Schwarze Löcher: Feuertaufe fürs Äquivalenzprinzip
Im März 2012 begann Joseph Polchinski erstmals über Suizid nachzudenken – zumindest in mathematischer Form. Der Stringtheoretiker am Kavli Institute for Theoretical Physics im kalifornischen Santa Barbara grübelte darüber, was mit einem Astronauten passieren würde, wenn er in ein Schwarzes Loch fiele. Offensichtlich würde er sterben. Aber wie?
Nach den damals akzeptierten Modellen fiele dem Raumfahrer zunächst nichts Besonderes auf. Nicht einmal dann, wenn er den Ereignishorizont durchquerte – eine unsichtbare Grenze, jenseits derer nichts mehr aus dem Schwarzen Loch entweichen kann. Erst Stunden, Tage oder sogar Wochen später, abhängig von der Masse des Schwarzen Lochs, würde er plötzlich bemerken, dass die Schwerkraft stärker an seinen Füßen zieht als an seinem Kopf. Dieser Kraftunterschied wüchse schnell an, während er unaufhaltsam in die Tiefe rast, und risse ihn schließlich auseinander. Letztlich rasten seine Überreste dann in den unendlich dichten Kern des Schwarzen Lochs.
Doch die von Polchinski mit zwei seiner Studenten – Ahmed Almheiri und James Sully – sowie dem Stringtheoretiker Donald Marolf von der University of California in Santa Barbara (UCSB) durchgeführten Berechnungen erzählten eine andere Geschichte [1]. In ihrem Modell würden Quanteneffekte den Ereignishorizont in einen brodelnden Teilchenstrudel verwandeln. Fiele jemand dort hinein, stieße er gegen eine Wand aus Feuer und würde augenblicklich verkohlen.
Feuerwände im All?
Die im Juli 2012 veröffentlichte Studie erschütterte die Physikergemeinde. Denn solche Feuerwände würden das Äquivalenzprinzip und damit ein grundlegendes Prinzip der Physik verletzen. So gründete Albert Einstein vor fast einem Jahrhundert seine Theorie der Schwerkraft, die allgemeine Relativitätstheorie, darauf. Das Äquivalenzprinzip besagt unter anderem, dass ein Beobachter, der in ein Gravitationsfeld fällt – also auch in das eines Schwarzen Lochs –, genau die gleichen Phänomene sehen müsste wie ein Beobachter, der durch den leeren Raum treibt. Ohne dieses Prinzip bröckelte Einsteins Theoriegerüst.
"Das ist eine Krise in der Grundlagenphysik, die vielleicht einer Revolution bedarf, um sie zu überwinden"
Steve Giddings
Sich über die Folgen ihrer Behauptung bewusst, boten Polchinski und seine Koautoren auch eine Version ihrer Geschichte an, in der letztlich keine Feuerwand auftaucht. Das alternative Ende hat jedoch einen hohen Preis: Physiker müssten dafür die andere tragende Säule ihrer Wissenschaft, die Quantenmechanik, opfern. Letztere beschreibt die Wechselwirkungen zwischen subatomaren Teilchen. Ihre provokante These löste eine wahre Flut an Forschungsarbeiten aus – alle mit dem Ziel, einen Ausweg aus dieser verfahrenen Lage zu finden. Eine für alle Seiten zufrieden stellende Lösung brachte allerdings niemand hervor. Steve Giddings, Quantenphysiker an der UCSB, beschreibt die Situation als "eine Krise in der Grundlagenphysik, die vielleicht einer Revolution bedarf, um sie zu überwinden".
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf kamen vergangenen Monat zahlreiche Experten auf dem Gebiet am Forschungszentrum CERN nahe Genf zusammen. Dabei hofften sie nicht zuletzt, den Weg für eine einheitliche Theorie der Quantengravitation frei zu machen, die alle Grundkräfte der Natur in sich vereinigt – ein Vorhaben, dem Physiker bereits seit Jahrzehnten nachjagen. Das Konzept von Feuerwänden "erschüttert das Fundament von dem, was die meisten von uns über Schwarze Löcher annahmen", eröffnet Stringtheoretiker Raphael Bousso von der University of California in Berkeley seinen Vortrag auf dem Treffen. "Es spielt Quantenmechanik und allgemeine Relativitätstheorie gegeneinander aus, ohne uns auch nur irgendeinen Hinweis darauf zu geben, in welche Richtung wir als Nächstes gehen sollen."
