Antibiotika: Fieser Anstrich
Viren sind anders - und so sollten auch Medikamente gegen Viren anders sein als gegen Bakterien. Das gilt allerdings nur solange, wie man sich auf feine Details konzentriert: Ist eher plumpe Gewalt angesagt, dann wird der Unterschied zwischen Viren und Bakterien schnell vernachlässigbar klein.
Antibiotika sind zweischneidige Schwerter. Zuerst scheinen sie umso hilfreicher, je tödlicher sie für allerlei Ansteckendes sind. Aber je tödlicher, desto schneller geschieht auch zuverlässig, was in den Jahrtausenden menschlicher Waffentechnologie noch immer passiert ist: Die Hand mit dem scharfen Schwert übertreibt, und prompt sorgen die uralten Mechanismen der Selektion dafür, dass unter den Bekämpften bald nur noch solche mit besonders guter, undurchdringlicher Rüstung zu finden sind. Mediziner nennen die Rüstung "Resistenz" und meinen damit den plötzlichen Erfolg irgendeines neuen biochemischen Wegs, über den sich die mit biologischen Waffen angegriffenen Keime zu entgiften gelernt haben.
Und so dreht sich die Rüstungsspirale: Immer schneller muss wieder ein neues Kampfmittel gegen Bakterien ein altes, früher hochwirksames, heute unbrauchbares Antibiotikum ersetzen. Leider sieht es so aus, als ob bei diesem Wettstreit die Keime oft fixer sind als die Antibiotika-Innovatoren findig. Zeit für ganz neue Wege, fanden Alexander Klibanov vom Massachusetts Institute of Technology und seine Kollegen: weg von der hochgezüchteten chemisch-biologischen Keule, hin zum guten, alten handfesten Schlitz-, Stech- und Schneidearsenal. Klibanov und Co wollen anstürmenden Bakterien seit einiger Zeit den Garaus durch eine Art Fallgrube mit tödlichem Nagelbettboden machen.
Die Kunst, so die Forscher, sei dabei eigentlich nur, die Nägel ausreichend klein, spitz und auch in der Mikrowelt der Bakterien wirklich gefährlich zu machen. Zum Glück stelle die Natur im chemischen Baumarkt auch ein ausreichendes Sortiment potenziell unangenehm pieksender Moleküle zur Verfügung – zum Beispiel in der Schublade "Polyethylenimine".
Der Grund dafür war nicht allein in der Chemie der PEI zu suchen, sondern in den Dimensionen des Anstrichs: Erst ab einer bestimmten Molekülgröße zeigen sich die Ketten tödlich. PEI wirken dabei nicht als Kontaktgift, erklären die Wissenschaftler, sondern durchbohren, wenn sie lang genug sind, die Membranhüllen und Zellwände der Bakterien im wahrsten Sinne des Wortes. Die dabei aufgerissenen Keime verlieren über das Leck dann die Kontrolle über ihr inneres Milieu und platzen schließlich.
Was die Forscher auf eine weitere Idee brachte. Speerspitzen, so ihr Kalkül, sollte es eigentlich egal sein, durch was sie sich bohren. Und so könnten die PEI-Ketten nicht nur Bakterien, sondern beispielsweise auch Influenza-Viren mit ihrer typischen, auch nicht unbedingt stabileren Hülle aus membranumhüllten Proteinen durchdringen. Sie testeten die Idee nun an Grippeviren, die sie auf eine PEI-beschichtete Oberfläche auftropften und anschließend zu vermehren versuchten.
Eindrucksvolles Resultat: Fast keines der offenkundig lädierten Viren war anschließend noch infektiös. Im Anschluss zeigte sich dann auch ein zweiter Virustyp tödlich beeindruckt – ebenso wie schon zuvor unterschiedliche gram-positive wie -negative Bakterien, deren Hüllen sich strukturell ja stark unterscheiden. Das Rezept für den antimikrobiellen Anstrich hängt besonders von Länge und der positiven Nettoladung der Molekülketten ab, berichten die Wissenschaftler nach weiteren akribischen Reihenuntersuchungen. Im Idealfall wirke das antivirale und bakterizide Totstech-Argument PEI zudem innerhalb von nur fünf Minuten.
Bleibt nur noch die Frage nach dem Alltagsnutzen des Antibiotika-Anstrichs. Theoretisch könnte er, aufgetragen auf allerlei Oberflächen, richtig nützlich werden, um die Ausbreitung von Viren und Bakterien zu stoppen, hoffen die Wissenschaftler optimistisch. Dass gegen den neuen Speer im Arsenal der Medizin bald auch eine neue Rüstung gefunden wird, ist zudem mehr als unwahrscheinlich: Die gesamte Außenhülle total umzubauen, um undurchdringlich für hydrophobe Penetratoren zu werden – auf die ein Durchschnittserreger in der Natur selten trifft –, sollte auch dem innovativsten Virus und Bakterium schwer fallen. Bleibt dann wohl nur noch die Frage des Preises. Die Forscherpioniere arbeiteten mit verzweigten Polyethyleniminen, von denen 100 Gramm für knapp 40 Euro zu bekommen sind. Vielleicht wird eine Massenproduktion für den flächendeckenden keimtötenden Anstrich ja billiger.
