Vulkanismus: Feurige Vulkangeister und tierische Wissenschaftler
Dicke Rauchwolken steigen aus dem Krater des Vulkans Merapi in Zentraljava hervor. Aus Ritzen und Spalten quillt schon etwas Lava. In der vergangenen Woche ist der Lavadom um das zehnfache gewachsen. Gebannt schauen drei Millionen Menschen aus der Region Yogyakarta auf den Vulkan, dessen ebenmäßige Form direkt aus dem Vulkanbilderbuch zu stammen scheint, und fragen sich: Wann explodiert er?
Seit den 1930er Jahren steht der Merapi unter kontinuierlicher wissenschaftlicher Beobachtung. Heute ist der 2961 Meter hohe Feuerberg – so die deutsche Übersetzung des javanischen Namens – von einem dichten Messstationsnetz förmlich umlagert. Aber wann genau es knallt, dass können die Experten trotz modernster Meßmethoden nicht voraussagen. "Wir haben es schon erlebt, dass er 700 Mal am Tag bebt und dann wieder einschläft. Aber die Ursachen dafür kennen wir nicht", erklärt Merapi-Experte Birger Lühr vom Geoforschungszentrum Potsdam.
Wie bei einem Pickel
Unter den 129 Vulkanen Indonesiens gilt der Merapi als der rastloseste. Seit Anfang Mai ist den Experten klar: Er kommt bald. Die Spezialität des Merapi, ein so genannter Stratovulkan wie auch der Pinatubo auf den Philippinen oder der legendäre Krakatau, sind nuee ardens – heiße Wolken. Sie erreichen gut 700 Grad Celsius und können bis zu acht Kilometer hoch in die Atmosphäre steigen.
Ende einer Dynastie
Bei der Besatzung von Pos Kaliungang, einer der Überwachungsstationen am Merapi, ist bisher wegen des bevorstehenden Ausbruchs wenig Aufregung zu spüren. Auch nicht etwa Angst – obwohl die Station nur wenige Kilometer vom Gipfel des Vulkans entfernt in der Gefahrenzone liegt.
Wasser, Feuer und Luft
Die Menschen am Merapie gehen trotz der imminenten Gefahr in stoischer Gelassenheit ihrem Tagewerk nach. Erst wenn eine Ausbruchswarnung wirklich "sicher" ist, wären sie zur Evakuierung bereit. Bis dahin verlassen sie sich lieber auf natürliche Warnzeichen und – auf Marijan. Der 79 Jahre alte Mann lebt in dem Weiler Kinahrejo ganz weit oben auf dem Berg und dient, wie zuvor schon sein Vater, dem Sultan von Yogyakarta als spiritueller Wächter des Merapi samt seiner Geister und Dämonen.
Im Glauben der Javaner bildet der Vulkan eine Achse zwischen dem Meer und dem Kraton, dem Sultanspalast, in Yogyakarta. Das Meer repräsentiert hierbei das Element Wasser, der Vulkan Feuer und der Kraton Luft. Wird der Mittelpunkt dieser Achse gestört, so glaubt die Bevölkerung, dann reagiert der Merapi mit einem Ausbruch. Diese mythische Bedeutung des Bergs stammt noch aus jener Zeit, als die heute mehrheitlich moslemischen Javaner dem Animismus anhingen. Marijans vornehmste Aufgabe ist es, das jährliche Labuan-Fest zu organisieren, an dem der Sultan in einer prachtvollen Prozession mit Opfergaben zum Vulkan hinaufsteigt.
Allerdings habe durch die intensive Nutzung des Merapi für Landwirtschaft, Hausbau und andere Aktivitäten der Tierbestand drastisch abgenommen. Es sei auf jeden Fall besser, sich auf wissenschaftliche Daten zu verlassen. "Wir machen erstmalig alle unsere Daten öffentlich und können nur hoffen, dass die Menschen daraus die richtigen Schlüsse ziehen", betont Ratdomopurbo. "Wir Vulkanologen sind der Ersatz für die Tiere."
Wie bei einem Pickel
Unter den 129 Vulkanen Indonesiens gilt der Merapi als der rastloseste. Seit Anfang Mai ist den Experten klar: Er kommt bald. Die Spezialität des Merapi, ein so genannter Stratovulkan wie auch der Pinatubo auf den Philippinen oder der legendäre Krakatau, sind nuee ardens – heiße Wolken. Sie erreichen gut 700 Grad Celsius und können bis zu acht Kilometer hoch in die Atmosphäre steigen.
Der Seismologe Antonius Ratdomopurbo vom Vulkanforschungszentrum in Yogyakarta erklärt, wie die Wolken zustande kommen: Aus mindestens sechs Kilometern unter der Erdoberfläche steigt Magma empor, das beim Austreten Dome formt. Wird der Druck in diesen Domen zu groß, platzen sie. "Das ist wie bei einem Pickel", veranschaulicht Ratdomopurbo die Eruption. Durch die ungeheuere Wucht fliegen heiße Gesteinsbrocken durch die Luft, die beim Aufprall auf anderes Gestein Gase freisetzen und so die Glutwolke erzeugen. Aus den zerbrochenen Domen fließt dann zähflüssige, glühend heiße, gefährliche Lava den Berg hinunter. Bei dem letzten schweren Ausbruch 1994 rauschten zwei Millionen Kubikmeter ins Tal.
