Evolution: Krieg und Jagd lässt Elefantenstoßzähne verschwinden
Der Mensch verändert nicht selten Evolutionsprozesse – manchmal auch drastisch, wenn er dafür sorgt, dass eine Art ganz ausstirbt. Beim Afrikanischen Elefanten ist es nicht so weit gekommen, die Tiere haben sich an manchen Orten aber doch auffällig verändert, seit Menschen sie in großer Zahl geschossen haben: Der dabei auf die Dickhäuter ausgeübte Selektionsdruck sorgt dafür, dass es über die Jahre hinweg immer mehr weibliche Elefanten ganz ohne Stoßzähne gab. Solche Tiere laufen weniger Gefahr, von nach Elfenbein gierenden Wilderern geschossen zu werden; sie pflanzen sich dann eher fort, geben ihr Erbgut häufiger an die nächste Generation weiter und sorgen so dafür, dass sich die Stoßzahnlosigkeit verbreitet. Diesen Zusammenhang hat ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Shane Campbell-Staton von der Princeton University nun nachzeichnen können.
Im Fachmagazin »Science« beschreibt das Team die Analyse der Genproben von Elefanten (Loxodonta africana), die im Nationalpark Gorongosa nach dem Ende des von 1977 bis 1992 dauernden Bürgerkrieges geboren wurden. Während des Krieges ist die Ordnung im Nationalpark zeitweise immer wieder völlig zusammengebrochen: Die Bewaffneten aller Parteien haben im Nationalpark ungehindert Elefanten getötet, um mit dem Elfenbeinhandel Geld zu verdienen. Die Population der Elefanten ist dabei um etwa 90 Prozent eingebrochen. Unter den überlebenden Tieren fanden sich besonders viele Tiere ohne Stoßzähne, was auch Einzelberichte und die Auswertung von Videomaterial schon seit Langem nahelegten.
Auffällig ist, dass nur weibliche Tiere, nie aber auch Männchen ohne Stoßzähne auftreten: Die Selektionsprozesse scheinen lediglich auf in der weiblichen Linie vererbte Gene einzuwirken. Campbell-Staton und ihre Kolleginnen und Kollegen haben nun das Erbgut von 18 Elefantenkühen analysiert – einige mit, einige ohne Stoßzähne –, um die genetische Veränderung einzugrenzen, die mit der Selektion während der Kriegsjahre einherging. Die Forscher erkannten, dass unter dem Selektionsdruck vor allem eine Variante eines Gens – AMELX – auf dem X-Chromosom bevorzugt weitergegeben wird. Ein zweites Gen, MEP1a, das wie AMELX bei Säugetieren an der Entwicklung der Zähne beteiligt ist, spielt außerdem eine Rolle. Die veränderten Allele für Stoßzahnlosigkeit treten bei allen Weibchen ohne Stoßzähne stets heterozygot auf, also nur auf einem in der beiden Chromosomen. Das liegt daran, dass Männchen mit veränderten Allel auf dem X-Chromosom sterben: Sie können die genetische Information für Stoßzahnlosigkeit also nicht an Nachkommen weitergeben. Nur dann könnte theoretisch ein homozygoter weiblicher Elefant geboren werden, der das Allel auf beiden Kopien des X-Chromosoms trägt: Dem von der Mutter und dem vom Vater.
Die Allele für Stoßzahnlosigkeit sind in der Elefantenpopulation im Nationalpark nun stark vertreten – es ist aber anzunehmen, dass die Genvarianten ohne den Selektionsdruck, der sie gefördert hat, auch wieder zurückgehen: Immerhin leidet die Population darunter, dass männlicher Nachwuchs von Weibchen ohne Stoßzähne stirbt. Zudem haben Elefanten Stoßzähne nicht nur zur Dekoration; die Zähne erfüllen eine wichtige Funktion etwa als Werkzeug zum Graben oder zum Abschälen von Baumrinde. Elefanten sorgen dabei für eine Umwandlung von Wald- in Savannenökosysteme. Es dürfte demnach größere ökologische Folgen haben, wenn die anatomisch veränderten Elefanten ihre Funktion im Ökosystem nicht mehr wie zuvor ausüben können, spekuliert das Team um Campbell-Staton.
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