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Fälschung in der Wissenschaft: Fachzeitschrift nimmt umstrittenen Artikel aus dem Internet

Das Journal of Reproductive Medicine hat einen im September 2001 veröffentlichten Artikel aus ihrem Online-Archiv genommen, der einen Zusammenhang zwischen Gebeten und verbesserten Chancen einer künstlichen Befruchtung belegt haben soll. Einer der drei Autoren, der Anwalt Daniel Wirth, steht in Kalifornien unter Hausarrest, nachdem er wegen Betruges in mehreren Fällen für schuldig befunden wurde. Nach der Überführung hatten sich die Anfragen von Wissenschaftlern bezüglich der Glaubwürdigkeit der Studie gemehrt.

In der umstrittenen Studie hatte Wirth, der selbst keine medizinische oder naturwissenschaftliche Ausbildung hat, zusammen mit zwei Wissenschaftlern an der Columbia-Universität den Erfolg künstlicher Befruchtung bei südkoreanischen Frauen untersucht. Zuvor wurden Bilder einiger der Frauen, die über ihre Teilnahme an diesem Experiment nicht informiert worden waren, Gruppen in Kanada, den USA und Australien gezeigt, die für eine erfolgreiche In-vitro-Fertilisation beten sollten. Bei den betroffenen Frauen habe sich der Erfolg verdoppelt, meldeten die Forscher damals. Kurz nach den Terroranschlägen in den USA wurde die im Oktober 2001 verbreitete Nachricht von vielen Menschen als ein "Zeichen von Gott" interpretiert, wonach Beten positive Effekte habe, selbst wenn es sich um die Gebete fremder Menschen füreinander handele.

Bereits damals hatten viele Reproduktionsmediziner heftige Zweifel an der Methodik und den Ergebnissen der Studie geäußert. Erst nach dem Schuldbekenntnis Wirths am 18. Mai dieses Jahres zog die Columbia-Universität ihre Pressemitteilung zu der damaligen Veröffentlichung zurück, und das Journal of Reproductive Medicine reagierte nun erst Mitte Juni.

Die beiden anderen beteiligten Wissenschaftler, Rogerio Lobo und Kwang Cha, äußerten sich bisher nicht zu den Vorwürfen, die Ergebnisse der Studie seien fehlerhaft oder gar gefälscht. Cha, der heute eine Klinik für Reproduktionsmedizin in Los Angeles leite, habe die Studie damals als Gastwissenschaftler dem heute noch an der Columbia-Universität tätigen Lobo gezeigt, weil er die Resultate für höchst ungewöhnlich hielt, erklärte Reba Nosoff, die Sekretärin von Lobo. Dieser habe sich die Daten genauer angesehen und für veröffentlichungswürdig gehalten. Mehr habe er zu der Publikation jedoch nicht beigetragen, obwohl sein Name sogar als Erstautor in Frage stand.

Wirth wurde unter anderem dafür verurteilt, dass er jahrelang unter verschiedenen falschen Namen – darunter sogar dem eines verstorbenen Kindes – eine Telefongesellschaft um mehrere Millionen Dollar geschädigt hat. Zusammen mit einem Partner, der ebenfalls der Betrügerei überführt wurde, hatte er außerdem eine Firma namens Healing Sciences Research International betrieben, die jedoch lediglich ein Postfach ohne Telefon darstellte. Beide Männer veröffentlichten zahlreiche Artikel zu paranormalen Phänomenen.

Viele Wissenschaftler äußern nun Unverständnis, wie die Publikation die sonst strengen Richtlinien des Journal of Reproductive Medicine passieren konnte. Die Herausgeber der Zeitschrift gaben bisher keine Stellungnahme ab, betonten jedoch, dass der Artikel die üblichen Prüfungs- und Begutachtungsverfahren durchlaufen habe. Eine Untersuchung soll nun klären, ob die Ergebnisse wirklich auf fundierten Grundlagen beruhen oder gefälscht sind. Erst dann soll entschieden werden, ob der Artikel auch vollständig zurückgezogen wird oder die Autoren zum Widerruf aufgefordert werden.

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