Gescheiterte Großfarm: Wie viel Kommerz rettet das Nashorn?
Gesucht wird: »eine Person oder eine Stiftung mit Leidenschaft für den Erhalt von Nashörnern und den Mitteln, um das Zuchtprojekt am Laufen zu halten«. So stellt sich der 81-jährige südafrikanische Nashornbaron John Hume seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin vor. Nach drei Jahrzehnten möchte er seine Zucht von mehr als 2000 Südlichen Breitmaulnashörnern loswerden. Zweitausend, das sind mindestens 13 Prozent aller noch lebenden Exemplare dieser Art. Wer Interesse hat, selbst zum Großwildeigner zu werden, kann mitbieten: Sein Platinum Rhino Conservation Projekt steht vom 26. April bis zum 1. Mai zum Verkauf. Anfangsgebot: 10 Millionen US-Dollar.
Nach jahrelangem Streit über das Für und Wider einer solch gewaltigen Nashornfarm wirft der kontroverse Unternehmer nun also doch das Handtuch. Hume hatte gehofft, dass Exportbeschränkungen für Nashorn eines Tages gelockert würden. Dann hätte er seine Lagerbestände nach Asien verkaufen dürfen und Einnahmen erzielt, die die horrenden Unterhaltskosten seiner Farm endlich aufgewogen hätten. Das Versprechen: Für dieses Nashorn hätten keine Tiere geschossen werden müssen. Das Horn wäre ohne größeren Schaden für die Tiere »geerntet« worden. Im Gegenteil, seine Farm soll sogar noch den Artenschutz voranbringen.
Doch der Handel mit Nashörnern und deren Produkten ist stark eingeschränkt – und wird es vermutlich auch bleiben. Vor allem das Washingtoner Artenschutzabkommen CITES verbietet es Hume, seine Ware auf den internationalen Markt zu werfen. Außerdem hatte das südafrikanische Umweltministerium in den vergangenen beiden Jahren signalisiert, dass es eine solche »Domestizierung« von Nashörnern, wie Hume sie angeblich betreibe, nicht gerne sieht. Auch diese Entwicklung dürfte Hume nun zur Aufgabe bewogen haben.
»Wer denkt, dass meine Nashörner domestiziert sind, kann gerne mal vorbeikommen und versuchen, eines anzufassen«, poltert Hume. Von all den Argumenten, die Tierschützer gegen ihn vorbringen, scheint ihn die Idee, er erschaffe zahmes Zuchtvieh oder gar Haustiere, besonders zu ärgern. Auf Humes nun zum Verkauf stehender 8500 Hektar großer Farm in der Nähe des Ortes Klerksdorp kommt auf jedes einzelne Nashorn ungefähr das Areal von sechs Fußballplätzen.
Er habe sich in »diese wundervolle Tierart« verliebt, sagt er und will sie schützen – eben auch, indem er ihr Horn verkauft. Kritiker halten dagegen: »Gezüchtete Nashörner werden von der Rolle isoliert, die ihnen in einem Ökosystem zukommt«, sagt Will Travers, Präsident der britischen Tierschutzorganisation Born Free. Und er ist sich sicher: Der legale Verkauf ihres Horns würde die Wilderei genauso anheizen wie der illegale.
Millionen für den Nashorn-Schutz
Wie Südafrika mit dieser Art umgeht, wird entscheidend sein für das Überleben der Tiere. Acht von zehn Nashörnern weltweit leben hier im südlichen Zipfel des Kontinents. Und niemand besitzt auch nur annähernd so viele Nashörner wie Hume, aber er ist nicht der Einzige, der die Tiere hält. Es wird geschätzt, dass sich rund 8000 Nashörner in Südafrika in Privatbesitz befinden, was ungefähr 60 Prozent der Gesamtbestände des Landes ausmacht. Jetzt, wo Hume aufgibt, machen sich auch die Besitzer der übrigen 6000 Tiere ihre Gedanken über die Zukunft. Es kostet Unsummen, die bewaffneten Sicherheitsteams und ihre Hightechausrüstung zu bezahlen. Anders aber lassen sich die Tiere nicht vor Wilderern schützen. Umgerechnet mehr als 300 000 Euro gebe er jeden Monat für seine Nashörner aus, sagt Hume: »Eine Hälfte für Futter, Tierarzt und andere Kosten, die komplette andere Hälfte geht für Sicherheitsmaßnahmen drauf.« Dafür habe es bei ihm seit sechs Jahren keinen einzigen Fall von Wilderei mehr gegeben.