Die Brandursache
Die Ursachen des Feuerwandproblems reichen zurück bis ins Jahr 1974. Damals zeigte der Physiker Stephen Hawking von der University of Cambridge, dass sich Schwarzen Löchern auf Grund von Quanteneffekten eine Temperatur zuordnen lässt [2]. In absoluter Isolation würden die Schwerkraftgiganten tatsächlich Wärmestrahlung freisetzen – Photonen und andere Teilchen – und dadurch allmählich an Masse verlieren, bis sie schließlich vollständig verdampfen. Die "ausgespuckten" Teilchen bilden dabei jedoch keine Feuerwand. Denn die Feinheiten der Relativitätstheorie sorgen dafür, dass ein Astronaut diese Strahlung nicht einmal bemerken würde, wenn er den Ereignishorizont durchquerte. Dennoch erstaunte Hawkings Ergebnis – nicht zuletzt, weil die Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie eigentlich besagen, dass Schwarze Löcher ausschließlich Masse vertilgen und dadurch anwachsen, nicht aber verdampfen.
Hawkings Erkenntnisse fußen vor allem auf der Beobachtung, dass der "leere" Raum in der Quantenwelt gar nicht leer ist. In diesen sub-submikroskopischen Dimensionen herrscht nämlich ein ständiges Gewusel: Laufend entstehen Paare aus Teilchen und ihren entsprechenden Antiteilchen, die gleich darauf wieder rekombinieren und verschwinden. Nur in sehr ausgeklügelten Laborexperimenten hinterlässt dieses submikroskopische Chaos beobachtbare Spuren.
Bildet sich so ein Teilchen-Antiteilchen-Paar jedoch nahe dem Ereignishorizont, erkannte Hawking, könnte eines der Partikel vor der Rekombination in das Schwarze Loch fallen. Der überlebende Partner würde dann als so genannte Hawkingstrahlung entweichen. In diesem Fall müsste das verschluckte Teilchen die positive Energie des davonfliegenden Teilchens ausgleichen, indem es negative Energie nach innen trägt – die seltsamen Gesetze der Quantenwelt machen es möglich. Die negative Energie würde dann von der Masse des Schwarzen Lochs abgezogen, wodurch der Schwerkraftgigant allmählich zusammenschrumpft.
Hawkings ursprüngliche Arbeit wurde seither von vielen Forschern verfeinert und erweitert; sein Fazit gilt inzwischen als nahezu allgemein akzeptiert. Damit einher geht jedoch ein beunruhigendes Paradoxon, das die Quantentheorie herausfordert. Denn der Quantenmechanik zufolge lässt sich Information nicht zerstören. Prinzipiell sollte es also möglich sein, alle wissenswerten Daten über die ins Schwarze Loch gefallenen Objekte wiederherzustellen, indem man den Quantenzustand der freigesetzten Strahlung misst. So einfach funktioniert das allerdings nicht, zeigte Hawking, denn die entweichende Strahlung besitzt einen zufälligen Charakter. Ob man also einen Stein oder eine gleich schwere Menge an Computerchips hineinwirft – das Ergebnis fällt gleich aus. Selbst wenn Astronomen das Schwarze Loch bis an sein Lebensende beobachten würden, wüssten sie letztlich nicht, wie es entstand oder was hineinfiel.
Das Informationsparadoxon
Dieses als Informationsparadoxon bekannte Problem spaltete Physiker in zwei Lager. Einige, darunter Hawking, behaupteten, die Information ginge beim Tod des Schwarzen Lochs tatsächlich verloren. Und wenn das den Quantengesetzen widerspreche, dann müsse man eben bessere Gesetze finden. Andere, wie John Preskill vom California Institute of Technology in Pasadena, hängen dagegen an der Quantenmechanik. "Eine Zeit lang habe ich ernsthaft versucht, eine alternative Theorie zu entwickeln und darin den Informationsverlust zu berücksichtigen", so der Quantenphysiker, "aber ich konnte keine Theorie finden, die irgendeinen Sinn ergeben hätte – niemand konnte das." Die Pattsituation hielt zwei Jahrzehnte an und führte 1997 zur einer populären Wette: Preskill setzte öffentlich gegen Hawking, dass Information nicht verloren gehe. Der Gewinner sollte eine Enzyklopädie seiner Wahl erhalten.
