Südatlantik: Waren die Falklandinseln schon im Mittelalter besiedelt?
Auf den Falklandinseln im Südatlantik stand der Falklandfuchs (Dusicyon australis) einst an der Spitze der Nahrungskette: Als einziges Landsäugetier ernährte er sich von Pinguinen, bodenbrütenden Vögeln und allem, was er sonst noch verdauen konnte. Der Naturforscher Charles Darwin beschrieb das Tier, als er 1833 die Inseln besuchte, später im 19. Jahrhundert hat der Mensch den Wildhund dann aber ausgerottet: Die britische Verwaltung sah eine mögliche Bedrohung der Schafzucht und zahlte Abschussprämien. 1876 erlegten Jäger das letzte Exemplar. Ungeklärt blieb, wie die Wildhund-Spezies auf der knapp 400 Kilometer vom Kontinent entfernten Insel überhaupt heimisch werden konnte. Haben Menschen die Tiere vielleicht mitgebracht, als sie die Inseln in prähistorischen Zeiten besiedelt haben? Das meint nun ein Team von Archäologinnen und Archäologen: Tatsächlich sei die Anwesenheit des Falklandfuchses einer von mehreren Hinweisen darauf, dass der Archipel nicht erst von den Europäern in der Neuzeit entdeckt und besiedelt wurde.
Bislang galt, dass Menschen sicherlich keinen Fuß auf die Falklandinseln gesetzt haben, bevor der Archipel 1690 erstmals von einer englischen Expedition angesteuert wurde. Ein knappes Jahrhundert zuvor hatten englische Seefahrer die Inseln nach einem Sturm per Zufall aus der Entfernung gesichtet. Die Engländer fanden einen menschenleeren Archipel vor, und auch später entdeckten Forscher keine Spuren, die auf eine frühere Besiedlung hindeuten. Das Team um Kit M. Hamley von der Universität Maine hat nach solchen Indizien nun noch einmal genauer geforscht.
Es untersuchte dazu unter anderem alte Ablagerungsspuren von Holzkohle im Torfboden der Inseln. Diese Spuren dokumentieren, wann mehr oder weniger Feuer auf der Insel brannten, und ein plötzlicher und deutlicher Anstieg kann dabei mit einem Besiedlungsschub einhergehen: Mehr Menschen verbrannten auf einmal deutlich mehr Holz. Tatsächlich gibt ein signifikanter Anstieg in den Ablagerungen auf der Insel New Island Zeugnis davon, dass Falklandsiedler um 1790 herum begannen, viel mehr Holz auf dieser Insel zu verbrennen. Das bestätigen alte Aufzeichnungen: Man versuchte unter anderem, mit Feuer die Sicht auf der nebligen Insel zu verbessern. Der Archipel war erst ab etwa 1764 dauerhaft besiedelt, die westliche, von Robben gut besuchte in einem nährstoffreichen Meeresstrom liegende New Island dann rund ein Jahrzehnt später.
Aber: Einen auffälligen, ebenso hohen Anstieg wie um 1790 erkennen die Forscher auch in tieferen, älteren Torfbodenproben, schreiben sie in ihrer Veröffentlichung im Fachblatt »Science Advances«. Schon um das Jahr 1275 herum und noch einmal 1420 hatten demnach plötzlich viele Feuer mehr auf New Island gebrannt. Im Prinzip könnten damals natürliche Ursachen massenhaft Feuer ausgelöst haben – etwa Blitzschlag –, dies ist aber nicht überzeugend, meinen die Forschenden. Gewitter sind auf den Falklands ohnehin rar, weil Westwinde den Aufbau von Gewitterzellen vor Ort stören. Wenn Gewitter auftreten, dann fast immer bei zudem eher kühlen, mäßig feuchten Wetterbedingungen, bei denen Feuer in Folge von Blitzen selten ist.
Die wahrscheinlichste Erklärung ist demnach, dass Menschen Jahrhunderte vor der Ankunft von Engländern Feuer auf den Falklandinseln angefacht haben. Nach dem plötzlichen Anstieg im Mittelalter nahm die Zahl der Feuer allmählich wieder ab – offenbar waren die Inseln dann schon länger nicht mehr besiedelt, als die ersten Europäer sie ansteuerten.
Ein weiteres Indiz für eine frühe menschliche Ansiedlung sehen die Forscher in Knochenfunden. Das Forschungsteam hatten Überreste von verschiedenen Tieren wie Robben und Felsenpinguinen, aber auch von vor sehr langer Zeit verstorbenen D. australis genauer untersucht. Sie alle sind an einer besonderen Fundstelle aufgetaucht, in der ein saisonal austrocknender Teich die Chancen auf eine Überdauerung von Knochen erhöht hat. Alte Knochen sind auf den Falklandinseln sonst selten, weil die stark sauren Bedingungen im torfigen Boden dafür sorgen, dass die Überreste von Tieren sich schnell zersetzen. Die Sammlung von verschiedenen Beute- und Raubtieren an einer Fundstelle interpretieren die Forscher als nicht zufällig: Womöglich haben hier Siedler, die Falklandfüchse als Jagdbegleiter und Haustiere dabeihatten, Beutetiere hingetragen.
Ähnliche Knochenberge von Beutetieren finden sich auch auf Feuerland, wo Menschen der Yámana-Kultur leben. Die Yámana ernährten sich als Wassernomaden von großen Meerestieren und konnten in ihren Booten weite Strecken zurücklegen: Sie erreichten etwa die Diego-Ramírez-Inseln, die 105 Kilometer von Kap Horn entfernt in der Drake-Passage liegen. Für diese Seefahrer spielte Feuer eine überragende Rolle: Sie transportierten es stets in den Booten und ließen es in den Siedlungen dauerhaft brennen; angeblich inspirierte dies zu dem Namen »Tierra del Fuego«, also Feuerland. Es sei durchaus vorstellbar, dass Seefahrer wie die Yámana auch die Falklandinseln lange vor den Europäern erreichen konnten und dort ihre Spuren in Form verbrannter Holzkohle hinterließen, vermuten Hamley und ihr Team. Dabei könnten sie dann eben ihre Haustiere und Jagdbegleiter mitgebracht haben, die Falklandfüchse.
Der Besuch der Inseln mit Hausfuchs müsste allerdings schon vor sehr langer Zeit erstmals gelungen sein. Dies legt die Altersbestimmung von drei Fuchsknochenbruchstücken nahe: Kollagenanalysen zeigen, dass zwei Tiere grob abgeschätzt vor rund 300 bis knapp 1000 Jahren gelebt hatten; ein Tier aber war bereits vor etwa 3500 Jahren auf der Insel gestorben. Es sei immerhin denkbar, dass die Inseln bereits zu diesen Zeiten erreichbar waren und auch der Falklandfuchs damals zumindest schon halb domestiziert war – und immerhin gelegentlich von Menschen mit Fisch und Fleisch aus dem Meer gefüttert wurde.
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