Ökologie: Fisch oder Fleisch
Märchen haben dem Wolf viel Leid beschert - porträtierten sie ihn doch immer wieder als blutrünstiges Monster, dass sich mit scharfen Zähnen an bemitleidenswerten Zicklein oder Rotkäppchen gütlich tut. Viel Hass und Verfolgung schlug dem Hundeverwandten deswegen entgegen. In der Realität zieht der Wolf aber durchaus auch eine leichte Fischmahlzeit der harten Jagd auf Wild vor.
Ein ganz besonderes Spektakel konnte die amerikanische Historikerin und Naturfreundin Betsy Downey im Frühling 2004 beobachten: Ein Rudel Wölfe hatte einen Hirschen im Bett des Soda Butte Creek im Yellowstone-Nationalpark gestellt und gerissen. Kaum hatten sie sich aber nach dem ersten Mahl an den Ufern zur Ruhe gelegt, trat ein Grizzly auf den Plan, der es auf den Kadaver abgesehen hatte – sehr zum Widerwillen des Alpha-Wolfs. Immer wieder versuchte das Männchen, selbst wieder an das Fleisch des toten Tiers zu gelangen, doch selbst mit Unterstützung anderer Rudelmitglieder, konnten es den Bären nicht mehr vertreiben. Triumphierend schlug er sie in die Flucht und versenkte schließlich genüsslich selbst sein Haupt im Aas.
Vielleicht nicht ganz die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub, aber Alternativen, die sowohl die nötigen Kalorien zum Überleben liefern als auch ungefährlich zu erbeuten sind, würden wohl trotzdem gerne genommen werden. So wie von jenen acht Wolfsrudeln von Bella Bella, einem wild zerklüfteten Küstenabschnitt von British Columbia: Sie haben sich eine derartige Quelle erschlossen, wie Chris Darimont von der kanadischen University of Victoria und seine Kollegen beobachteten.
Die Raubtiere begnügen sich dabei keineswegs mit tot angeschwemmten Fischen, sondern fangen sie sogar aktiv im flachen Wasser – verglichen mit der Hatz nach Huftieren im dichten Wald ein deutlich leichteres und vor allem sicheres Unterfangen. Kein Wunder also, dass sie sich den Schuppenträgern zuwenden, obwohl Wild auch im Herbst keinesfalls selten ist. Und auch rein energetisch lohnt sich der Fang von Oncorhynchus nerka, dem Rotlachs des Pazifischen Nordwestens: Er ist so gehaltvoll, dass ein durchschnittlicher Wolf jeden Tag nur rund 600 Gramm Fisch benötigt, um seinen Bedarf zu decken, statt wie sonst dafür 2,7 Kilogramm Fleisch zu verzehren.
Daneben profitiert das Ökosystem vom Nahrungswechsel. Wie die ebenfalls Lachse fressenden Bären sorgen die Wölfe direkt und indirekt für einen Nährstofftransfer aus dem Fluss in die angrenzenden Auen und Wälder: Sie verschleppen tote Fische ins Gebüsch, wo sie anschließend verwesen, oder düngen die Vegetation über ihren Kot und Urin mit lebensnotwendigen Stickstoffen und Phosphorverbindungen. Und weil sie mehr vom Fisch übriglassen als Grizzlys oder Schwarzbären begünstigen sie Krähen, Kojoten und andere Zweitverwerter ebenfalls stärker.
Ganz risikolos ist die Lachskost für Wölfe jedoch nicht: Das Bakterium Neorickettsia helminthoeca befällt häufig Lachsparasiten und tötet bei übermäßigem Verzehr die Räuber. Immer wieder geraten sie mit den ebenfalls zahlreich zur Fisch-Hausse strömenden Bären in Konflikt, die ihre besten Angelreviere wie den äußerst ergiebigen Neekas-Fluss nicht teilen wollen. Die Wölfe meiden deshalb diese Gebiete, bemerkte Darimonts Team.
Wolfsschicksal. Denn wo die Natur noch intakt ist und Isegrim zusammen mit Bären durch die Wildnis streift, muss er damit rechnen, dass die stärkeren Petze ihm das mühevoll erlegte Wild abnehmen und selbst verzehren. Dabei riskiert Canis lupus auf der Jagd selbst einiges: Hirsche stellen sich mit ihrem Geweih zum Kampf, Gabelböcke können ihn mit Huftritten verletzen, ein Bison ihn niedertrampeln. Harmlosere Beute wie Hasen, Präriehunde oder Erdhörnchen halten dagegen allenfalls als Zwischenmahlzeit her.
