Familie: Fragen verändern die Erinnerung
In einer Therapie geht es oft um Beziehungen zu anderen, etwa zu Familienmitgliedern. Die Fragen, die im Lauf der Behandlung aufkommen, regen zum Nachdenken an – und führen nicht selten dazu, dass man etwa das Verhältnis zu seinen Eltern in neuem Licht sieht. Dabei kann die Art des Fragens einen bedeutsamen Unterschied machen, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Der Psychologe Lawrence Patihis von der University of Portsmouth in Großbritannien und sein US-amerikanischer Kollege Mario Herrera baten in zwei Experimenten insgesamt 500 Personen, sich an kürzlich zurückliegende Erlebnisse mit ihrer Mutter zu erinnern. Eine Gruppe sollte dabei fünf Situationen aufschreiben, in denen ihre Mutter positive Eigenschaften gezeigt hatte, die andere erhielt dieselbe Aufgabe für negative Attribute. Dann sollten sie sowohl Auskunft über ihre aktuellen Gefühle gegenüber ihrer Mutter geben als auch sich daran erinnern, was sie zu verschiedenen Zeitpunkten in der Kindheit ihr gegenüber empfunden hatten.
Tatsächlich unterschieden sich nach der Schreibaufgabe nicht nur die aktuellen Gefühle im Mittel zwischen den Gruppen, obwohl das an sich statistisch gesehen nicht der Fall sein sollte. Auch die ins Gedächtnis gerufenen Emotionen aus der Kindheit ließen sich dadurch – wenngleich in etwas schwächerem Ausmaß – verändern. Das galt am meisten dafür, wie glücklich die Versuchspersonen sich als Kinder vermeintlich gefühlt hatten.
Therapeuten müssten daher unbedingt berücksichtigen, dass Fragen nach dem emotionalen Zustand in der Gegenwart ebenfalls die Wahrnehmung vergangener Gefühle verändern können, so die Psychologen. Generell funktioniere das Gedächtnis »rekonstruktiv«, weshalb Erinnerungen durch Fragen formbar seien.
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