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Fehlerhafte Statistik: Doch keine erhöhte Müttersterblichkeit in den USA

Alarmierende Zahlen zu Todesfällen dienten schon als Beleg für den Niedergang des US-Gesundheitssystems. Laut einer Analyse beruhten sie aber wohl auf mangelhafter Statistik.
Schwangere in Klinik
Die Schwangerenversorgung in den USA hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten sogar leicht verbessert – Zahlen der Bundesbehörden ließen etwas anderes erwarten.

Offizielle Zahlen der US-Gesundheitsbehörden ließen aufhorchen: Seit 1999 schien sich die Müttersterblichkeit in den Vereinigten Staaten mehr als verdoppelt zu haben. Lag sie im Zeitraum 1999 bis 2002 noch bei knapp zehn Todesfällen pro 100 000 Lebendgeburten, soll sie im Jahr 2018 bei knapp über 17, ein Jahr später schon bei ungefähr 20 und im Jahr 2021 bereits bei annähernd 33 Todesfällen gelegen haben. Auch in Deutschland griffen zahlreiche Medien den Befund auf, schien er doch ein weiterer Beleg für die mangelhafte Gesundheitsversorgung im Land zu sein, analog zu der seit Jahren stagnierenden Lebenserwartung.

Allerdings beruhte er wohl auf falschen Auswertungen der Todesscheine, wie ein Team um Cande Ananth von der Rutgers Robert Wood Johnson Medical School nun argumentiert. Seine Neuauswertung der Daten zeigt, dass die Müttersterblichkeit in all den Jahren auf dem Niveau von ungefähr zehn Todesfällen pro 100 000 Lebendgeburten verharrte. Damit liegt sie ungefähr in derselben Höhe wie in anderen westlichen Ländern.

Wie das Team im Fachblatt »American Journal of Obstetrics and Gynecology« schreibt, trug eine Änderung in den Todesscheinen zum mutmaßlichen Irrtum bei: Diese enthielten ab 2003 ein Kästchen, das Mediziner ankreuzen sollten, wenn die Verstorbene zum Zeitpunkt des Todes schwanger gewesen war. Bald zeigte sich, dass Fehler beim Ausfüllen die erfasste Müttersterblichkeit in die Höhe trieb. Aus Stichproben ging hervor, dass mitunter biologische Männer oder Greisinnen als »schwanger« gewertet wurden. Darum wurde bald nur noch das Kästchen bei Verstorbenen weiblichen Geschlechts zwischen 15 und 44 Jahren ausgewertet.

Doch diese Maßnahme genügte offenbar nicht, wie Ananth und Team feststellten. Sie zählten nun ausschließlich jene Todesscheine, in denen »Schwangerschaft« unter den Todesursachen aufgeführt worden war. Die Zahl dieser Todesfälle schwankte über die Jahrzehnte kaum und lag zuletzt bei 10,4 Fällen pro 100 000 Lebendgeburten.

Insgesamt verzeichnen sie sogar einen leichten Rückgang der Todesfälle durch direkte Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt. Diese Verbesserungen seien aber durch eine gleichzeitige Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustands der Patientinnen nahezu komplett aufgehoben worden, schreibt Ananths Universität in einer Pressemitteilung zur Studie.

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