Kleine Fische: Laut wie ein Düsentriebwerk und nur einen Zentimeter lang
Für ihre Winzigkeit von zehn bis zwölf Millimeter Länge können die Fischchen der Art Danionella cerebrum ordentlich Krach machen. Bis zu 140 Dezibel starke Laute produzieren die Männchen. Dazu nutzen die transparenten Wassertiere einen speziellen, bislang unbekannten Mechanismus, wie ein Wissenschaftlerteam um Verity Cook von der Charité in Berlin im Fachblatt »PNAS« berichtet. D. cerebrum verfügt über Muskeln, die eine Fischrippe unter Spannung bringen. Die Rippe zerrt dann an einem speziellen Trommelknorpel. Löst sich die Spannung, schnalzt der Knorpel auf die Schwimmblase und es entsteht ein kurzer, lauter Knall. Vermutlich nutzen die Männchen die Laute, um in ihren heimischen, trüben Gewässern mit der eigenen Art zu kommunizieren. Möglicherweise gelten die Töne vor allem rivalisierenden Geschlechtsgenossen, schreiben die Fachleute in »PNAS«.
Mit Hilfe von Aufnahmen einer Hochgeschwindigkeitskamera und der Mikrocomputertomografie sowie RNA-Analysen gelang es dem Forscherteam, dem Mechanismus der in Myanmar heimischen Fische auf die Spur zu kommen. »Dieser winzige Fisch kann Töne von über 140 Dezibel in einer Entfernung seiner Körpergröße [also etwa zehn bis zwölf Millimetern] erzeugen«, erklärt Koautor Ralf Britz von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden. »Das ist vergleichbar mit der Lautstärke, die man als Mensch in 100 Meter Entfernung beim Start eines Flugzeugs empfindet und ziemlich ungewöhnlich für ein Tier solch geringer Größe«, so der Ichthyologe gemäß einer Pressemitteilung. Die Fische seien in der Lage, den Knorpel mit Beschleunigungen von mehr als 2000 g zu bewegen, auf die Schwimmblase schnalzen zu lassen und einen lauten Impuls zu erzeugen. »Diese Impulse werden aneinandergereiht, um Rufe mit entweder beidseitig abwechselnden oder einseitigen Muskelkontraktionen zu erzeugen«, erklärt Britz.
Dass der Mechanismus verhältnismäßig komplex aufgebaut ist, hängt womöglich mit den Muskeln zusammen. Wie die Forschergruppe in ihrer Studie betont, sind bei Wirbeltieren die Bewegungen normalerweise durch die Muskelgeschwindigkeit begrenzt. Die Muskeln von D. cerebrum würden allerdings einige Besonderheiten aufweisen: So erlaube der geringe Durchmesser der Muskelfasern, dass ihre krafterzeugenden Proteinfilamente sehr effektiv mit energieliefernden Molekülen versorgt werden. Folglich könnten die Muskeln schneller kontrahieren. Zudem stecken mehr Mitochondrien in den Zellen der Trommelmuskeln, also mehr »Kraftwerke«. Dadurch steht mehr Energie zu Verfügung, weshalb die Trommelmuskeln kaum ermüden.
Auf diese Weise erzeugen die Fische dauerhafte Tonreihen mit einer Frequenz von 60 bis 120 Hertz. Weil mehr Mitochondrien mehr Platz brauchen, seien die Muskeln so organisiert, dass sie auf Kraft statt Geschwindigkeit setzen, heißt es in der Studie. »Dies könnte erklären, warum D. cerebrum seine Muskelkraft nicht direkt nutzt, um die Schwimmblase in Schwingung zu versetzen, sondern stattdessen einen indirekten Mechanismus, der mehr Kraft ausüben und so einen lauteren Puls erzeugen kann«, schreibt die Gruppe um Cook in »PNAS«.
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