Neue Kristalle: Exotisches Salz könnte Eismonde bedecken
Zwei neue Mischformen aus Salz und Eis könnten bisher rätselhafte Daten von fernen Eismonden erklären. Natriumchlorid – Kochsalz – bildet unter extremen Bedingungen zwei Typen Kristalle, die 8,5- und 13-mal so viele Wassermoleküle wie Salzmoleküle enthalten. Eine Arbeitsgruppe um Baptiste Journaux von der University of Washington entdeckte die neuen Kristalle bei Experimenten mit Salzwasser unter hohem Druck bei sehr niedrigen Temperaturen. Wie das Team in der Fachzeitschrift »PNAS« berichtet, entstanden bei diesen Bedingungen zwei neue Typen von Salzkristallen mit den Summenformeln 2 NaCl·17 H2O und NaCl·13 H2O.
Laut den Experimenten ist 2 NaCl·17 H2O bei sehr tiefen Temperaturen auch unter niedrigen Drücken stabil. Der Stoff könnte deswegen häufig an der Oberfläche von Eismonden wie Europa, Titan oder Kallisto vorkommen, schreibt das Team in der Veröffentlichung. Der andere Kristall sei womöglich in den tieferen Schichten der Eispanzer der Himmelskörper stabil.
Die Kristalle sind die ersten neu entdeckten Mischstrukturen von Steinsalz und Wasser seit mehr als 150 Jahren. Trotz des überwältigend hohen Wasseranteils sind die beiden neuen Stoffe kein »salziges Eis«, sondern Salzhydrate – Salzkristalle, die Kristallwasser enthalten. Viele bekannte Salze sind Hydrate, so ist Gips das Dihydrat des Kalziumsulfats mit der Summenformel CaSO4·2 H2O.
Das Team um Journaux stieß zufällig auf diese Substanzen, als es untersuchte, wie die tiefen Ozeane unter den Eiskrusten der Eismonde flüssig bleiben können. Dabei spielt Salz womöglich eine große Rolle – es ist eine Art Frostschutzmittel für Wasser, so dass dieses bei deutlich niedrigeren Temperaturen gefriert. Dabei wachsen reine Eiskristalle, während das Salz sich in der verbleibenden Lösung anreichert. Die Arbeitsgruppe wollte untersuchen, wie dieser Prozess beim Mehrtausendfachen des Atmosphärendrucks abläuft. Zur Überraschung der Fachleute kristallisierte jedoch kein Eis, sondern die neu entdeckten Salzhydrate.
Die neuen Stoffe könnten eine rätselhafte Beobachtung erklären, die das Weltraumteleskop Hubble 2019 auf dem Jupitermond Europa machte. In den bräunlichen Streifen auf der Mondoberfläche identifizierte es zwar Natriumchlorid, aber weder in Form reiner Kristalle noch in Form von Hydrohalit (NaCl·2 H2O), dem einzigen zu der Zeit bekannten Natriumchlorid-Hydrat.
Die Erkenntnis, dass Steinsalz noch exotischere Hydrate bildet und dass 2 NaCl·17 H2O vermutlich bei den Bedingungen auf der Mondoberfläche stabil ist, deutet auf eine elegante Lösung des Rätsels hin. Unklar ist allerdings noch, unter welchen Bedingungen die Kristalle dort entstehen können. Dass sie bei niedrigen Drücken stabil sind, könnte darauf hinweisen, dass sie sich auch unter diesen Bedingungen bilden können. In dem Fall, spekuliert Journaux, könnten die exotischen Minerale sogar in eiskalten Salzlaugen unter dem antarktischen Eisschild kristallisieren.
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