Sonnensystem: Explosionen auf Saturnmond Titan?
Der Saturnmond Titan ist der einzige Planetentrabant mit einer dichten Atmosphäre und Seen aus flüssigem Methan auf seiner Oberfläche. Manche dieser Seen befinden sich in Kratern und unregelmäßigen Hohlformen, die von erhöhten Rändern, die bis zu 300 Meter aufragen, umgeben sind. Die Formen dieser Strukturen passen jedoch nicht zu Einschlagkratern, die durch den Impakt kleinerer Himmelskörper auf Titan entstanden sind. Nun schlägt ein Forscherteam um Giuseppe Mitri von der italienischen Università d'Annunzio in Pescara vor, dass diese Gebilde die Folge von mächtigen Explosionen flüssigen Stickstoffs in der Vergangenheit des Mondes vor mehr als einer Milliarde Jahren sind.
Das Team wertete dafür Radardaten der Raumsonde Cassini aus, welche diese bei ihrem letzten dichten Vorbeiflug an Titan im April 2017 aufnahm. Dabei geriet auch der See Winnipeg Lacus in der Nähe des Nordpols des Mondes in das Blickfeld der Radarantenne der Raumsonde, wobei der ausgesprochen hohe Rand um den Methansee ins Auge fiel. Die meisten Theorien zur Entstehung der Methanseen auf Titan gehen davon aus, dass sich das Wassereis, aus dem die Kruste des Mondes zum allergrößten Teil besteht und das hart wie Gestein ist, wie Karst verhält. Das heißt, es ist wie auf der Erde der Kalkstein von einem ganzen Netzwerk aus Höhlen und Spalten durchzogen, die im Fall von Titan aber nicht flüssiges Wasser, sondern eben flüssiges Methan enthalten. Tatsächlich zeigen Höhenmessungen der Titan-»Gewässer«, dass ihre Flüssigkeitsspiegel alle auf dem gleichen Höhenniveau liegen, sie also miteinander in Verbindung stehen.
Allerdings zeigen Karstformen keine erhöhten Wälle um Einbrüche in der Oberfläche, sondern fallen im Gegenteil abrupt in die Tiefe ab. Die Forscher um Mitri nehmen daher an, dass manche Seenbecken dadurch entstanden, dass Ansammlungen von flüssigem Stickstoff in der Eiskruste von Titan bei Erwärmung schlagartig verdampften. Sie sprengten dabei Löcher in die Kruste, die von Wällen aus ausgeworfenem Eis umgeben sind. Später füllten sich die Hohlformen mit flüssigem Methan.
Laut Vermutung der Geowissenschaftler kommt es auf Titan in großen Zeitabständen immer wieder zu »Eiszeiten«, in denen das wärmende Methan in der Atmosphäre des Mondes fehlt. Es muss ständig aus dem Inneren des Mondes nachströmen, da es durch die ultraviolette Strahlung der Sonne recht schnell abgebaut wird. Kommt die Methanförderung zum Erliegen, so ist dieses effiziente Treibhausgas rasch aus der Titanatmosphäre verschwunden. Dann kühlt die Atmosphäre so weit ab, dass der vorherrschende Stickstoff sich zum Teil verflüssigt und aus der Atmosphäre auf die Oberfläche des Mondes regnet, wenn die Temperatur unter –190 Grad Celsius fällt. Dort sammelt er sich dann in vorhandenen Höhlungen im Krusteninneren. Derzeit herrschen auf Titan »milde« –180 Grad Celsius, zu warm für flüssigen Stickstoff. Steigt die Temperatur durch die erneute Freisetzung von Methan aus dem Mondinneren in die Atmosphäre wieder an, so erwärmt sich der flüssige Stickstoff an der Oberfläche und darunter und verwandelt sich in kurzer Zeit wieder in Gas, das sich dann explosionsartig ausdehnt.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.