FAQ zum Deutschlandticket: Was taugt das Deutschlandticket?

Das Deutschlandticket kommt auch in seinem zweiten Jahr gut an. 13,5 Millionen Menschen in Deutschland haben es in der Tasche, die meisten davon auf ihrem Smartphone. Und es wirkt: Seit der Einführung im Mai 2023 hat sich Verkehr erheblich vom Auto auf Bus und Bahn verlagert. Davon profitiert ebenso das Klima. Der Verkehrssektor verursacht heute weniger Emissionen als vor Einführung des Tickets.
Der Erfolg hat jedoch eine Kehrseite, denn nicht alle Regionen profitieren gleichermaßen von dem Ticket. Zudem ist seine weitere Finanzierung ungeklärt. Für die Verkehrsunternehmen ist der günstige Monatsfahrschein bislang ein Minusgeschäft, und es mehren sich Stimmen, ihn nicht weiter in der bekannten Form zu fördern. Das Deutschlandticket steht auf der Kippe.
- Verlagert das Ticket Verkehr vom Auto auf den ÖPNV?
- Für welche Strecken wird das Deutschlandticket genutzt?
- Ist das Deutschlandticket gut für das Klima?
- Wie teuer sind CO2-Einsparungen mit dem Deutschlandticket?
- Wer nutzt das Ticket? Und wer nicht?
- Welche Regionen profitieren? Und welche nicht?
- Wie steht es um die Finanzierung des Deutschlandtickets?
- Was, wenn das Deutschlandticket abgeschafft wird?
Verlagert das Ticket Verkehr vom Auto auf den ÖPNV?
Das Deutschlandticket hat die Mobilität der Deutschen messbar verändert. Menschen fahren seit der Einführung im Mai 2023 deutlich häufiger mit dem Zug und lassen dafür das Auto stehen. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende des Projekts Ariadne, an dem das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change sowie mehr als 25 weitere Institutionen beteiligt sind. Für ihre Analysen haben sie Mobilfunk- und Autobewegungsdaten aus dem ersten Jahr des Deutschlandtickets ausgewertet. Allein auf Strecken von mehr als 30 Kilometern ist die Zahl der Zugfahrten um rund 30 Prozent gestiegen. Zugleich haben die Deutschen für solche Entfernungen 7,6 Prozent weniger Kilometer mit dem Auto zurückgelegt. Insgesamt waren sie dabei aber genauso mobil wie zuvor. Das heißt, alle Deutschen zusammen legen in etwa die gleichen Strecken zurück wie vor Einführung des Deutschlandtickets. Nur die Wahl der Verkehrsmittel – Rad, Auto, Bus, Zug – hat sich verschoben.

Die Ergebnisse aus dem Ariadne-Projekt decken sich mit Erkenntnissen der Fraunhofer-Allianz Verkehr aus dem April 2024. In einer repräsentativen Befragung fanden die Fachleute heraus, dass 46 Prozent der Menschen nach dem Kauf eines Deutschlandtickets den öffentlichen Nahverkehr häufiger nutzen als zuvor. Die meisten fahren dabei auf Strecken, die sie auch ohne das Ticket zurückgelegt hätten, nur nutzen sie dafür nun häufiger Bus und Bahn. Und für jene, die mit dem Ticket auch mal neue Ziele ansteuern, gilt: Ohne den Fahrschein hätten 70 Prozent diese Mehrfahrten mit dem Auto zurückgelegt. Ein Drittel der Befragten nutzt den ÖPNV dank des Tickets aber auch häufiger auf der Kurzstrecke – Bus und Bahn ersetzen das Fahrrad oder den Weg zu Fuß. Noch eine Erkenntnis: Nutzerinnen und Nutzer des Deutschlandtickets besitzen fast genauso häufig ein eigenes Auto wie Menschen ohne das Ticket.
Für welche Strecken wird das Deutschlandticket genutzt?
Wer mag und genügend Zeit hat, kann mit dem Deutschlandticket über sämtliche Tarifgrenzen hinweg von Garmisch-Partenkirchen bis nach Flensburg fahren. Doch die Realität sieht anders aus. Statt auf langen Reisen kommt das Ticket vor allem in der Nähe des eigenen Wohnorts zum Einsatz. Nur 58 Prozent der Befragten der Fraunhofer-Studie gebrauchen es auch in angrenzenden Verkehrsverbünden. Und weniger als ein Viertel sind damit in nicht direkt angrenzenden Verkehrsverbünden unterwegs.
Dennoch geben über ein Drittel der Befragten an, das Ticket ebenfalls für Urlaubsfahrten zu verwenden. Am häufigsten nutzen die Menschen den Fahrschein jedoch in ihrer Freizeit oder für Alltagsgeschäfte, weniger als die Hälfte für den Weg zum Arbeitsplatz oder für Dienstreisen.
Ist das Deutschlandticket gut für das Klima?