Und so dreht sich die Rüstungsspirale: Immer schneller muss wieder ein neues Kampfmittel gegen Bakterien ein altes, früher hochwirksames, heute unbrauchbares Antibiotikum ersetzen. Leider sieht es so aus, als ob bei diesem Wettstreit die Keime oft fixer sind als die Antibiotika-Innovatoren findig. Zeit für ganz neue Wege, fanden Alexander Klibanov vom Massachusetts Institute of Technology und seine Kollegen: weg von der hochgezüchteten chemisch-biologischen Keule, hin zum guten, alten handfesten Schlitz-, Stech- und Schneidearsenal. Klibanov und Co wollen anstürmenden Bakterien seit einiger Zeit den Garaus durch eine Art Fallgrube mit tödlichem Nagelbettboden machen.
Die Kunst, so die Forscher, sei dabei eigentlich nur, die Nägel ausreichend klein, spitz und auch in der Mikrowelt der Bakterien wirklich gefährlich zu machen. Zum Glück stelle die Natur im chemischen Baumarkt auch ein ausreichendes Sortiment potenziell unangenehm pieksender Moleküle zur Verfügung – zum Beispiel in der Schublade "Polyethylenimine".
Aus ihr hatten sich Klibanov und seine Mitstreiter schon vor einem Jahr bedient. Bei den untersuchten PEI handelt es sich, grob gesagt, um lang gestreckte, teils verzweigte Ketten aus wasserabweisenden Bestandteilen und einem positiv geladenen Bereich. Derlei ist in verschiedenen Versionen zusammenstrickbar – und je nach Art von Ketten, Seitenketten und Ladung der Anhängsel tatsächlich harmlos bis tödlich für verschiedene Bakterien, ermittelten die Chemiker. Viele Keime – sowohl harmlose Darmbewohner wie E. coli wie auch gefährliche, multiresistente Keime wie Staphylococcus aureus – die Klibanovs Team auf eine hydrophob und polykationisch überzogene Glasoberfläche aufgetropft haben, waren dadurch dem Untergang geweiht.
Der Grund dafür war nicht allein in der Chemie der PEI zu suchen, sondern in den Dimensionen des Anstrichs: Erst ab einer bestimmten Molekülgröße zeigen sich die Ketten tödlich. PEI wirken dabei nicht als Kontaktgift, erklären die Wissenschaftler, sondern durchbohren, wenn sie lang genug sind, die Membranhüllen und Zellwände der Bakterien im wahrsten Sinne des Wortes. Die dabei aufgerissenen Keime verlieren über das Leck dann die Kontrolle über ihr inneres Milieu und platzen schließlich.
Was die Forscher auf eine weitere Idee brachte. Speerspitzen, so ihr Kalkül, sollte es eigentlich egal sein, durch was sie sich bohren. Und so könnten die PEI-Ketten nicht nur Bakterien, sondern beispielsweise auch Influenza-Viren mit ihrer typischen, auch nicht unbedingt stabileren Hülle aus membranumhüllten Proteinen durchdringen. Sie testeten die Idee nun an Grippeviren, die sie auf eine PEI-beschichtete Oberfläche auftropften und anschließend zu vermehren versuchten.
Eindrucksvolles Resultat: Fast keines der offenkundig lädierten Viren war anschließend noch infektiös. Im Anschluss zeigte sich dann auch ein zweiter Virustyp tödlich beeindruckt – ebenso wie schon zuvor unterschiedliche gram-positive wie -negative Bakterien, deren Hüllen sich strukturell ja stark unterscheiden. Das Rezept für den antimikrobiellen Anstrich hängt besonders von Länge und der positiven Nettoladung der Molekülketten ab, berichten die Wissenschaftler nach weiteren akribischen Reihenuntersuchungen. Im Idealfall wirke das antivirale und bakterizide Totstech-Argument PEI zudem innerhalb von nur fünf Minuten.
Bleibt nur noch die Frage nach dem Alltagsnutzen des Antibiotika-Anstrichs. Theoretisch könnte er, aufgetragen auf allerlei Oberflächen, richtig nützlich werden, um die Ausbreitung von Viren und Bakterien zu stoppen, hoffen die Wissenschaftler optimistisch. Dass gegen den neuen Speer im Arsenal der Medizin bald auch eine neue Rüstung gefunden wird, ist zudem mehr als unwahrscheinlich: Die gesamte Außenhülle total umzubauen, um undurchdringlich für hydrophobe Penetratoren zu werden – auf die ein Durchschnittserreger in der Natur selten trifft –, sollte auch dem innovativsten Virus und Bakterium schwer fallen. Bleibt dann wohl nur noch die Frage des Preises. Die Forscherpioniere arbeiteten mit verzweigten Polyethyleniminen, von denen 100 Gramm für knapp 40 Euro zu bekommen sind. Vielleicht wird eine Massenproduktion für den flächendeckenden keimtötenden Anstrich ja billiger.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.