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Evolution: Mutationen sind nicht zufällig

Eine Grundannahme der Biologie erweist sich womöglich als falsch: Nicht erst die natürliche Selektion entscheidet, wo Mutationen auftreten. Auch die Epigenetik macht bestimmte Gene stabiler.
DNA mit Genmutation, die hier rötlich leuchtend markiert ist.

Eine grundlegende Annahme über die Entstehung von Mutationen und damit die Evolution könnte falsch sein. Neue Mutationen im Erbgut sind wohl nicht zufällig verteilt, berichtet ein Team um J. Grey Monroe und Detlef Weigel vom Max-Planck-Institut für Biologie in Tübingen in »Nature«. Ein Überblick über neu entstandene Veränderungen im Genom der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) ergab nach Angaben der Arbeitsgruppe, dass in Genen nur halb so viele Mutationen auftreten wie im Rest des Genoms, in für die Funktion des Organismus zentralen Genen traten sogar zwei Drittel weniger neue Veränderungen auf. Bisher gingen Fachleute davon aus, dass Mutationen zufällig im Genom erscheinen und erst in den nachfolgenden Generationen durch natürliche Selektion aus wichtigen Genen verschwinden.

Die Arbeitsgruppe untersuchte die Genome von 400 verschiedenen Zuchtlinien der Pflanze, um Mutationen aufzuspüren, die in einzelnen Pflanzen neu aufgetreten und deswegen noch nicht der natürlichen Selektion unterworfen waren. Sie katalogisierte sowohl Mutationen in Samen, die in der Keimbahn neu aufgetreten waren, als auch so genannte somatische Mutationen, die im Lauf des Pflanzenlebens hinzukamen. Erstere unterliegen nur der Selektion, wenn sie die Samen steril machen, somatische Mutationen unterliegen keiner solchen Einschränkung. Trotzdem zeigte sich bei der Analyse, dass bestimmte Teile des Genoms für Mutationen viel anfälliger sind als andere.

Manche Mutationen werden leichter repariert

Das Team setzte anschließend die Häufigkeit der Mutationen in bestimmten Regionen in Beziehung zu den physikalischen und chemischen Eigenschaften dieser Erbgutabschnitte. Dazu zählen zum Beispiel epigenetische Veränderungen an der DNA selbst oder an den als Histonen bezeichneten Komplexen aus Stützproteinen, aber auch die Häufigkeit bestimmter Buchstaben der DNA oder wie gut ein Genabschnitt von außen zugänglich ist. Dabei zeigte sich, dass viele Faktoren bei den nicht zufälligen Mutationen bereits bekannt sind oder zumindest vermutet werden. So treten in sehr wenig mutierten Abschnitten bestimmte Faktoren auf, die eine höchst effektive Reparatur von DNA-Schäden begünstigen – zum Beispiel epigenetische Veränderungen der Histone.

Ein hoher Anteil der Basen Cytosin und Guanin macht Genombereiche chemisch stabiler. Umgekehrt fand das Team um Monroe und Weigel in häufiger mutierten Bereichen höhere Anteile einer epigenetischen Veränderung, methyliertes Cytosin. Dieses ist anfällig für chemische Veränderungen, die zu Mutationen führen. Daneben behindert eine besonders zugängliche DNA-Struktur die Reparaturenzyme, wodurch dort häufiger Mutationen auftreten. Das betrifft oft regulatorische Regionen, zum Beispiel Bereiche, an denen Transkriptionsfaktoren binden, die das Auslesen von Genen einleiten. Dagegen erwiesen sich die Gene selbst als deutlich stabiler.

Während viele dieser Effekte im Prinzip nicht neu sind, ist ihr deutlicher Einfluss auf die Verteilung neu auftretender Mutationen überraschend. Die beteiligten Fachleute vermuten, dass die unterschiedliche Stabilität bestimmter Erbgutregionen selbst ein Ergebnis der natürlichen Selektion ist. Fürs Überleben entscheidende Gene stabiler zu machen, ist ein einleuchtender Überlebensvorteil. Weniger leicht zu erklären ist, weshalb nicht das ganze Genom so stabil wie möglich ist. Möglicherweise stehen bestimmte Anforderungen an bestimmte Regionen einer höheren Stabilität entgegen. Es könnte aber auch sein, dass natürliche Variation zwischen Nachkommen, die durch Unterschiede in der Regulierung bestimmter Gene durch zufällige Mutationen zu Stande kommt, selbst ein Überlebensvorteil ist.

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