Im ersten Jahr nach Einführung des Fahrscheins sind die Deutschen über 30 Prozent mehr mit der Bahn gefahren und weniger mit dem Auto, jedenfalls bei mindestens 30 Kilometer langen Strecken. Laut den Ariadne-Daten wurden so etwa 6,7 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen eingespart. Das entspricht knapp fünf Prozent der gesamten Emissionen im Verkehr.
Im Oktober 2024, als die Ariadne-Forschenden ihre Ergebnisse veröffentlichten, befürchteten sie allerdings, dass sich die Klimabilanz verschlechtern könnte, wenn sich der Preis für das Ticket, wie damals schon angekündigt, von 49 auf 58 Euro erhöht. Teurere Tickets sind unattraktiver. Die Forschenden rechneten damit, dass dann wieder etwa 14 Prozent weniger Strecke mit dem Zug zurückgelegt würde und die mit dem Auto gefahrenen Kilometer um 3,5 Prozent steigen. Die Emissionsminderung, wie sie im ersten Jahr nach Einführung des Deutschlandtickets zu beobachten war, würde sich dadurch fast halbieren.
Aktuelle Daten bestätigen dies zunächst nicht. Laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) ist die befürchtete Kündigungswelle nach der Preiserhöhung ausgeblieben. Im Januar 2025 hätten knapp acht Prozent ihr Ticket gekündigt, im Jahr 2024 lag die monatliche Kündigungsquote bei rund sieben Prozent.
Wie teuer sind CO2-Einsparungen mit dem Deutschlandticket?
Das Deutschlandticket spart Emissionen im Verkehrssektor ein, da viele Menschen für etliche Strecken vom Auto auf Bus oder Bahn umsteigen. Im ersten Jahr nach Einführung waren das 6,7 Millionen Tonnen CO2. Diesen Wert stellen die Forschenden des Ariadne-Projekts zu den drei Milliarden Euro ins Verhältnis, die Bund und Länder in der Zeit in die Finanzierung des Tickets gesteckt haben. Es ergeben sich Kosten von 447 Euro pro eingesparter Tonne CO2. Zum Vergleich: Eine mit Hilfe von Elektroautos eingesparte Tonne CO2 kostet rund 1000 Euro.
Eine eingesparte Tonne CO2 kostet 447 Euro – bei Elektroautos sind es 1000 Euro
Eine weitere Zahl zum Vergleich: Fossil betriebene Dienstwagen fördert der deutsche Staat jährlich mit 13,7 Milliarden Euro, wenn man unter anderem die steuerlich begünstigten Tankkarten einberechnet. Zu dem Schluss kommt jedenfalls die Vereinigung Transport and Environment (T&E), ein Zusammenschluss europäischer Verkehrsverbünde, zu denen auch der Verkehrsclub Deutschland gehört. Das Umweltbundesamt beziffert die Dienstwagensubvention auf drei Milliarden Euro, das Öko-Institut auf sechs Milliarden.
Wer nutzt das Ticket? Und wer nicht?
Aktuell sind 13,5 Millionen Menschen mit dem Deutschlandticket unterwegs, und zwar eher junge: 40 Prozent sind zwischen 14 und 29 Jahren alt. Attraktiv ist das Ticket sowohl für Gering- als auch für Vielverdiener. Die bislang verkauften Tickets verteilen sich ungefähr hälftig auf beide Gruppen.
Die Fraunhofer-Allianz Verkehr hat noch mehr über die Nutzerinnen und Nutzer des Tickets herausgefunden: Sie sind in der Tendenz nicht nur jung, sondern im Durchschnitt auch höher gebildet und häufiger in Vollzeitjobs beschäftigt als Menschen ohne Ticket. Damit verfügen sie im Durchschnitt auch über ein höheres Einkommen. Eher selten besitzen Rentnerinnen und Rentner ein Deutschlandticket. Das Gleiche gilt für Menschen, die in Zwei-Personen-Haushalten leben.
Was ihre Persönlichkeit angeht, seien viele so genannte Early Adopters, umweltbewusst und technologieaffin, so die Fraunhofer-Allianz. Für Shared-Economy-Lösungen seien sie offen, und sie identifizierten sich stark als ÖPNV-Fahrer. Menschen, die das Ticket nicht nutzen, lehnten den öffentlichen Nahverkehr dagegen häufig grundsätzlich ab. Das Ticket spricht also vor allem Menschen an, die ohnehin von Bus und Bahn überzeugt sind.
Welche Regionen profitieren? Und welche nicht?
