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Extremwetter in Mosambik: Anpassung auf Leben und Tod

Flutkatastrophen in Nord- und Zentralafrika, lange Dürrezeiten im Sahel, im Osten und am Horn von Afrika, Rekord-Tropenstürme im Südosten, Hitzewelle im Süden. 2023 war ein Jahr der Extremwetter in Afrika. Eine Entwicklung, die sich fortsetzen wird. Was bedeutet das für die Menschen in diesen Ländern?
Blick auf eine abgedeckte Markthalle.
Ein Zyklon zerstörte diese Markthalle in Massamba, Mosambik. Nun arbeiten Fachleute zusammen mit der Bevölkerung an Wegen, Gebäude widerstandsfähiger zu machen.

Auf dem Feld von Domingos Andrada stehen vereinzelte Maisstauden. Er könne sie bloß in der Nähe der Termitenhügel anbauen, wo der Boden noch einigermaßen fruchtbar sei. »Die Ernte reicht nur für ein paar Mahlzeiten. Die Erträge werden immer mickriger«, erzählt der alte Mann. Regenphasen ließen sich nicht mehr vorhersagen, Hitze und Dürrezeiten seien ausgeprägter. Er ist Kleinbauer, so wie die meisten Einwohner in Sofala, einer Provinz im Osten von Mosambik. Die Gegend wird immer häufiger von heftigen Stürmen heimgesucht, die mit Überflutungen einhergehen. In den letzten zehn Jahren gab es in Mosambik sechs Zyklone und zwei Tropenstürme, etwa vier Millionen Menschen waren betroffen. »Zu den Zeiten meiner Großeltern gab es das noch nicht«, sagt Andrada.

Damals waren Extremwetter Ausnahmen. Mittlerweile treten sie jedes Jahr auf, manchmal auch mehrmals. Und das nicht nur in Mosambik. Innerhalb der letzten 20 Jahre hat sich in Süd- und Ostafrika die Frequenz von Dürren verdreifacht und die der Flutkatastrophen verzehnfacht. Der Meeresspiegel und die Temperaturen steigen wesentlich stärker als im globalen Durchschnitt. Mindestens 15 700 Menschen seien allein 2023 in Afrika durch Extremwetter getötet worden, heißt es in einer Datenanalyse der Website »Carbon Brief«.

2023 war von anhaltenden Dürren in Ländern wie Niger, Somalia und Kenia geprägt. Bei Sturzfluten in der Demokratischen Republik Kongo und Ruanda starben mehrere tausend Menschen. In Südafrika verzeichnete man sowohl heftige Überschwemmungen als auch Hitzerekorde. Im Februar und März 2023 wütete Zyklon Freddy über mehr als fünf Wochen, so lange wie kein Tropensturm zuvor, vom Inselstaat Madagaskar über Mosambik bis ins benachbarte Binnenland Malawi. Mehr als 1400 Menschen kamen ums Leben, Häuser, Brücken, Straßen und Felder wurden zerstört, Krankheiten wie Cholera brachen aus.

Lernen aus Katastrophen

Während Malawi unvorbereitet getroffen wurde, konnte Mosambik teils auf Erfahrungswerte beim Katastrophenschutz setzen. Das südostafrikanische Land erstreckt sich entlang des Indischen Ozeans, viele Flüsse münden hier, mehr als die Hälfte der Bevölkerung bewohnt tiefer gelegene Küstenregionen, etwa drei Viertel leben von der Landwirtschaft. All das macht Mosambik besonders verletzlich. Laut Angaben der Vereinten Nationen gehört es zu den am schwersten von der Klimakrise betroffenen Ländern der Welt, mit starken Wirbelstürmen sowie sich abwechselnden Überflutungen und Dürren, die immer neue Rekorde brechen.

Zerstörte Schule | Der Zyklon Idai hat das Dach eines Klassenraums in der Stadt Beira eingedrückt und abgedeckt. Gebäude, die extremen Wetterereignissen widerstehen, sind ein wichtiger Faktor für die Anpassung an den Klimawandel.

