Für die genetische und evolutionsbiologische Welt ist die Erblindung des Fisches aber noch in weiten Teilen ein Mysterium. Theorien und Ergebnisse gibt es viele – Gewissheiten wenige. Selbst Darwin war bei den augenlosen Wassertieren mit seinem Evolutionslatein am Ende.
Manche Wissenschaftler sind der Meinung, dass der Fisch mit dem Verzicht auf nutzlose Augen eine Menge Energie einsparen kann. Doch bei genauerem Hinsehen wählt der kleine Höhlenbewohner eine viel aufwändigere Taktik: Der Nachwuchs von Astyanax entwickelt während seiner Embryonalentwicklung durchaus Sehorgane. Während aber bei seinen sehenden Verwandten diese Augen mit Zunahme an Körpergröße ebenfalls mitwachsen, legt der blinde Fisch bei der Augenentwicklung den Rückwärtsgang ein. Die speziellen Zellen des Sehorgans teilen sich zwar weiter, leiten aber schon kurz nach der Teilung die eigene Selbstzerstörung ein. Weil das unfertige und degenerierte Auge dadurch immer weiter an Größe verliert, wird es am Ende von umliegender Haut überwachsen.
Doch Richard Borowsky und seinem Team gelang es nun, den Blinden wieder das Augenlicht zu schenken. Die Forscher mussten dafür nicht einmal aufwändige gentechnische Methoden anwenden, sondern wandelten auf den Pfaden von Gregor Mendel: Sie paarten einfach unterschiedliche Höhlenbevölkerungen miteinander. Denn den Wissenschaftlern war von älteren Studien bekannt, dass die verschiedenen Fischbestände zwar alle Fehler in unterschiedlichen Genen hatten, diese aber immer zum selben Ergebnis führten – der Blindheit.
Vereinfacht lässt sich die Vorgehensweise der Forscher so erklären: Sie kreuzten zum Beispiel einen Fisch aus Höhle A mit einem Fehler im Gen A mit einem Fisch aus Höhle B mit einem Fehler in Gen B. Der glückliche Nachkomme bekam bei dieser Kombination ein gesundes Gen A von seiner Mutter und ein gesundes Gen B von seinem Vater – und konnte wieder sehen. Bei Kreuzungen von weit entfernten Populationen, die sich in vielen Genen unterschieden, hatten Borowsky und seine Kollegen dabei eine Erfolgsquote von fast vierzig Prozent.
Welche Gene im Speziellen an der Rückbildung der Augen beteiligt sind, hatte schon früher die wissenschaftliche Welt beschäftigt. Zu ihrer Verblüffung fanden Forscher dabei heraus, dass jene Gene, die direkt für den Aufbau der einzelnen Bauelemente des Auges wie Linse und Hornhaut verantwortlich sind, sich auch im blinden Fisch als voll funktionsfähig erwiesen. Offensichtlich liegt der genetische Fehler des Schwimmers eher darin, dass Gene für die Anordnung des Auges in den falschen Zellen abgelesen oder zu einem unpassenden Zeitpunkt aktiviert werden.
Dieser blinde und gerade mal zwölf Zentimeter große Wasserbewohner wird somit weiter für Genetiker und Evolutionsbiologen ein wichtiges Forschungsfeld bleiben – nicht zuletzt, um die Entwicklung des menschlichen Auges besser zu verstehen. Und vielleicht können sie dann irgendwann sein evolutionäres Geheimnis lüften, das er über Millionen von Jahren in der Dunkelheit der unterirdischen Felsgrotten gehütet hat.
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