Evolution: Extra-Gen beschleunigte die menschliche Gehirnentwicklung
Auf der Suche nach den entscheidenden kleinen Unterschieden zwischen dem Menschen und seinen weniger intelligenten nächsten Verwandten sind Wissenschaftler ein weiteres Mal fündig geworden: Eine fehlerbehaftete Genverdopplung scheint die menschliche Gehirnentwicklung maßgeblich vorangetrieben zu haben, wie zwei Forscherteams berichten. Auf den ungewöhnlichen Mechanismus stießen sie bei der Analyse des Gens SRGAP2.
Laut Evan Eichler und Kollegen von der University of Washington duplizierte sich dieses Gen vor etwa 3,5 Millionen Jahren das erste Mal. Etwa eine Million Jahre später verdoppelte sich dann auch das "Tochtergen". Damit erhielten die etwa zeitgleich auftauchenden ersten Vertreter der Gattung Homo eine dritte Kopie, die jedoch unvollständiger als die "Mutter" und sehr viel unvollständiger als das "Großmuttergen" ausfiel [1].
SRGAP2 ist ein Erbfaktor, der an der Entwicklung der Großhirnrinde beteiligt ist. Überraschenderweise führte die Entstehung der Kopien zu einer verlangsamten Reifung der Nervenzellen und so zu einer qualitativ und quantitativ verbesserten Vernetzung der Neurone untereinander, wie Franck Polleux vom Scripps Research Institute und Kollegen feststellten. Der Grund: Das Genprodukt der dritten Kopie lagert sich an das ursprüngliche SRGAP2-Protein an und blockiert so dessen Funktion, die Reifung der Neurone rapide voranzutreiben. Infolgedessen wächst der Neokortex und bereitet die Grundlage für höhere Funktionen wie Sprache und Bewusstsein [2].
In den Experimenten von Polleux wurden Mäusen die beiden humanen Kopien von SRGAP2 implantiert. Daraufhin stieg zwar das Gehirnvolumen der Mäuse nicht an, jedoch reiften die Nervenzellen langsamer und bildeten mehr Verbindungen aus – wie im menschlichen Gehirn. Ob die Nager im Anschluss auch intelligenter waren, testeten die Forscher allerdings nicht.
Die Wissenschaftler räumen ein, dass die dritte Kopie von SRGAP2 nicht der alleinige Auslöser der bemerkenswerten menschlichen Gehirnentwicklung darstellen kann. So gelangten im Lauf der vergangenen sechs Millionen Jahre beispielsweise etwa 30 weitere Genduplikate ins humane Erbgut, von denen einige ebenso Anteil an der Weiterentwicklung des Gehirns gehabt haben könnten.
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