Direkt zum Inhalt

Ernährung: Fehlfutterarlarm

Es ist eine alte Binsenweisheit: Unser Körper benötigt eine ausgewogene Ernährung. Fehlen bestimmte, essenzielle Nährstoffe, sind typische Mangelerscheinungen die unabdingbare Folge. Doch zuvor schlägt der Körper Alarm - durch einen leeren Transporter.
Ausgewogene Ernährung
Fleisch ist "ein Stück Lebenskraft"? Durchaus, enthält es doch viele essenzielle Nährstoffe in genau der richtigen Mischung, die unser Körper braucht. Denn von den zwanzig Aminosäuren, aus denen sich unsere Proteine zusammensetzen, können wir Menschen – wie auch die meisten Tiere – über die Hälfte zwar selbst herstellen, acht jedoch nicht. Diese essenziellen Aminosäuren müssen daher mit der Nahrung aufgenommen werden, wenn es nicht zu Proteinmangelerscheinungen kommen soll.

Vielen pflanzlichen Produkten fehlt allerdings die eine oder andere Aminosäure. So mangelt es beispielsweise dem Mais an Lysin, während Bohnen ohne Methionin auskommen. Nur mit einer ausgewogenen Gemüsekombination kann der Mangel ausgelichen werden.

Eine Fehlernährung lässt sich der Körper so ohne weiteres nicht gefallen. Stellt man beispielsweise Ratten massenhaft Mais zur Verfügung, dann beginnen sie bereits zwanzig Minuten später nach einer anderen Futterquelle zu suchen. Offensichtlich "wissen" die Tiere, dass die einseitige Ernährung für sie ungesund ist. Doch woher?

Einen ersten Hinweis auf einen Fehlfutteralarmschalter lieferten Organismen, die nur sehr entfernt mit Säugetieren verwandt sind: Hefezellen. Hier entdeckten Forscher in den 1990er Jahren ein Gen namens GCN2, das sich meldet, sobald sich bestimmte RNA-Moleküle anhäufen. Diese transfer- oder tRNA genannten Substanzen transportieren in der Zelle die Aminosäuren zum Ort der Proteinsynthese, wobei für jede Aminosäure mindestens ein tRNA-Typ zuständig ist. Haben nun einige dieser Transporter nichts zu tun, weil ihnen das Transportgut fehlt, dann scheinen sie das Gen GCN2 zu aktivieren.

Was Hefen recht ist, kann Ratten nur billig sein. Im Jahr 2003 entdeckte Tracy Anthony von der Universität von Indiana, dass den Nagern der Sinn nach essenziellen Aminosäuren verloren geht, sobald ihr GCN2-Gen abgeschaltet ist. Jetzt tat sich die Biochemikerin mit dem Team von Dorothy Gietzen von der Universität von Kalifornien in Davis zusammen, um der Sache weiter nach zu gehen.

Die Forscher verhinderten eine ordnungsgemäße Beladung der tRNAs ihrer Versuchstiere, indem sie in eine bestimmte Hirnregion – dem zur Riechrinde gehörenden piriformen Kortex – Alkoholderivate von essenziellen Aminosäuren, wie beispielsweise Threoninol, injizierten. Mit diesen Substanzen können die tRNAs nichts anfangen – und bleiben leer.

Die Ratten zeigten sich von dieser Hirnmanipulation durchaus beeindruckt. Obwohl ihnen ausgewogene Kost angeboten wurden, verschmähten sie diese nach zwanzig Minuten und suchten verzweifelt nach einer Threonin haltigen Futterquelle. Offensichtlich schlugen die unbeladenen tRNAs im piriformen Kortex Alarm.

Schließlich schalteten die Forscher den Alarm wieder ab, indem sie ihren Versuchstieren Nahrung mit Threonin im Überschuss anboten. Die Aminosäure überschwemmte damit auch das Gehirn, die Threonin-Transporter hatten wieder etwas zu tun, und die Ratten zeigten sich mit dem Futter glücklich und zufrieden.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.