Im Fall von Zyklon Freddy retteten in einigen Regionen lokale Frühwarnsysteme viele Menschenleben: Über Community Radios, Textnachrichten, mit Hilfe von Freiwilligen und Megafonen wurde die Bevölkerung dazu aufgerufen, sich in höher liegende Gebiete zu flüchten. Derartige Strukturen vor Ort waren unter dem Eindruck von Zyklon Idai 2019 gestärkt worden. Für andere Maßnahmen ist Mosambik, eines der ärmsten Länder der Welt, auf Unterstützung angewiesen. So halfen Organisationen wie das Welternährungsprogramm etwa mit Hilfe von Drohnen, für die Bewohner Fluchtrouten und sichere Orte zu kartieren. Die Häuser bieten meist keinen Schutz vor dem Extremwetter. Traditionell werden sie aus Stöcken und Lehm gebaut, ohne ein Fundament.

Wie viele Einwohner der betroffenen Region musste Domingos Andrade sein Haus schon mehrmals wieder aufbauen. Mit Hilfe einer lokalen NGO konnte er ein kleines gemauertes Gebäude errichten. Die Dachkonstruktion sei niedriger und damit robuster, erklärt er. Über das Wellblech hat er eine Plastikplane gelegt und mit Steinen beschwert. »Das ist alles, was ich tun kann. Ich hoffe, dass der nächste Sturm das Dach nicht wieder abdeckt«, sagt Andrade. Widerstandsfähigere Häuser und Infrastruktur gelten als eine wichtige Maßnahme zur Anpassung an die Extremwetter, die unter anderem von UN-Organisationen unterstützt wird. Nicht nur in Mosambik, sondern auch in anderen betroffenen Ländern: Bauwerke auf Stelzen in Überschwemmungsgebieten, Häuser, die mit hellen Farben und natürlicher Ventilation Hitzewellen abmildern, und solche mit mehreren Dachschrägen in zyklonanfälligen Gegenden.

Schon jetzt macht Extremwetter Gebiete unbewohnbar

In Andrades Nachbarschaft wurden die Schule und die Klinik nach diesem Muster neu gebaut. Die Mauern bestehen aus »eco blocks«, die wie Legosteine gestapelt werden und dadurch zur Stabilität beitragen. Es gebe mittlerweile entsprechende Vorgaben für den Bau öffentlicher Gebäude, erklärt Merica Chande, die vor Ort für eine lokale NGO arbeitet. »Sie dienen auch als Schutzräume für die Bevölkerung. Beim letzten Zyklon haben viele Familien hier übernachtet«, berichtet Chande. An anderen Orten wurden ganze Dörfer neu gebaut, so genannte Resettlement Camps. Aus Notunterkünften entstanden Siedlungen, in denen Menschen langfristig leben sollen. Etwa diejenigen, die zuvor in den Überschwemmungsgebieten an Flussufern gewohnt hatten. Gegenden, die angesichts der regelmäßigen Extremwetter zunehmend als unbewohnbar gelten.

Generell sei es zu begrüßen, dass die Regierung den Menschen, die teils mehrmals alles verloren haben, neue Unterkünfte zur Verfügung stelle, sagt Chande. »Diese Häuser sind größer, die Familien haben mehr Platz. Sie haben nun auch Wasser und richtige Toiletten.« Aber nicht alle dieser Resettlement Camps liegen auch in erreichbarer Nähe etablierter Orte und Märkte, in denen die Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen könnten. »Wir müssen verhindern, dass sie dauerhaft auf Hilfe angewiesen sind«, warnt die Entwicklungshelferin. Ein Teil der Bewohner sei schon wieder an die Flussufer zurückgezogen, weil die Böden dort fruchtbarer sind. Trotz Warnungen vor dem nächsten Zyklon.