Etwa alle sieben Jahre ist der Feuerberg in den letzten 450 Jahren ausgebrochen. Der Merapi gehört damit zu den aktivsten Vulkanen der Welt und ist als einer der 16 Hochrisiko-Vulkane ein Lieblingskind der Vulkanforscher. "Durch die hohe Aktivität des Merapi haben wir die Chance, schnell neueste Methoden und Instrumente testen zu können", freut sich Ratdomopurbo.
"In Deutschland hat die Vulkanologie keinen Stellenwert"
(Birger Lühr)
Lühr ergänzt, die Merapi-Forschung ermögliche es den Experten, langfristige Risikoeinschätzungen eines Vulkans, mittelfristige Beobachtungsverfahren und kontinuierliche Echtzeit-Überwachung zu einem integrierten Frühwarnsystem zu verzahnen. Zum Einsatz kommen auch modernste Techniken wie die satellitengestützte Thermografie des Vulkandoms oder auch automatisierte Gasanalysen. Das Merapi-Projekt des Geoforschungszentrums musste jedoch 2002 nach fünfjähriger Laufzeit wegen fehlender Finanzierung eingestellt werden. "Bei uns in Deutschland hat die Vulkanologie keinen Stellenwert", klagt der Geophysiker. (Birger Lühr)
Ende einer Dynastie
Bei der Besatzung von Pos Kaliungang, einer der Überwachungsstationen am Merapi, ist bisher wegen des bevorstehenden Ausbruchs wenig Aufregung zu spüren. Auch nicht etwa Angst – obwohl die Station nur wenige Kilometer vom Gipfel des Vulkans entfernt in der Gefahrenzone liegt.
Dabei hatte der Vulkan in – geologisch – jüngster Vergangenheit durchaus verheerend gewütet. So hat der Ausbruch von 1006 vermutlich das Ende der seinerzeit herrschenden buddhistischen Sailendra-Dynastie eingeleitet. Riesige Mengen glühender Steine und heißer Sände begruben den nahe gelegenen buddhistischen Tempel Borobudur unter sich. Erst im 19. Jahrhundert hat der englische Forscher und spätere Gründer von Singapur, Sir Thomas Stamford Raffles, die bombastische Tempelanlage entdeckt und ausgegraben. Heute gehört Borobudur zum Weltkulturerbe.
"Es gibt selbst bei einem Ausbruch absolut sichere Plätze"
(Christian Awuy)
Für die Bauern, die unmittelbar an den Flanken des Vulkans leben und arbeiten, stellt der Feuerberg in erster Linie Heimat und Lebensgrundlage dar. Auch als Touristenattraktion dient der Merapi als eine wichtige Einnahmequelle für die Region. Christian Awuy ist richtig wütend auf die Behörden, die jegliches Vulkan-Trekking bis auf weiteres verboten haben. Der Veranstalter von Vulkanwandertouren betont: "Es gibt selbst bei einem Ausbruch absolut sichere Plätze. Von denen aus könnte man prima die Lava beobachten". Die über 350 Hotels und Restaurants am Merapi seien jetzt wie leergefegt. "Nach dem großen Ausbruch von 1994 hat es zwei Jahre gedauert, bis sich der Vulkantourismus von dem Einbruch erholt hat." (Christian Awuy)
Wasser, Feuer und Luft
Die Menschen am Merapie gehen trotz der imminenten Gefahr in stoischer Gelassenheit ihrem Tagewerk nach. Erst wenn eine Ausbruchswarnung wirklich "sicher" ist, wären sie zur Evakuierung bereit. Bis dahin verlassen sie sich lieber auf natürliche Warnzeichen und – auf Marijan. Der 79 Jahre alte Mann lebt in dem Weiler Kinahrejo ganz weit oben auf dem Berg und dient, wie zuvor schon sein Vater, dem Sultan von Yogyakarta als spiritueller Wächter des Merapi samt seiner Geister und Dämonen.
Im Glauben der Javaner bildet der Vulkan eine Achse zwischen dem Meer und dem Kraton, dem Sultanspalast, in Yogyakarta. Das Meer repräsentiert hierbei das Element Wasser, der Vulkan Feuer und der Kraton Luft. Wird der Mittelpunkt dieser Achse gestört, so glaubt die Bevölkerung, dann reagiert der Merapi mit einem Ausbruch. Diese mythische Bedeutung des Bergs stammt noch aus jener Zeit, als die heute mehrheitlich moslemischen Javaner dem Animismus anhingen. Marijans vornehmste Aufgabe ist es, das jährliche Labuan-Fest zu organisieren, an dem der Sultan in einer prachtvollen Prozession mit Opfergaben zum Vulkan hinaufsteigt.
Dem Seismologen Ratdomopurbo stehen ob solchen Aberglaubens die Haare zu Berge. Er räumt jedoch ein, dass sich aus dem Verhalten von Tieren Rückschlüsse auf einen kurz bevorstehenden Vulkansausbruch ziehen lassen: "Tiere reagieren sehr empfindlich auf Veränderungen im Magnetfeld."
Allerdings habe durch die intensive Nutzung des Merapi für Landwirtschaft, Hausbau und andere Aktivitäten der Tierbestand drastisch abgenommen. Es sei auf jeden Fall besser, sich auf wissenschaftliche Daten zu verlassen. "Wir machen erstmalig alle unsere Daten öffentlich und können nur hoffen, dass die Menschen daraus die richtigen Schlüsse ziehen", betont Ratdomopurbo. "Wir Vulkanologen sind der Ersatz für die Tiere."
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