Anders sieht es in freier Wildbahn aus. Allein Südafrika hat im vergangenen Jahrzehnt rund 10 000 seiner Nashörner durch illegale Jagd verloren. Die Wilderer bedienen eine konstant hohe Nachfrage aus Asien, wo die Traditionelle Chinesische Medizin dem Horn wissenschaftlich unhaltbare Eigenschaften nachsagt. Chemisch gesehen ist es mit dem Material menschlicher Fingernägel identisch.
Geht es den Nashörnern unter den wachsamen Augen von Privatunternehmern also besser? In Südafrika ist der Privatbesitz von wilden Tieren wie Nashörnern seit 1991 gesetzlich gestattet, solange das Areal, auf dem sie leben, eingezäunt ist. »Südafrikaner haben seitdem eindeutig bewiesen, dass dies sehr profitabel sein kann«, erläutert Jasper Eikelboom, ein Wildökologe von der Universität Wageningen in den Niederlanden. Die Tiere lassen sich touristisch vermarkten, außerdem bringen Jagdlizenzen, Zucht und Verkauf den Besitzern Geld ein. »Dies hat vielerorts traditionelle Landwirtschaft ersetzt und Arbeitsplätze geschaffen.«
In seiner Forschung hat sich Eikelboom auch damit befasst, was es für die Tiere bedeutet, wenn ihr Horn auf dem internationalen Markt verkauft werden dürfte.
Im Gegensatz zu Elefanten, denen man nach ihren Stoßzähnen trachtet, oder Löwen, deren Knochen ebenfalls in der asiatischen Medizin begehrt sind, muss ein Nashorn nicht zwingend sterben, wenn ihm sein Horn entfernt wird. Der Stoßzahn eines Elefanten sitzt zu einem Drittel in seinem Schädel und hat dort Nerven und Blutgefäße. Professionell durchgeführt ist die Enthornung für Nashörner jedoch ein schmerzloser Vorgang, der unter Betäubung mit einer Kettensäge stattfindet. Das Horn wächst in etwa drei Jahren zu voller Länge zurück. Damit die Tiere aber für Wilderer unattraktiv bleiben, sollten sie alle 12 bis 24 Monate enthornt werden. »Ich sitze auf acht Tonnen Horn, das ich nicht exportieren darf. Ich denke, die Regierung hat wahrscheinlich rund 28 Tonnen, und andere Züchter haben auch einige«, rechnet Hume vor. Wenn diese Mengen auf den Markt geworfen würden, erwarte er »nichts anderes, als dass die Bestellungen für die Wilderer zurückgehen, die im Moment unsere Nashörner im Krügerpark massakrieren«.
Kenner des Schwarzmarktes geben an, dass ein Kilogramm Horn in Afrika derzeit von Wilderern für rund 5000 US-Dollar an internationale Verbrechersyndikate verkauft wird. Dasselbe Kilo erzielt dann für diese Gangsterkartelle als Großhandelspreis in Asien zwischen 13 000 US-Dollar in Vietnam und 20 000 US-Dollar in China. Würde Hume seine Lagerbestände zum chinesischen Großhandelspreis verkaufen dürfen, würde ihm das rund 160 Millionen US-Dollar einbringen.
Kontrollierter Markt, weniger Wilderei?
Auch wenn der Nashornzüchter die Markteffekte etwas simplifiziert, halten manche Ökonomen einen legalen Handel mit integrierter Preiskontrolle für machbar. Michael 't Sas-Rolfes, ein südafrikanischer Experte für den internationalen Wildhandel an der University of Oxford in England, schlägt vor, einen einzigen kontrollierten und legalen Verkaufskanal zu gründen. »Jedes einzelne Horn würde auf dem Weg von Afrika nach Asien durch DNA-Zertifizierung überwacht. Alle Staaten einigen sich auf Preise und Quoten«, sagt der Ökonom. Dass die offiziellen Verkäufer mit den kriminellen Kartellen mithalten können, werde durch Kosteneffizienz erreicht. »Wenn ein günstigerer Weg geschaffen wird, ein Produkt legal zum Endverbraucher zu bringen, dann ist es nicht mehr rentabel, das illegale Produkt anzubieten«, sagt 't Sas-Rolfes. Auch wenn es ihm widerstrebe, einen derart fragwürdigen Konsum zu bedienen, sieht der Experte keinen anderen Ausweg aus der Nashornwilderei.