Wie in den meisten Ländern im südlichen Afrika lebt die Mehrheit der Bevölkerung in Mosambik von der kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Extremwetter wie Dürren oder Überschwemmungen bedrohen ihre Existenz und verschlimmern die ohnehin prekäre Ernährungslage. Beim afrikanischen Klimagipfel im September 2023 in Kenia stellte die Afrikanische Entwicklungsbank eine neue Versicherungsinitiative vor. »Sie ist Teil der Bemühungen, Länder und Haushalte gegen extreme Wetterlagen abzusichern«, sagte Bankpräsident Akinwumi Adesina bei der Präsentation in Nairobi. Schließlich seien »viele Millionen Landwirte in Afrika« davon betroffen. Sie sollen künftig Zugang zu Versicherungen für Ernteausfälle und den Verlust von Vieh erhalten. Entscheidend wird die Umsetzung sein.

Neue Wetterstation, neue Mangroven

Auch die Datenlage soll verbessert werden, um die Veränderungen durch die Klimakrise zu erforschen und Extremwetter besser vorherzusagen. In der von Zyklonen betroffenen Hafenstadt Beira wurde mit Geldern der Afrikanischen Entwicklungsbank im April 2023 die erste von sieben geplanten Radar-Wetterstationen des Landes eingeweiht. Sie wurde als Meilenstein gefeiert, denn andere afrikanische Länder haben keine einzige. Laut einer Analyse von »Carbon Brief« hat der Kontinent weltweit die geringste Abdeckung durch meteorologische Wetterstationen.

Resettlement Camp | An höher gelegenen Standorten sollen neue, dauerhafte Ortschaften entstehen, die nicht so leicht zerstört werden. Doch oft gibt es dort keine Arbeit und Infrastruktur, und der Boden ist nicht so fruchtbar wie in den Niederungen. Deswegen ziehen manche Menschen wieder zurück – trotz der Gefahr.

In direkter Nachbarschaft der neuen Radarstation in Beira wachsen Mangroven zwischen Strand und Wohnvierteln. Sie sind ein Teil der so genannten naturbasierten Lösungen, binden CO2 und schützen die Küsten, indem sie Flutwellen und Wirbelstürme abbremsen. Laut der Umweltschutzorganisation WWF kann ein nur 100 Meter breiter Mangrovengürtel die Höhe von Wellen um zwei Drittel reduzieren. An mehreren Stellen der langen mosambikanischen Küste werden Mangrovenwälder deshalb wieder aufgeforstet, ebenso wie in anderen afrikanischen Ländern – von Tansania im Osten bis Senegal im Westen.

Mangroven sind in der Vergangenheit häufig abgeholzt worden, ebenso wie Wälder. Viele Kleinbauern setzen nach wie vor auf Brandrodung, um neue Felder zu erschließen. In Kombination mit der Abholzung der Wälder für die Produktion von Holzkohle entstehen auf diese Weise riesige baumlose Flächen, die anfällig für Dürren sind und über die, im Fall Mosambiks, Zyklone noch weiter ins Landesinnere vordringen können. Deshalb gibt es überall auf dem Kontinent Bemühungen zur Wiederaufforstung, von Mammutprojekten wie der Großen Grünen Mauer, die im Sahel die Wüste aufhalten soll, bis zu vielen kleineren.

Themenwoche: Extremwetter

Starkregen, Hitze, Trockenheit – weltweit richtet Extremwetter aller Art immer größere Schäden an. Auch in Deutschland macht der Klimawandel das Wetter seltsam und gefährlich. Doch ab wann ist eine Dürre oder ein Regenguss mehr als nur eine Wetterkapriole? Was macht Extremwetter aus? Womit müssen wir in Zukunft rechnen? Und vor allem: Wie gehen wir mit der neuen Realität um – weltweit und bei uns?