Das Deutschlandticket hat eine starke regionale Schlagseite: In den Metropolen und Großstädten besitzen laut dem VDV rund 20 bis 30 Prozent der Menschen ein Deutschlandticket, in Kleinstädten und Dörfern sind es dagegen gerade einmal 6 Prozent. Wo der öffentliche Nahverkehr gut ausgebaut ist, haben also deutlich mehr Menschen den Fahrschein als an Orten, wo der Bus nur alle zwei Stunden kommt – oder gar nicht. Die urbane Bevölkerung profitiert, und wer heute auf Grund seines Wohnorts abhängig vom eigenen Auto ist, der besitzt auch kein Deutschlandticket. Der VDV fordert deswegen, nicht nur das Ticket weiter zu finanzieren, sondern auch den öffentlichen Nahverkehr im ländlichen Raum auszubauen.
Wie steht es um die Finanzierung des Deutschlandtickets?
Nach langem Ringen haben sich Bund und Länder für das Jahr 2025 geeinigt. Mit jeweils 1,5 Milliarden bezuschussen sie die Verkehrsbetriebe, damit sie das Ticket anbieten können. Das Geld brauchen sie dringend, denn durch das Deutschlandticket brechen ihnen Teile ihrer bisherigen Einnahmen weg. Zwei Drittel der Inhaber waren früher mit einer deutlich teureren Zeitfahrkarte unterwegs. Nur etwa zehn Prozent sind Neukunden. Neben den einbrechenden Einnahmen müssen die Verkehrsbetriebe mehr für ihre Beschäftigten ausgeben, was ihre wirtschaftlich Lage verschärft. Die Personalkosten sind 2024 um rund elf Prozent gestiegen.
»Das attraktivste Ticket nutzt uns und den Fahrgästen nichts, wenn am Ende weniger Busse und Bahnen fahren«Ingo Wortmann, Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen
Die insgesamt drei Milliarden Euro an staatlichem Zuschuss genügen nicht, um die Verluste der Betriebe auszugleichen. Im Jahr 2024 sind ihnen durch das Ticket bereits 3,45 Milliarden an Einnahmen entgangen. Die Betriebe müssen heute deswegen schon erheblich sparen und in der Konsequenz auch ihr Angebot einschränken, sagt VDV-Präsident Ingo Wortmann. »Das attraktivste Ticket nutzt uns und den Fahrgästen nichts, wenn am Ende weniger Busse und Bahnen fahren, weil wir das Angebot nicht mehr finanzieren können.« Im Jahr 2024 kamen die Verkehrsbetriebe noch einmal glimpflich davon, da sie die klaffenden Löcher in ihrer Bilanz mit Restmitteln aus dem Vorjahr stopfen konnten. Damals standen ebenfalls drei Milliarden Euro für das Ticket bereit, das dann allerdings erst im Mai eingeführt wurde.
Höhere staatliche Zuschüssen sind laut Wortmann alternativlos. »Man darf auch den Ticketpreis nicht weiterhin überproportional erhöhen. Sonst springen zu viele Kundinnen und Kunden ab, weil es preislich zu unattraktiv wird.« Für eine langfristige Finanzierung brauche es deswegen verbindlich zugesagte Mittel von Bund und Ländern in ausreichender Höhe. Der Ticketpreis solle sich »maßvoll entwickeln« und sich beispielsweise »an der realen Kostensituation unserer Branche orientieren«.
Was, wenn das Deutschlandticket abgeschafft wird?
Sicher ist: Bis zum 31. Dezember 2025 kann man mit dem Fahrschein für 58 Euro kreuz und quer durchs Land fahren. Ob und in welcher Form das nach dem Jahreswechsel aber noch möglich sein wird, ist ungewiss. Bereits auf die Finanzierung des aktuellen Tickets konnten sich Bund und Kommunen nur nach zähen Verhandlungen einigen. Und kurz vor der Bundestagswahl stellen insbesondere CDU und CSU das bisherige Angebot in Frage. Im Wahlprogramm der CDU findet das Deutschlandticket keine Erwähnung, und der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) fordert, dass der Bund die gesamten Kosten übernehmen solle. Dabei reichen die drei Milliarden Euro, die Bund und Länder bislang hälftig in die Finanzierung stecken, absehbar nicht aus. Die Fahrkarte könnte ab 2026 teuer werden – oder komplett gestrichen.
»Wird das Deutschlandticket abgeschafft, dann wird auch der öffentliche Personennahverkehr wieder weniger genutzt«, sagt Sebastian Stegmüller vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, das maßgeblich an der Fraunhofer-Studie beteiligt war. Es würden die alten Barrieren des deutschen ÖPNV-Tarifdschungels wieder aufgebaut. »Viele Personen profitieren heute von einem einfachen und kostengünstigen Zugang zum ÖPNV. Das würde dann wegfallen.« Ob dies ebenfalls zu einer Verkehrsverlagerung führen könnte, hin zu mehr motorisiertem Individualverkehr, lasse sich nur vermuten. Auf jeden Fall aber »zeigen unsere Erkenntnisse, dass das Deutschlandticket sowohl Autofahrten als auch aktive Mobilitätsformen wie Radfahren und Zufußgehen ersetzt hat«.
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