Tierschützer Will Travers nennt die Idee »eine Fantasie«. »Die kriminellen Syndikate werden die offiziellen Preise einfach unterbieten. Selbst dann ist es für verarmte Mosambikaner immer noch lohnenswert, in den benachbarten Krügerpark einzudringen und ein Nashorn zu töten«, sagt er. Doch 't Sas-Rolfes beharrt darauf, dass das Klischee vom finanziell unbeeindruckten Kriminellen schlicht falsch sei: »Die Kosten für die Syndikate sind nicht gleich null. Selbst die Wilderer im Krügerpark bekommen von den kriminellen Händlern rund 10 000 Dollar für ein totes Nashorn. Und die Schmuggel-Operation ist noch viel teurer – Transport, Bestechungsgelder, Risiken an den Grenzen.« Wenn der Preis unter ein bestimmtes Niveau falle, sei es den Aufwand schlicht nicht mehr wert.
Trotzdem bleiben Bedenken. Jasper Eikelboom und seine Kollegen kommen in einer Studie, die sie 2020 im Fachblatt »Global Ecology and Conservation« publizierten, zu dem Schluss, dass ein legalisierter Handel Folgen hätte, von denen nur eine potenziell positiv sei. Jene nämlich, dass Züchter finanziell motiviert würden, mehr Horn zu produzieren, indem sie mehr Tiere züchteten, und darüber zum Erhalt der Art beitragen. Negativ sei hingegen eine Stimulierung der globalen Nachfrage auf ein Niveau, das die legalen Anbieter unter Umständen nicht erfüllen könnten. Zudem würde Korruption entlang der legalen Handelsrouten ermöglichen, dass illegales Horn unter das legale gemischt werde. Vor allem aber widerspreche der Vorschlag dem Prinzip, dass Nachfrage dann sinkt, wenn Konsumenten mit dem Produkt ein Stigma verbinden – zum Beispiel Verantwortung für tote Tiere. Legales Horn würde dieses Stigma stark abschwächen. »Dennoch bin ich für den Privatbesitz von Nashörnern, sagt der Ökologe Eikelboom. »Die gegenwärtigen Privatbestände sind entscheidend für das Überleben der Art. Ich bin allerdings gegen Hornhandel und selektive Zucht.«
An der Frage der Zucht entzündet sich Streit
Solche Nuancen in den Diskussionen machen es schwierig zu verstehen, in welchen Verhältnissen Nashörner in Südafrika leben und gegen welche Aspekte ihrer Haltung die Regierung genau vorgehen möchte. Mit einer aktuellen Gesetzesinitiative, die sich gegen den »dauerhaften Gebrauch intensiver [Wildtier-]Managementmethoden« richtet, ist die südafrikanische Regierung jedoch im ersten Anlauf gescheitert. Zu schwammig definierte das Umweltministerium, wann von einer zu vermeidenden Domestikation auszugehen ist.
Experten warnen vor einer verzerrten Wahrnehmung: Klare Grenzen zwischen den Tieren in den Nationalparks, jenen in privaten Wildreservaten und schließlich jenen in privaten Zuchtstationen gebe es gar nicht. Die Realität ist wesentlich komplizierter. Nicht nur die Zuchtfarmen achten auf selektives Paarungsverhalten, sondern auch viele private Reservate. John Humes Farm bietet den Tieren mehr Freiraum und Auslauf als kleinere Reservate. Und selbst die großen Nationalparks bieten zusätzliche Nahrung und künstlich angelegte Wasserquellen an, lassen die Tiere enthornen und beschäftigen bewaffneten Wachschutz. Wo also beginnen und enden »Domestikation und intensives Management«? »Nashörner sind heutzutage schlicht auf Grund praktischer Notwendigkeiten eine stark gemanagte Art«, sagt 't Sas-Rolfes.
