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News: Fischen in der Vergangenheit

Im Winter unendliche Weiten grünen Grases, im Sommer ein See ohne Ufer - in den Überschwemmungssavannen im Einzugsgebiet des Amazonas bestimmt der Wechsel zwischen nass und trocken alles Leben. Die Landbesitzer heute nutzen die Fläche meist nur als Viehweide. Doch die Ureinwohner waren da offensichtlich einfallsreicher: Erdwälle lassen vermuten, dass sie das ganze Gebiet in eine riesige Fischfarm umgewandelt haben.
Das Amazonastiefland gilt als eine der artenreichsten Regionen unserer Erde. Für den Menschen jedoch scheint die Gegend eher wenig geeignet zu sein, denn die Böden sind karg und schnell ausgelaugt, sodass Ackerbau, wie wir ihn kennen, kaum möglich ist. Noch dazu sind weite Bereiche bis zu einem halben Jahr lang überschwemmt – wie also sollen sich die Bewohner dort ernähren?

Lange Zeit hielten Wissenschaftler darum die Ureinwohner für Nomaden, die als Jäger und Sammler durch die Wälder und Savannen ziehen. Doch die Menschen in Baures, einem Gebiet im heutigen bolivianischen Grenzgebiet zu Brasilien, machten sich die alljährliche Überflutung offenbar sehr geschickt zu Nutzen: Sie legten ein weit gespanntes Netz aus niedrigen Dämmen an, mit denen sie die Landschaft in eine riesige Aquakultur-Anlage verwandelten (Nature vom 9. November 2000).

Schon seit den 50er Jahren kennen Forscher die zickzack-förmigen Erdwälle, die gerade einmal ein bis zwei Meter breit und 20 bis 50 Zentimeter hoch sind. Alle 10 bis 30 Meter wechseln sie die Richtung, und insgesamt erstrecken sie sich über eine Länge von 1515 Kilometern. An den Spitzen befinden sich trichterförmige Öffnungen von ein bis zwei Meter Breite, die mit kleinen künstlich angelegten Teichen verbunden sind. Ein verkohltes Holzstückchen an der Basis eines Damms ist einer Radiokarbonmessung zufolge etwa 315 Jahre alt. Damit stammen die Strukturen wahrscheinlich aus einer Zeit, als die spanischen Eroberer die Region noch nicht unterworfen hatten – denn sie kontrollierten das Gebiet erst ab etwa 1708.

Als Transportwege, wie sie zwischen verschiedenen höher gelegenen Waldinseln in der Überschwemmungssavanne ebenfalls bestehen, wären die Wälle ungeeignet. Auch dienten sie anscheinend nicht als Schutz vor Hochwasser, um auch bei hohem Wasserstand noch Ackerbau zu ermöglichen, denn es sind keine Ackerterrassen oder Furchen zu erkennen. Nach einem Rundflug über das Gebiet und intensiven Untersuchungen kam Clark L. Erickson vom Department of Anthropology der University of Pennsylvania daher zu dem Schluss: Es handelt sich um Fischwehre. Denn während der Regenzeit, von November bis April, wandern die Fische aus den Flüssen in die überfluteten Regionen ein, um zu laichen. Viele davon bleiben in Tümpeln zurück, wenn das Wasser wieder abfließt.

Die trichterförmigen Öffnungen dienten den Menschen offenbar als eine Art Reuse, mit denen sie die Fische in die Teiche treiben konnten. Und damit waren sie gut versorgt, denn die Fischereiwirtschaft in flachen Teichen tropischer Savannen kann bis zu 1000 Kilogramm pro Hektar einbringen. Einige der bis zu zwei Meter tiefen und im Durchmesser 10 bis 30 Meter großen Becken trocknen nie aus, sodass sie nicht nur als Fischteich geeignet sind, sondern auch als Jagdplatz, denn in den Trockenzeiten sammeln sich dort zahlreiche Tiere an. Noch dazu ist in den seichten Tümpeln die tropische Schnecke Pomacea gigas sehr häufig, welche die Eingeborenen früher ebenfalls verzehrten, denn ihre Schalen sind in vielen präkolumbischen Stätten Boliviens und Brasiliens zu finden. Auf den Erdwällen wächst vor allem die Palme Mauritia flexuosa, die eine reichliche Ernte an essbaren Früchten bringt. Aus ihren Fasern flechten die Menschen Körbe und Hängematten, schneiden Sehnen für Bögen oder decken damit die Dächer ihrer Hütten. Vielleicht pflanzten auch ihre Vorgänger diese Art bereits bewusst auf den Dämmen an.

Solche künstlichen Fischreusen sind nicht nur von Ureinwohnern Boliviens, sondern aus ganz Südamerika bekannt. Meistens jedoch errichten die Menschen die Dämme in Flüssen oder Teichen, und das jedes Jahr aufs Neue. Erickson geht daher davon aus, dass die Erdwälle in der Überschwemmungssavanne nicht nur dem Fischfang dienten, sondern die Bewohner von Baures damit auch die Wasserversorgung regulierten. Viele der Wälle legten wahrscheinlich die Einwohner kleiner Dörfer an, die sie dann auch pflegten. Doch die Strukturen erstrecken sich zudem von einer Waldinsel zur nächsten. Da wahrscheinlich auf den Inseln verschiedene Gemeinschaften lebten, mussten sich die Bewohner untereinander koordinieren – Anzeichen für Allianzen und Rivalitäten.

Indem die Bewohner ihre Landschaft wie eine riesige Aquakultur-Anlage gestalteten, könnten sie dort selbst in einer ziemlich hohen Bevölkerungsdichte gelebt haben – denn sie hatten ausreichend Nahrung, die sie gut "speichern" konnten. Und das in einem Gebiet, von dem heute viele annehmen, dass es zu kaum mehr als Rinderzucht geeignet ist.

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