Interview: »Was ist mit Extremwetter gemeint, Herr Sippel?«
Die schlimmsten Fälle: Wie extrem Deutschlands Wetter werden kann
Extremwetter in Afrika: Anpassung auf Leben und Tod
Feuerökologie: Der Wald im Zeitalter des Feuers
Gesundheit: Wie Extremwetter krank macht
Deutschland: Planlos im Kampf gegen Extremwetter
Kommentar: Nichts gelernt aus Katastrophen

Mehr über Wetterextreme, ihre Ursachen, Folgen und wie sie mit dem Klimawandel zusammenhängen, finden Sie auf unserer Themenseite »Extremwetter«.

Ganz in der Nähe von Andrades Dorf weht ein kühler Wind durch das Mezimbite Forest Centre, eine Privatinitiative, die Wiederaufforstung mit nachhaltiger Landwirtschaft verbindet. Die Bäume sorgen für niedrigere Temperaturen, sie speichern Wasser, beugen Erosion vor, gleichen Luftdruckunterschiede aus und dienen als Windschutz. Dazwischen wachsen Obst und Gemüse. Das Agroforst-System hat sich mehrfach auch im Extremwetter der vergangenen Zyklone bewährt.

Auf dem Weg zur Anpassung

Zwar wurden in Mezimbite ebenfalls Bäume entwurzelt und Dächer abgedeckt, aber die jahrelange »Investition in die Fruchtbarkeit der Böden« habe sich ausgezahlt, sagt Projektgründer Allan Schwarz. Unmittelbar nach Zyklon Idai konnte neues Gemüse angepflanzt werden – und zwar so viel, dass nicht nur die Angestellten, sondern auch tausende Schulkinder in der Umgebung monatelang davon ernährt werden konnten. »Diese Anbaumethode hat uns das Leben gerettet«, betont Ana Morreira, die in der Baumschule von Mezimbite arbeitet.

Ähnliche Projekte gibt es in anderen Ländern der Region, die wie Sambia oder Simbabwe unter anhaltenden Dürren leiden. Dort setzen Regierungen, NGOs und UN-Agenturen außerdem verstärkt auf dürreresistentes Saatgut und Feldfrüchte, die weniger Wasser benötigen als der bislang als Grundnahrungsmittel angebaute Mais. Zwar gebe es in Simbabwe noch Landesteile, die für den Maisanbau geeignet seien, aber »besonders im Süden wachsen Getreidesorten wie Sorghumhirse wesentlich besser«, erklärt Regina Feindt von der Welthungerhilfe in Simbabwe. Die Bevölkerung könne die Zeit von der Trockenzeit bis zur nächsten Ernte dadurch besser überbrücken.

Die große Mehrheit der Kleinbauern ist bei der Bewässerung ihrer Felder auf Regen angewiesen, doch auf die ursprüngliche Regenzeit können sie sich nicht mehr verlassen. Darum gibt es mittlerweile in vielen Ländern spezielle Wetter-Apps wie die in Kenia entwickelte ITIKI-App, die wissenschaftliches mit indigenem Wissen verbindet, um Dürren zu prognostizieren. Andere Anwendungen signalisieren den Bauern beispielsweise, wann die beste Zeit für die Aussaat ist. Teils funktionieren sie auf alten Handys, damit möglichst viele Menschen Zugang zu diesen Informationen haben. Die Lösungen müssen niederschwellig sein, um Wirkung zu entfalten.

Die Vielfalt der Maßnahmen zum Schutz vor Extremwettern und zur Anpassung an die neue Klimarealität ist groß – aber längst nicht ausreichend. Das wurde beim Klimagipfel COP28 im Dezember 2023 erneut deutlich. Betroffene Länder im Globalen Süden wie Mosambik fordern ein Vielfaches der Summe, die bislang für den »Loss and Damage Fund« zugesagt wurde. Bis sich für Kleinbauern wie Domingos Andrade in der mosambikanischen Provinz spürbar etwas ändert, werden wohl noch viele Klimagipfel kommen.

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