Experten sind sich nicht sicher, wie die gewaltige Auktion im April die Situation nun verändern wird. »Hume wird wohl zunächst versuchen, das gesamte Projekt komplett zu verkaufen. Wenn er aber keine realistischen Angebote erhält, könnte er Tiere, Land und Materialien auch stückweise anbieten«, sagt Michael 't Sas-Rolfes. Der Experte hält es für möglich, dass bei der Auktion Gruppen mit entgegengesetzten Interessen gegeneinander bieten könnten: »Es könnten sowohl Gegner als auch Befürworter einer kommerziellen Nutzung zu Käufern werden. Was aber besonders die Gegner dann mit den Tieren machen würden, ist unklar«, sagt 't Sas-Rolfes. Denn die Frage wäre: Wohin mit 2000 Nashörnern?
Auch wenn Wilderei die Bestände der Tiere in den Nationalparks stark dezimiert, so sind die besser überwachten Privatreservate nach Einschätzung von 't Sas-Rolfes »geradezu überfüllt«. Würden die Tiere Humes auf Nationalparks und Privatreservate verteilt, so erwarten Experten einen Anstieg von illegalen Tötungen in den Parks und Probleme mit den hohen Nashorndichten in den Privatreservaten. So kämpfen territoriale Bullen beispielsweise miteinander um die Vorherrschaft und töten sich dabei mitunter gegenseitig. Dadurch könne es in Schutzgebieten nur eine begrenzte Zahl paarungsaktiver Männchen geben, erläutert Petra Kretzschmar, eine Expertin für Nashorngenetik vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. »Wenn diese über viele Jahre alle Verpaarungen dominieren, dann kommt es langfristig zur Inzucht.« Schrumpft die genetische Vielfalt, sinken auch die Überlebenschancen der Art.
Nashörner selektiv zu verpaaren, wofür viele Farmbetreiber Kritik einstecken müssen, mache Inzucht allerdings nicht generell wahrscheinlicher, findet Kretzschmar: »Inzucht ist so unvermeidbar, dass man sie lieber durch kontrollierte Züchtung verhindern sollte.«
Die Forscherin hatte mit Kollegen nachgewiesen, dass Südliche Breitmaulnashörner in ihrem Verhalten keine natürlichen Mechanismen zur Inzuchtvermeidung kennen. »In einer unbegrenzten Wildnis, in der sich Nashörner frei bewegen können, wäre dies auch kein Problem.« In der heutigen Situation existiere diese Möglichkeit jedoch kaum mehr. Nach Ansicht der Expertin könne nur ein rigides Zuchtmanagement, wie es zum Beispiel John Hume auf seiner Farm durchführt, die genetische Vielfalt der Art gewährleisten.
Den Plänen der südafrikanischen Regierung, intensives Management und Zucht zu unterbinden, kann sie deshalb nicht viel abgewinnen. »Warum sollte die Population der so genannten wilden Nashörner nicht von der Nachzucht von Nashörnern in Gefangenschaft profitieren? Wäre es besser, auf Grund einer begrifflichen Interpretation die gesamte Art aussterben zu lassen?«, fragt sie.
Statt in ein Gesetz will Südafrika seine Vorstellungen zu Wildtiermanagement und -zucht in ein Weißbuch »Artenschutz und nachhaltige Nutzung von Südafrikas Biodiversität« gießen, teilt das Umweltministerium auf Anfrage mit. Ganz konkret um Nashörner geht es in dem Papier dann aber nicht mehr. »Das Weißbuch befasst sich mit der nachhaltigen konsumorientierten und nicht konsumorientierten Nutzung von Biodiversität. Auf bestimmte Arten abzielende Regelungen werden darin aber noch nicht enthalten sein. Diese werden festgelegt, nachdem das Kabinett dem Weißbuch zugestimmt hat«, erläutert Albi Modise, ein Sprecher des südafrikanischen Umweltministeriums. Die Zustimmung zum Weißbuch solle bis zum 31. März dieses Jahres abgeschlossen sein.
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