News: Fast wie Origami
Für jedes Protein gibt es eine thermodynamisch bevorzugte Struktur, die als native state bezeichnet wird. Wie die aussieht, hängt von den Energien der Bindungen zwischen den Seitengruppen der Aminosäureresten ab, von deren Verhalten gegenüber dem polaren Lösungsmittel Wasser und einigen weiteren Faktoren. Ein neu synthetisiertes Protein beginnt seine Faltung jedoch weit entfernt von diesem natürlichen Zustand. Es entsteht nach der Anleitung, die in einem Gen gespeichert ist, an den Ribosomen. Dort werden nach und nach die einzelnen Aminosäuren aneinandergehängt. Wie aus der langen Molekülkette dann eine geordnete Struktur wird, ist nach wie vor nicht genau bekannt.
"Proteinketten falten sich alle auf unterschiedlichen Wegen – selbst identische Proteine erreichen ihren Endzustand über viele verschiedene Zwischenstufen –, denn sie starten aus unterschiedlichen Ausgangszuständen", sagt Daniel Rokhsar vom Lawrence Berkeley National Laboratory. "Aber irgendwie beginnen sie alle mit dem ungefalteten Zustand und erreichen die korrekte Form schnell, zuverlässig und reversibel."
Das Computermodell von Daniel Rokhsar und Vijay Pande, welches am National Energy Research Scientific Computing Center lief, hat einige unerwartete Regelmäßigkeiten bei der Faltung von Proteinen aufgezeigt (Proceedings of the National Academy of Sciences vom 16. Februar 1999, vollständiger Text). Die Forscher simulierten die Faltung eines Protein-ähnlichen Heteropolymers aus zunächst 48 Einheiten, dessen native state ein dreidimensionales kompaktes Gitter mit rechten Bindungswinkeln ist. Mit einem Cray T3E-Supercomputer entfalteten sie in ihrem virtuellen Reagenzglas das Polymer, indem sie die simulierte Temperatur anhoben. Während der anschließenden Abkühlung verfolgten sie die Wege jeder einzelnen Einheit – dem entsprechenden Analogon zu den Aminosäureresten eines Proteins.
Auch wenn das Modell weit weniger kompliziert war als die meisten realen Proteine, gab es doch eine astronomisch große Anzahl von möglichen Ausgangsanordnungen, von denen jede ihren individuellen Weg zur stabilen Form hatte. Alle 6 000 Iterationen machten die Wissenschaftler eine Momentaufnahme von dem aktuellen Zustand. Aneinandergereiht ergaben sich so kleine Filme (MPEG, 0,5 MB(MPEG-Player nötig); GIF, 10 MB), die zeigten, wie das Polymer seinen stabilen Zustand suchte und schließlich fand. Dafür benötigte es typischerweise rund 750 000 Durchgänge.
Die durchschnittlichen Positionswechsel jeder Einheit wurden ebenfalls für die Zeiträume zwischen den Bildern ermittelt und als Farbcode umgesetzt. Dadurch konnte die Dynamik besser ausgewertet werden.
Erstaunlicherweise ergab die Analyse einige gemeinsame Merkmale der vielen Faltungswege. In allen Fällen fluktuierte die Polymerkette zunächst durch mehrere hunderttausend Anordnungen und geriet dann plötzlich in einen teilgefalteten Zwischenzustand. Dieser war durch eine stabile Kernregion und daran hängende schlingernde Schleifen und wackelnde Enden gekennzeichnet. Nach einigen weiteren hunderttausend Schritten schnappte das Polymer dann plötzlich in seinen Endzustand.
Diese plötzlichen Wechsel erinnern an Phasenübergänge, wie die Kondensation von Wasserdampf und das Gefrieren von Wasser. Allerdings gibt es für das Polymermodell verschiedene Klassen von Zwischenzuständen, die den unterschiedlichen Einheiten zuzuordnen sind, welche den stabilen Kern bilden. Jede der Klassen repräsentiert somit einen Satz verwandter Wege vom ungefalteten in den gefalteten Zustand.
Bei den Zwischenzuständen handelt es sich nach Ansicht der Forscher um enge Analogien zu den teilgefalteten Zuständen, die bei echten Proteinen beobachtet wurden. Sie führten ihre Berechnungen noch mit Polymeren aus 64 und 80 Einheiten durch und fanden auch dabei Gruppen von Faltungswegen. Ihr nächstes Ziel ist eine Verifikation ihrer Ergebnisse mit Protein-ähnlicheren Modellen, die schließlich zu Simulationen mit atomarer Auflösung führen sollen.
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