Astrophysik: Fliehendes Schwarzes Loch hinterlässt eine Spur aus neuen Sternen
Auf neuen Bildern des Weltraumteleskops Hubble ist eine eigenartige Struktur zu sehen: ein auffällig gerader, schmaler Streifen neu entstandener Sterne, der sich weit außerhalb einer Galaxie befindet. Die wahrscheinlichste Erklärung dafür ist wohl ein entflohenes Schwarzes Loch. Das schreibt ein Team um Pieter van Dokkum von der Yale University in einer vom Fachmagazin »Astrophysical Journal Letters« akzeptierten Arbeit, die bereits auf dem Preprintserver »arXiv« verfügbar ist.
Im Zentrum fast jeder Galaxie befindet sich ein extrem massereiches Schwarzes Loch mit der millionen- bis milliardenfachen Masse unserer Sonne. Seit Jahrzehnten wird vermutet, dass diese Objekte bei Kollisionen zwischen Galaxien herausgeschleudert werden könnten und sich losgelöst von ihren Heimatgalaxien durch das Universum bewegen. Beweise dafür gab es bisher jedoch nicht, weil solche isolierten Schwarzen Löcher nur sehr schwer nachzuweisen sind. Der Zufallsfund des Teams um Pieter van Dokkum könnte nun die Spur genau so eines Ausreißers zeigen. Die Forscher schätzen, dass das extrem massereiche Schwarze Loch vor 39 Millionen Jahren aus dem Zentrum seiner Heimatgalaxie geschleudert wurde und nun mit 1600 Kilometern pro Sekunde durch das Universum rast.
Der Ursprung des Streifens aus Sternen und Gas zeigt in Richtung des Zentrums einer kleinen irregulären Galaxie. Deren Form spricht dafür, dass sie erst vor Kurzem mit einer anderen Welteninsel verschmolzen ist. Die Galaxie und der Streifen haben eine Entfernung von etwa 5,4 Milliarden Lichtjahren von der Erde. Der Streifen ist über 200 000 Lichtjahre lang – gut doppelt so groß wie unser Milchstraßensystem. An seiner Spitze, die von der Galaxie weg zeigt, ist er heller und schmaler, während er nahe der Galaxie etwas breiter wird. Die Analysen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, dass die Sterne im Streifen nur wenige Millionen Jahre alt sind. Das Schwarze Loch an der Spitze des Streifens hatte sie also nicht aus der Galaxie herausgerissen und »mitgenommen«, sondern sie bildeten sich aus dem Gas, das durch den Vorbeiflug des Schwarzen Lochs verdichtet wurde. Für diese Interpretation spricht auch der Umstand, dass die Sterne an der Spitze des Streifens jünger zu sein scheinen als die Sterne weiter hinten.
Obwohl die aktuellen Bilder das extrem massereiche Schwarze Loch selbst nicht direkt abbilden können, sprechen die Beobachtungen und Modellrechnungen des Teams klar für seine Existenz. Neue hochauflösende Bilder mit dem James-Webb-Teleskop könnten mehr Details im Streifen zeigen und vor allem die Region um das Schwarze Loch in der Spitze besser charakterisieren. Beobachtungen von Röntgenstrahlung könnten laut den Wissenschaftlern sogar direkt den heißen Materiestrudel um das Schwarze Loch, die so genannte Akkretionsscheibe, nachweisen.
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