Direkt zum Inhalt

Fasten: Hungergefühl allein verlangsamt Alterung bei Fliegen

Das Entscheidende bei der Kalorienreduktion sind anscheinend gar nicht die Kalorien. Experimente an Taufliegen zeigen, dass die Wahrnehmung von Hunger die Tiere länger leben lässt.
Salatteller mit Tomaten.
Die Hoffnung, länger jung zu bleiben, treibt viele Menschen zu kalorienreduzierten Mahlzeiten. Dahinter stecken Studien an Fliegen und Nagern, die wichtige Erkenntnisse über Stoffwechsel, Gehirn und Altern liefern.

Lange ist bekannt, dass eine geringere Kalorienaufnahme das Altern verlangsamen und das Leben verlängern kann – und viele Menschen fasten, um sich den Effekt zu Nutze zu machen. Ob und wie überhaupt das funktioniert, ist allerdings noch ziemlich unklar. Nun deutet eine Studie darauf hin, dass es womöglich das Hungergefühl selbst ist, das diese Effekte verursacht. Wie ein Team um Kristina J. Weaver von der University of Michigan in Ann Arbor berichtet, leben Drosophila-Taufliegen auch bei normaler Kalorienzufuhr länger, wenn man das Hungergefühl gezielt erzeugt. Dafür könne man, heißt es in der jetzt erschienenen Veröffentlichung in der Fachzeitschrift »Science«, entweder eine bestimmte Klasse von Aminosäuren aus der Nahrung entfernen oder sogar nur Nervenzellen stimulieren, die mit dem Bedürfnis zur Nahrungsaufnahme zusammenhängen. Demnach können bloße Motivationszustände bestimmenden Einfluss auf das Altern haben, schreibt das Team in der Publikation.

Dass Mäuse und Ratten langsamer altern, wenn sie weniger Kalorien aufnehmen, ist seit Jahrzehnten bekannt. Seither ist der Effekt Gegenstand vielfältiger Untersuchungen, die zu Grunde liegende Mechanismen des Alterns klären sollen. Aber seit sich in den 1990er Jahren herausstellte, dass der Effekt selbst dann noch funktioniert, wenn Mäuse im mittleren Lebensalter mit den Fasten anfangen, hoffen weltweit Millionen Menschen auf eine verlängerte Lebensspanne durch weniger Kalorien. Doch während Fasten in vielen Industrieländern eine milliardenschwere Industrie ist, bleibt der biologische Hintergrund des langsameren Alterns unklar.

Die Arbeitsgruppe um Weaver schlägt nun einen neuen Mechanismus vor, der von der Nahrungsaufnahme wegführt. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass der lebensverlängernde Effekt der Kalorienrestriktion bei Taufliegen und Fadenwürmern verschwindet, wenn man den Tieren nur vorgaukelt, sie hätten Proteine aufgenommen. Die Gruppe testete nun den umgekehrten Zustand: Sie entfernte aus der Nahrung so genannte verzweigte Aminosäuren (branched-chain amino acids, BCAA) wie zum Beispiel Isoleukin, die als chemisches Signal für aufgenommenes Protein und damit sättigend wirken. Tatsächlich lebten auch solche Fliegen länger – und das, obwohl sie sogar mehr Kalorien aufnahmen als normal. Um die Idee zu stützen, dass der Effekt auf die bloße Wahrnehmung von Hunger zurückgeht, erzeugte das Team diese auf einem völlig anderen Weg. Aus früheren Versuchen kennt man die Funktionen diverser Neuronengruppen im Fliegenhirn, und eine von ihnen steuert demnach die Motivation zur Nahrungsaufnahme – also Hunger. Aktivierte das Team dauerhaft diese Nervenzellen mit Hilfe optogenetischer Techniken, lebten die Fliegen ebenfalls länger.

Hinter der verlängerten Lebensspanne stecken vermutlich epigenetische Veränderungen in diesen Nervenzellen. Sie betreffen die Histonproteine, die an DNA binden und die Struktur der Chromosomen beeinflussen. Außerdem steuern die Histone durch die Stärke der Bindung an die DNA, wie stark Gene ausgelesen werden können. Bei den mit BCAA gefütterten Fliegen registrierte die Arbeitsgruppe Veränderungen in der Häufigkeit und Chemie des Histonproteins H3. Dass sie im Zusammenhang mit Hunger stehen – nicht aber mit der Lebensspanne –, bestätigte sich in weiteren Versuchen.

Ob diese Ergebnisse jedoch auch Menschen zu einem längeren Leben verhelfen, ist zumindest fraglich. Zum einen sind Menschen nun mal keine Taufliegen, und zum anderen ist nicht mal die ursprüngliche Idee, dass Kalorienreduktion das Altern bremst, bei Menschen ausreichend belegt. Studien zum Beispiel an Rhesusaffen brachten Ergebnisse, die der Idee widersprechen. Fasten kann unter Umständen sogar Gefahren bergen. Die Ergebnisse können also keinesfalls als erneuter Beleg für die Wirksamkeit von Hungerkuren gelten. Dennoch bieten sie einen weiteren Einblick in die komplexen Verbindungen zwischen Stoffwechsel, Nervensystem und Altern, deren Erforschung helfen dürfte, Altersleiden besser zu verstehen und zu behandeln.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.