Noch im selben Jahr beendete eine Entdeckung des Physikers Juan Maldacena von der Harvard University in Cambridge den Stillstand. Maldacena stützte sich dabei auf einen früheren Ansatz, nach dem sich jede dreidimensionale Region des Universums durch Informationen beschreiben ließe, die auf seiner zweidimensionalen Grenzfläche kodiert sind [3, 5]. Das sei vergleichbar mit einem 2-D-Hologramm, in dem man per Laserlicht eine 3-D-Szene abbilden kann. "Wir benutzen das Wort Hologramm als Metapher", sagt Leonard Susskind von der Stanford University in Kalifornien, der zusammen mit anderen den Ansatz entwickelte [4]. "Nachdem wir mehr Mathematik betrieben, schien es buchstäblich einen Sinn zu ergeben, dass es sich beim Universum um eine Projektion der Information auf die Grenzfläche handelt", so der Stringtheoretiker.
"Der Ereignishorizont wäre buchstäblich ein Ring aus Feuer, in dem jeder verbrennt, der hindurchfällt"
Joseph Polchinski
Maldacena präsentierte eine handfeste mathematische Formulierung der Hologrammidee, wobei er Ansätze aus der Superstringtheorie verwendete [6]. Gemäß der Stringtheorie bestehen alle Elementarteilchen aus winzigen, vibrierenden Fäden. Sein Modell beschreibt ein 3-D-Universum aus Strings und Schwarzen Löchern, die einzig durch die Schwerkraft beeinflusst werden. Auf der 2-D-Oberfläche, die beide begrenzt, gehorchen die Elementarteilchen und Felder hingegen den gewöhnlichen Quantengesetzen, ohne Schwerkraft. Hypothetische Bewohner des 3-D-Raums würden diese Grenzfläche allerdings nie sehen, weil sie unendlich weit entfernt ist. Das spielte aber keine Rolle: Alles, was im 3-D-Universum geschieht, ließe sich ebenso gut durch Gleichungen im 2-D-Universum beschreiben, und umgekehrt. "Es gibt ein mathematisches Wörterbuch, mit dem man zwischen den Sprachen dieser beiden Welten hin- und herwechseln kann", erklärt Maldacena.
Demnach ließe sich sogar das Verdampfen eines Schwarzen Lochs im 3-D-Universum in der 2-D-Welt beschreiben, in der Gravitation nicht existiert, Quantengesetze herrschen und Information nie verloren geht. Und wenn Informationen dort erhalten bleiben, dann müssten sie das auch in der 3-D-Welt. Auf irgendeine Weise entweicht die Information also offenbar von den Schwarzen Löchern.
Eine für alle
Einige Jahre später bewies Marolf, dass alle Modelle der Quantengravitation denselben Regeln gehorchen – gleich ob sie auf der Stringtheorie basieren oder auch nicht [7]. "Mich stimmte letztlich eine Kombination aus den Arbeiten von Maldacena und Marolf um", erklärt Ted Jacobson, Quantenphysiker an der University of Maryland in Baltimore und langjähriger Befürworter des Informationsverlustes. 2004 gab Hawking dann öffentlich zu, sich geirrt zu haben, und löste seine Wettschuld ein: Er überreichte Preskill wie gewünscht eine Baseball-Enzyklopädie.
Durch Maldacenas Ansatz sahen die meisten Physiker das Paradox als aufgelöst an, obwohl niemand bisher erklären konnte, wie die Hawkingstrahlung eigentlich Informationen aus dem Schwarzen Loch schmuggelt. "Wir gingen wohl alle davon aus, es gäbe darauf eine einfache Antwort", erinnert sich Polchinski. Doch die gab es nicht. Anfang 2012 nahmen sich Polchinski und sein Team der Sache an und stießen schon bald auf ein weiteres Paradoxon – und zwar auf jenes, das sie schließlich zur verhängnisvollen Feuerwand führen sollte.
Hawking hatte bereits gezeigt, dass der Quantenzustand von Teilchen, die dem Schwarzen Loch entkommen, zufällig ist. Somit kann es keine nützlichen Informationen mit sich tragen. Allerdings, so stellten Susskind und Kollegen in den 1990er Jahren fest, könnte die Information im Quantenzustand der gesamten Strahlung kodiert sein. Dafür müssten die Teilchenzustände aber irgendwie miteinander verschränkt sein: Hierbei würde die Messung an einem der Teilchen sich augenblicklich auf seine Partner auswirken, egal wie weit diese voneinander entfernt sind. Die Wissenschaftler um Polchinski fragten sich, wie das angehen könne. Damit ein Teilchen überhaupt dem Schwarzen Loch entkommen kann, muss es mit seinem verschollenen Zwilling verschränkt sein. Liegen Susskind und seine Kollegen nun richtig, müsste es zudem auch mit aller Hawkingstrahlung verschränkt sein, die zuvor emittiert wurde. Gegen diese Annahme spricht die so genannte "Monogamie der Verschränkung", eine strikte Vorschrift der Quantenmechanik, nach der ein Quantensystem nicht vollständig mit zwei voneinander unabhängigen Systemen auf einmal verschränkt sein darf.
