Direkt zum Inhalt

Evolution: Wie Haie den offenen Ozean eroberten

Eine massive globale Erwärmung in der Kreidezeit zwang viele Haie dazu, ihren Lebensraum auf den offenen Ozean auszudehnen. Dies führte dazu, dass sich ihre Brustflossen verlängerten.
Weißer Hai vor der mexikanischen Küste
Die fernen Vorfahren der heutigen Haie lebten überwiegend in bodennahen Gewässerschichten. Als einige von ihnen klimabedingt in den Freiwasserbereich vorstießen, verlängerten sich ihre Brustflossen.

Vor etwa 93 Millionen Jahren, im erdgeschichtlichen Abschnitt der Kreidezeit, ließ starker Vulkanismus den atmosphärischen Kohlenstoffdioxidgehalt emporschnellen. Die CO2-Konzentration erreichte ein Mehrfaches des heutigen Werts, was zu einer immensen globalen Erwärmung führte. Der Meeresspiegel lag etwa 170 Meter höher als heute, die Wassertemperaturen kletterten auf Rekordwerte, und in den Ozeanen bildeten sich ausgedehnte sauerstoffarme Zonen. Viele Hai-Spezies reagierten darauf, indem sie von der bodennahen Zone in den offenen Ozean vorstießen und parallel dazu verlängerte Brustflossen entwickelten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Forschungsgruppe um Phillip Sternes von der University of California. Die Fachleute berichten darüber im Journal »Current Biology«.

Sternes und sein Team haben die Körperlängen sowie Flossenformen von mehr als 500 lebenden und fossilen Hai-Arten analysiert. Dabei stellten sie fest: Die frühen Spezies lebten überwiegend in bodennahen Gewässerschichten, dem so genannten Benthal. In erdgeschichtlichen Abschnitten mit erhöhten Meerestemperaturen erweiterten viele ihren Lebensraum in den Freiwasserbereich, das »Pelagial«. Dies ging einher mit einer Streckung ihrer Brustflossen. Denn längere Flossen ermöglichen es den Fischen, sich schneller und effizienter zu bewegen, was in größeren, offeneren Habitaten vorteilhaft ist.

Laut den Daten tauchten insbesondere in der späteren Kreidezeit neue Hai-Spezies auf, die im Freiwasser lebten. Damals betrug die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Ozeane zeitweise mehr als 28 Grad Celsius, lag also deutlich über dem heutigen Wert, der sich zwischen 20 und 21 Grad Celsius bewegt. Unter diesen Bedingungen bildeten sich ausgedehnte anoxische (sauerstoffarme) Zonen in den Meeren, vor allem in den bodennahen Bereichen. Sternes und sein Team vermuten, dass dies den benthalbewohnenden Haien die Atmung erschwerte. Das führte wahrscheinlich zu einem starken Selektionsdruck, in den Freiwasserbereich vorzustoßen, wo mehr Sauerstoff verfügbar war.

Allerdings nahmen nicht alle Hai-Arten diesen Weg: Auch heute noch halten sich viele in der bodennahen Zone auf. Nur etwa jede siebte Spezies jagt schnell schwimmend im Pelagial, wie Sternes & Co. aufführen.

Zukunft ungewiss

Unklar sei, wie heutige Haie auf den menschengemachten Klimawandel reagieren, heißt es in einer einschlägigen Pressemitteilung der University of California. Die klimatischen Veränderungen in der Kreidezeit seien deutlich langsamer vorangeschritten als die heutigen, was den damaligen Lebewesen mehr Zeit zur Anpassung ließ. Aktuell würden die Meerestemperaturen in beispiellosem Tempo steigen, was es fraglich erscheinen lasse, ob die derzeitigen Haie daran adaptieren können.

WEITERLESEN MIT SPEKTRUM - DIE WOCHE

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen »spektrum.de« Artikeln sowie wöchentlich »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Genießen Sie uneingeschränkten Zugang und wählen Sie aus unseren Angeboten.

Zum Angebot

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.