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Fettstoffwechsel: Fettpolster wärmen anders als gedacht

Seit einigen Jahrzehnten fasziniert Forscher eine besondere Sorte von Fettspeicher unseres Körpers: beige Fettzellen. Sie verbrennen massig Zucker zu Wärme und halten uns so warm, schlank und gesund. Nur funktionieren sie offenbar doch etwas anders als bisher vermutet.
Zwei glückliche Ferkel kuscheln sich aneinander - frieren müssen sie so nicht

Seit einigen Jahrzehnten erforschen Wissenschaftler das "beige Fett" als mögliche Wunderwaffe gegen Zivilisationskrankheiten. Denn anders als das weiße Fettgewebe – Hauptbestandteil der Bauchpölsterchen etwa in Folge übermäßiger Kalorienzufuhr – dient die beige Fettvariante nicht als im Überfluss angelegter Depotspeicher, sondern als eine Art Heizung unseres Körpers, die massenhaft Brennstoff verfeuern kann. Forscher suchen daher nach Wegen, diese Zellheizung hochzuregeln, um so überschüssige Kalorien zu verbrennen und Fettleibigkeit oder Diabetes zu bekämpfen. Wie die beigen Fettzellen arbeiten, war daher schon recht gut untersucht – nicht gut genug allerdings, wie ein Fettforscherteam nun in "Nature Medicine" anmahnt. Denn tatsächlich gibt es offenbar einen bislang völlig übersehenen Weg, die beigen Fettzellen anzukurbeln.

Die Forscher um Shingo Kajimura von der University of California in San Francisco hatten bereits zu den ersten gehört, die die beige Variante des braunen Fettgewebes von Neugeborenen beschrieben haben. Seitdem untersucht das Team, wie die Fettzellen im Körper arbeiten. Als zentraler Schalter hatte sich dabei das entkoppelnde Protein UCP1 (Uncoupling Protein 1) herausgestellt, das nur in beigen Fettzellen aktiv ist. Es fährt – angeregt etwa durch Kälte und Hormonsignale – einen Leerlaufmechanismus hoch, bei dem die Mitochondrien Wärme statt Energie produzieren.

Kajimura und seinem Team waren allerdings Ungereimtheiten aufgefallen: so etwa die Tatsache, dass manche Säugetiere, wie etwa Hausschweine, ohne UCP1-Protein auskommen, sich aber trotzdem durchaus auch bei Kälte warm halten können. Man vermutete zunächst, diese Tiere würden das mit aufwärmendem Muskelzittern oder Verhaltensanpassungen kompensieren, also etwa durch vermehrtes Zusammenkuscheln bei Kälte. Tatsächlich können aber sogar Mäuse ohne das vermeintlich so wichtige UCP1 auskommen, erkannten Kajimura und Co. Gentechnisch veränderte Mauslinien ohne das Protein verbrennen in den beigen Fettzellen weiterhin viel Energie und bleiben durchaus schlank und warm.

In ihren Experimenten konnten sie schließlich belegen, dass die Wärmeproduktion in den beigen Fettzellen ohne UCP1 durch zwei weitere Proteine gewährleistet ist: die Kalziumpumpe SERCA2b und ihren Gegenspieler, den Ryanodin-Rezeptor 2 (RyR2). SERCA2b pumpt im Fettgewebe normalerweise überschüssige Kalziumionen in Speichervesikel, bis der Kalziumgehalt in der Zelle absinkt. Wird er zu niedrig, steuert RyR2 dagegen und öffnet Poren, durch die die Kalziumionen wieder aus den Vesikeln in die Zelle ausströmen können. Die Wissenschaftler konnten nun nachweisen, dass in beigen Fettzellen bei Kälte beide Proteine gleichzeitig aktiv sind, so dass Kalzium ständig in die Vesikel gefördert wird, um gleich wieder herauszuströmen. Dies entzieht dem Körper messbare Mengen an Energie, zeigten die Forscher – und produziert genug Abwärme, um eine Abkühlung zu vermeiden.

Tatsächlich konnten die Wissenschaftler den Energieverbrauch steuern, indem sie die SERCA2b-Aktivität in ihren Versuchstieren regulierten: Je aktiver das Protein war, desto größere Mengen von Glukosezucker verschwand als Treibstoff für die Reaktion aus dem Blut. Auf diese Weise könnte man direkt den Blutzuckerspiegel regulieren – vielleicht ein Weg, um in Zukunft auch einmal auf die Symptome von Diabetes beim Menschen einwirken zu können, spekulieren die Forscher. Zwar sei der Mechanismus bislang nur in Versuchsmäusen nachgewiesen. Immerhin beobachte man aber beim Hausschwein wie beim Menschen die so genannte maligne Hypothermie, bei der Mutationen von Ryanodin-Rezeptoren wie RyR2 eine Rolle dabei spielt, dass die Thermoregulation in Zellen zusammenbricht. Es sei also gut möglich, dass viele Säugetiere ihr beiges Fettgewebe auch über den neu entdeckten Mechanismus regulieren können.

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