Um diesem Widerspruch zu entgehen, schlugen Polchinski und seine Mitarbeiter vor, eine der beiden Verbindungen einfach zu kappen. Sie entschieden sich für die Verschränkung zwischen einem davonfliegenden Hawkingteilchen und seinem verschluckten Zwilling. Schließlich wird die andere benötigt, um Informationen in der Hawkingstrahlung zu kodieren. Ihr Entschluss hatte allerdings seinen Preis. "Es ist ein gewaltsamer Prozess – in etwa so, als würde man die Bindungen eines Moleküls aufbrechen – und es wird Energie freigesetzt", erläutert Polchinski. Durch das Trennen vieler Teilchenpaare würden enorme Energiemengen erzeugt. "Der Ereignishorizont wäre buchstäblich ein Ring aus Feuer, in dem jeder verbrennt, der hindurchfällt", sagt er.
Aufruhr in der Physikergemeinde
Dieses Szenario lässt sich wiederum nicht mit dem Äquivalenzprinzip vereinbaren und dessen Aussage, dass sich der freie Fall genauso anfühlt wie das Schweben im leeren Raum – unmöglich, wenn man während des freien Falls auch verkohlen kann. Also veröffentlichten die Physiker einen Artikel auf dem Dokumentenserver arXiv und stellten Physiker vor eine harte Wahl: Entweder müsse man akzeptieren, dass Feuerwände existieren und die allgemeine Relativitätstheorie versagt hat, oder aber man geht davon aus, dass die Information in Schwarzen Löchern verloren geht und die Quantenmechanik falschliegt. "Bei der Auswahl erschienen uns Feuerwände als die weniger verrückte Option", berichtet Marolf.
"Kein fundamentales Gesetz hindert jemanden daran, das Paradox zu messen, aber in der Praxis ist es unmöglich"
Daniel Harlow
Der Artikel mischte die Physikergemeinde gehörig auf. "Zu behaupten, Einsteins Äquivalenzprinzip aufzugeben sei die bessere Wahl, war einfach unverschämt", sagt Jacobson. Bousso stimmt zu und meint: "Eine Feuerwand kann nicht einfach im leeren Raum auftauchen, ebenso wenig wie eine Backsteinmauer plötzlich aus dem Nichts kommt und einem ins Gesicht schlägt. Wenn Einsteins Theorie am Ereignishorizont nicht gilt, dann müssen sich Kosmologen eher fragen, ob sie überall in vollem Umfang gilt."
Polchinski hielt es sogar für möglich, dass er und sein Team einen dummen Fehler gemacht hatten. Also wandte er sich an Susskind, einen der Väter der Holografie, um ihn zu finden. "Mein erste Antwort lautete, sie liegen falsch", erinnert sich Susskind. Er publizierte einen entsprechenden Artikel, zog diesen – nach weiterem Nachdenken – allerdings schnell wieder zurück [8]. "Meine zweite Antwort lautete, sie haben Recht, meine dritte, sie liegen doch falsch, und meine vierte, sie haben Recht", sagt er lachend. "Das brachte mir zwar den Spitznamen 'das Jo-Jo' ein, aber eigentlich ähnelt meine Reaktion ziemlich der der meisten Physiker."
Seitdem erschienen mehr als 40 Aufsätze zum Thema auf arXiv – doch bislang fand noch niemand einen Fehler in der Logik des Teams. "Es ist eine wirklich schöne Herangehensweise, wenn man beweist, dass in unserem Verständnis von Schwarzen Löchern etwas inkonsistent ist", sagt Don Page, ein Mitarbeiter von Hawking in den 1970er Jahren und inzwischen an der University of Alberta in Edmonton, Kanada. Immerhin boten Wissenschaftler eine Reihe von erfinderischen Lösungen an.