Vielleicht nicht ganz die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub, aber Alternativen, die sowohl die nötigen Kalorien zum Überleben liefern als auch ungefährlich zu erbeuten sind, würden wohl trotzdem gerne genommen werden. So wie von jenen acht Wolfsrudeln von Bella Bella, einem wild zerklüfteten Küstenabschnitt von British Columbia: Sie haben sich eine derartige Quelle erschlossen, wie Chris Darimont von der kanadischen University of Victoria und seine Kollegen beobachteten.
Immer wenn im Herbst die Lachse den Pazifischen Ozean verlassen, um zu ihren Laichgründen im urigen Waldland des kanadischen Westens zu wandern, vergessen die Wölfe ihren Jagdtrieb auf Schwarzwedelhirsche (Odocoileus hemionus), denen sie während des restlichen Jahres permanent nachstellen. Stattdessen versammeln sie sich an den Ufern der Bäche und Flüsschen, um Fische zu fressen: Bis zu 70 Prozent ihrer Diät können die mit Fetten vollgepackten Lachse dann ausmachen – ansonsten dominieren die Hirsche den Speiseplan zu mehr als neun Zehnteln.
Die Raubtiere begnügen sich dabei keineswegs mit tot angeschwemmten Fischen, sondern fangen sie sogar aktiv im flachen Wasser – verglichen mit der Hatz nach Huftieren im dichten Wald ein deutlich leichteres und vor allem sicheres Unterfangen. Kein Wunder also, dass sie sich den Schuppenträgern zuwenden, obwohl Wild auch im Herbst keinesfalls selten ist. Und auch rein energetisch lohnt sich der Fang von Oncorhynchus nerka, dem Rotlachs des Pazifischen Nordwestens: Er ist so gehaltvoll, dass ein durchschnittlicher Wolf jeden Tag nur rund 600 Gramm Fisch benötigt, um seinen Bedarf zu decken, statt wie sonst dafür 2,7 Kilogramm Fleisch zu verzehren.
Angesichts der herbstlichen Lachsschwemme können die Tiere sich sogar als Feinschmecker gerieren und nur die Fischköpfe fressen, die besonders fettreich sind: Die vor allem im Hirn und den Augen der Fische enthaltenen Omega-3-Fettsäuren – sie sind von kritischer Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Nervensystems – decken den größten Teil des Wolfsbedarfs. Und da sich das Rudel zudem kaum bewegen muss, um Nahrung zu finden, sinkt entsprechend ihr Energieverbrauch: Selbst wenn sie ausschließlich die Häupter der Lachse zu sich nähmen, kämen sie mit nur rund 4,5 Lachsen täglich aus, kalkulieren die Biologen.
Daneben profitiert das Ökosystem vom Nahrungswechsel. Wie die ebenfalls Lachse fressenden Bären sorgen die Wölfe direkt und indirekt für einen Nährstofftransfer aus dem Fluss in die angrenzenden Auen und Wälder: Sie verschleppen tote Fische ins Gebüsch, wo sie anschließend verwesen, oder düngen die Vegetation über ihren Kot und Urin mit lebensnotwendigen Stickstoffen und Phosphorverbindungen. Und weil sie mehr vom Fisch übriglassen als Grizzlys oder Schwarzbären begünstigen sie Krähen, Kojoten und andere Zweitverwerter ebenfalls stärker.
Ganz risikolos ist die Lachskost für Wölfe jedoch nicht: Das Bakterium Neorickettsia helminthoeca befällt häufig Lachsparasiten und tötet bei übermäßigem Verzehr die Räuber. Immer wieder geraten sie mit den ebenfalls zahlreich zur Fisch-Hausse strömenden Bären in Konflikt, die ihre besten Angelreviere wie den äußerst ergiebigen Neekas-Fluss nicht teilen wollen. Die Wölfe meiden deshalb diese Gebiete, bemerkte Darimonts Team.
Daher lohnt es sich, weitere Optionen in petto zu haben, wie ein Filmteam der britischen BBC im letzten Sommer in der kanadischen Arktis entdeckte: Dort begaben sich die schlauen Jäger ins Wasser, um schwimmend jungen Schneegänsen nachzustellen – erfolgreich, wie die Reporter mit weltweit einmaligen Filmaufnahmen belegen konnten. Statt Wild oder Fisch darf es manchmal also auch Geflügel sein.
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