Biomechanik: Feingefühl dank Fingerrillen
Hat die Natur uns mit dem feinen Muster aus Riefen und Rillen auf den Fingerbeeren ausgestattet, um der Polizei die Arbeit zu erleichtern? Sicher nicht. Aber was haben die Papillarleisten dann für einen Zweck? Bisher dachte man, sie seien zum besseren Festhalten von Objekten da. Das klingt plausibel, ist aber, wie sich nun zeigte, längst nicht alles. Die geriffelten Fingerkuppen helfen uns auch, die Feinstruktur von Oberflächen genauer zu ertasten.
Unebenheiten im Abstand von weniger als 0,2 Millimetern auf einer Unterlage erkennen Menschen mit einem speziellen Mechanorezeptor, dem Vater-Pacini-Körperchen. Er registriert Vibrationen in der Haut, die entstehen, wenn die Fingerspitzen über eine fein strukturierte Oberfläche gleiten. Julien Scheibert vom Laboratoire de Physique Statistique in Paris und Kollegen wollten diesen Vorgang nun genauer ergründen. Dazu machten sie Versuche mit einer künstlichen Fingerspitze, bestehend aus einem mechanischen Sensor mit einer elastischen Gummikappe.
Mit diesem Testfinger registrierten die Wissenschaftler die Frequenzspektren der Vibrationen, die beim Gleiten über eine fein strukturierte Oberfläche entstehen. Bei glatter Gummikappe ergab sich eine breite, unspezifische Kurve. War die künstliche Fingerspitze jedoch wie beim Menschen gerillt, dominierte im Spektrum eine bestimmte Frequenz. Diese hing vom Abstand der Rillen und von der Gleitgeschwindigkeit ab. Menschen streichen gewöhnlich mit zehn bis fünfzehn Zentimeter pro Sekunde über eine Oberfläche, und die Papillarleisten auf dem Finger liegen etwa einen halben Millimeter auseinander. Daraus ergibt sich eine Vibrationsfrequenz von 200-300 Hertz. Das entspricht genau dem Wert von 250 Hertz, auf den das Pacini-Körperchen am stärksten anspricht. Demnach selektiert und verstärkt das Muster auf den Fingerkuppen das Signal für den Tastrezeptor und steigert so dessen Empfindlichkeit.
Miriam Ruhenstroth
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