Effekte auf die reale Welt
Eine der vielversprechendsten Ansätze nach Susskind stammt von Daniel Harlow, einem Quantenphysiker an der Princeton University in New Jersey, und Patrick Hayden, einem Informatiker an der McGill University in Montreal. Die beiden prüften, ob ein Astronaut jemals in der Lage wäre, das Paradox mit Hilfe von Messungen in der realen Welt nachzuweisen. Dazu müsste er zunächst eine erhebliche Menge an ausgehender Hawkingstrahlung entschlüsseln und dann in das Schwarze Loch eintauchen, um dort die einfallenden Teilchen zu untersuchen. Die Berechnungen der beiden zeigen, dass sich die Strahlung extrem schwer entschlüsseln lässt. Tatsächlich wäre der Astronaut erst fertig mit dieser Aufgabe, wenn das Schwarze Loch bereits verdampft ist – zu spät also, um noch hineinzuspringen [9]. "Kein fundamentales Gesetz hindert jemanden daran, das Paradox zu messen", fasst Harlow zusammen, "aber in der Praxis ist es unmöglich."
Giddings spricht sich dagegen für eine radikale Lösung aus und berechnete, wie sich eine Feuerwand vermeiden ließe. Demnach dürfte man die Verschränkung zwischen der Hawkingstrahlung und dem einfallenden Zwillingsteilchen erst dann unterbrechen, wenn sich das entweichende Teilchen bereits in einiger Distanz zum Ereignishorizont befindet. Denn so würde die freigesetzte Energie deutlich geringer ausfallen [10]. Diese Idee rettet zwar das Äquivalenzprinzip, doch einige Quantengesetze müssten geändert werden.
Auf dem Treffen am CERN beeindruckte die Teilnehmer vor allem, dass sich Giddings Modell vielleicht sogar testen ließe: Verschmelzen zwei Schwarze Löcher miteinander, sollen sie charakteristische Wellen in der Raumzeit erzeugen, die Gravitationswellendetektoren auf der Erde nachweisen könnten. Es gibt noch eine andere Möglichkeit, das Äquivalenzprinzip zu bewahren. Allerdings ist sie so umstritten, dass nur wenige es wagen, sie zu verfechten: Möglichweise lag Hawking vor all den Jahren doch richtig, und Informationen gehen in Schwarzen Löchern verloren. Ironischerweise brachte ausgerechnet Preskill, der Mann, der gegen Hawking wettete, diese Alternative vergangenes Jahr auf einem Workshop über Feuerwände auf. "Es ist erstaunlich, dass man nicht ernsthaft über diese Option nachdenkt – schließlich wirkt sie nicht verrückter als Feuerwände", sagt er. Sein Gefühl sagt ihm aber immer noch, dass die Information erhalten bleibt.
Dass Physiker sich davor scheuen, Hawkings alte Idee noch einmal zu überdenken, zeigt ihren immensen Respekt vor Maldacenas Werk: Sein Wörterbuch, das Gravitations- und Quantentheorie miteinander verknüpft, widerlegt offenbar den Informationsverlust. "Dies erlaubt den bislang tiefsten Einblick in die Gravitation, weil es sie mit Quantenfeldern verbindet", sagt Polchinski. Der Physiker vergleicht Maldacenas Resultat – das inzwischen knapp 9000-mal zitiert wurde – mit der Entdeckung im 19. Jahrhundert, dass eine einzige Theorie Licht, Elektrizität und Magnetismus verknüpft. "Wäre die Idee mit der Feuerwand in den frühen 1990er Jahren aufgekommen, ich glaube, sie wäre ein starkes Argument für den Informationsverlust gewesen", sagt Bousso. "Aber inzwischen spielt niemand mehr mit dem Gedanken, dass Maldacena falschliegt."
Die meisten Physiker würden ihm also in einer direkten Konfrontation mit Einstein den Rücken stärken. Maldacena fühlt sich dadurch geschmeichelt, glaubt aber nicht, dass es jemals dazu kommen wird. "Um das Feuerwand-Paradox vollständig zu verstehen, müssen wir das Wörterbuch vielleicht weiter ausarbeiten", sagt er, "aber verwerfen müssen wir es nicht." Dieses Problem dürfte auch in absehbarer Zeit nicht gelöst werden, nur darin sind sich bisher alle einig. Mit verschiedenen Strategien wollen sich Wissenschaftler der Feuerwand entledigen, doch in seinem Vortrag wies Polchinski bei allen Ansätzen auf Schwächen hin. "Ich bedaure es sehr, dass niemand die Feuerwand los wird", bemerkt er, "doch bitte versuchen Sie es auch weiterhin."
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