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News: Fieberhafte Abkühlung

Binnen eines geologischen Wimpernschlags stiegen die globalen Temperaturen vor 55 Millionen Jahren um bis zu sieben Grad Celsius an. Während die einen glaubten, dass damit der Pflanzenwuchs in den Ozeanen gehemmt war, deuten neue Ergebnisse auf das Gegenteil hin. Den Pflanzen ging es offenbar besser als je zuvor, und schließlich waren sie es, die für die erneute Abkühlung der Erde sorgten.
Schon lange vor der heutigen Gefahr, im Treibhaus der Atmosphäre zu ersticken, war unser Planet von heftigen Hitzewellen erfasst. Einer dieser Fieberschübe suchte die Erde vor 55 Millionen Jahren heim, und bis zu ihrer Genesung dauerte es 150 000 Jahre. Dass sie wieder abkühlte, war offenbar die Folge eines explosionsartigen Wachstums mariner Pflanzen.

Der Temperaturanstieg um fünf bis sieben Grad Celsius erfolgte gleichsam von heute auf morgen – zumindest im Maßstab geologischer Zeiträume. Ob es Erdbeben waren oder die Eruption untermeerischer Vulkane, ist ungewiss, jedenfalls entließ der Meeresboden offenbar in kurzer Zeit große Mengen an Methan. Einmal in die Atmosphäre gelangt, wirkt Methan als Treibhausgas. Schließlich wird es zu Kohlendioxid oxidiert, das neben dem Wasserdampf bedeutsamste Ursache für den Treibhauseffekt ist. Da die globale Erwärmung in höheren Breiten eine stärkere Wirkung zeigte, kam es zu einem Ausgleich der Temperaturunterschiede zwischen Nord und Süd. Das hätte, so Birger Schmitz vom Department of Marine Geology der Göteborg University, die Folge, dass die globalen Windsysteme – und infolgedessen die Meeresströmungen – nachhaltig geschwächt würden. Der Nährstofftransport wäre vermindert, und das Leben in den Ozeanen hätte es immer schwerer.

Das Gegenteil ist war Fall, meint Santo Bains vom Department of Earth Sciences der University of Oxford. Er stieß in Sedimentkernen vom Meeresboden vor Florida und der Antarktis auf Hinweise, dass die Erwärmung für die marine Pflanzenwelt geradezu paradisiesische Umstände schuf. In den Sedimenten findet sich das Mineral Baryt, das auch Schwerspat genannt wird und ein Barium-Sulfat ist. Baryt ist ein wichtiger Indikator für die biogene Produktivität im Laufe der Erdgeschichte (Paläoproduktivität). Hohe Barytgehalte deuten auf ein Florieren der marinen Pflanzenwelt hin, und genauso scheint es während der Hitzewelle auch gewesen zu sein. Die Konzentrationen stiegen innerhalb kurzer Zeit um das Vierfache an (Nature vom 14. September 2000).

Dieser enge Zusammenhang zwischen der Klimaerwärmung und der Paläoproduktivität ist für Bains ein klarer Hinweis darauf, dass die steigenden Kohlendioxidgehalte in der Atmosphäre gleichsam wie Dünger auf die marine Pflanzenwelt wirkten. Infolge ihres ungebremsten Wachstums entzogen sie das Treibhausgas schließlich binnen kurzer Zeit wieder der Atmosphäre, wodurch es zu einer erneuten Abkühlung kam. Am Ende waren die Temperaturen sogar niedriger als vor Beginn der plötzlichen Erwärmung.

Birger Schmitz sieht in den Ergebnissen seines britischen Kollegen ein großes Potenzial für zukünftige Forschungen, denn noch bleiben viele Fragen ungeklärt. Wie funktionierte beispielsweise der Nährstofftransport, wenn die Meeresströmungen geschwächt waren? Eines jedenfalls steht fest, hier deutet sich kein Ausweg an, der uns vor einer zukünftigen Klimakatastrophe retten könnte. Immerhin benötigten die Pflanzen am Übergang vom Paläozän zum Eozän einige zehntausend Jahre, bis sie die Temperaturen zu senken vermochten, außerdem ist die Rate, mit der wir Kohlendioxid in die Atmosphäre entlassen, sehr viel höher, als es seinerzeit der Fall war.

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