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Primatenforschung: Fleischeslust

Welche Männchen finden Schimpansinnen sexuell unwiderstehlich? Und warum schenken Schimpansen manchen, aber nicht allen Weibchen selbstlos ein Stückchen vom mühsam erjagten Beutefleisch? Beide Fragen haben eine gemeinsame Antwort, meinen deutsche Affenforscher.
Schimpansenmann Sagu mit Jagdbeute
Auch unter Schimpansen verstehen sich nicht alle im sozialen Grüppchen gleich gut. Schimpansenweibchen suchen sich zum Bespiel gerne ganz bestimmte männliche Lieblingspartner zum geschlechtlichen Tête-à-Tête – und wählen dabei nach nicht ganz durchschaubaren Kriterien. Aber auch Männchen verteilen ihre Gunst nicht gleichmäßig: Nur manche Weibchen erhalten großzügig vom Fleisch, das der Schimpanse zuvor mühsam erjagt hat, während andere Schimpansinnen leer ausgehen.

Zufriedenes Affenweibchen Kinshasa | Das Schimpansenweibchen Kinshasa und ihr Junges Kirikou werden heute satt: Der Affenmann Utan hat die Mutter vor ein paar Minuten mit einem Teil seiner Jagdbeute versorgt. Primatenforscher vermuten, dass Kinshasa sich solche Gunstbeweise von Utan durch sexuelle Zuwendungen erschmeichelt.
Forscher vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie erinnerte dieses wählerische Geschlechterverhalten der Schimpansen an Studien in menschlichen Jäger-und-Sammler-Gesellschaften: Sie hatten darauf hingedeutet, dass erfolgreiche Jäger mehr Frauen und somit auch mehr Nachwuchs haben. Auf Grund dieser Beobachtungen entstand die "Fleisch-gegen-Sex-Hypothese", der zufolge Männchen und Weibchen eine Art Tauschgeschäft eingehen.

Bisher wurden jedoch sowohl bei Menschen als auch bei Schimpansen nur wenige Hinweise gefunden, die diese Annahme unterstützen. Cristina M. Gomes und Christophe Boesch vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie ist dies nun im Taï-Nationalpark an der Elfenbeinküste gelungen. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass Weibchen häufiger mit den Männchen kopulierten, die wenigstens einmal ihre Jagdbeute mit ihnen geteilt hatten. Männchen, die nie von ihrer Beute abgaben, gingen hingegen leer aus. Ein Tausch von "Fleisch gegen Sex" scheint sich also auf den Paarungserfolg der Männchen günstig auszuwirken.

"Frei lebende Schimpansen tauschen Fleisch gegen Sex"
(Cristina Gomes)
Nicht in die Datenauswertung gingen Paarungen mit Weibchen ein, die sich im Östrus, der Zeit des Eisprungs, befanden. Mit diesen Weibchen teilen die Männchen generell gerne ihre Jagdbeute. Dennoch zeigte sich ein Zusammenhang zwischen dem männlichen Paarungserfolg und dem Teilen der Beute. Das bedeutet, dass kurzfristige "Tauschgeschäfte" allein (etwa während der Östrusphase des Weibchens) den Zusammenhang zwischen dem Teilen von Fleisch und Kopulationserfolg nicht erklären können. Denn der Austausch muss über einen längeren Zeitraum verlaufen. Darüber hinaus erhalten Weibchen selbst dann Fleisch, wenn die letzte Kopulation mit dem erfolgreichen Jäger schon längere Zeit zurücklag.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass frei lebende Schimpansen Fleisch gegen Sex tauschen, auch über einen längeren Zeitraum hinweg", sagt Cristina Gomes. "Männchen, die mit Weibchen ihre Jagdbeute teilen, verdoppeln ihren Paarungserfolg. Weibchen, denen es schwer fällt, selbst zu jagen, können ihre Kalorienaufnahme erhöhen, ohne sich dem hohen Energieverbrauch und Verletzungsrisiko einer Jagd aussetzen zu müssen."

Utan versorgt Kinshasa mit Fleisch | Der erwachsene Utan hat einen Stummelaffen erbeutet – er wird dem bettelnden Schimpansenweibchen Kinshasa einen Teil des Fleisches überlassen. Das Weibchen wird ihm dies durch sexuelles Entgegenkommen vergelten – ein Beleg für die "Fleisch-gegen-Sex-Hypothese", der zufolge Männchen und Weibchen eine Art Tauschgeschäft eingehen.
Möglicherweise haben frühere Studien keinen Zusammenhang zwischen dem Paarungserfolg und dem Teilen der Jagdbeute finden können, "weil sexuelle Begegnungen zwischen Männchen und Weibchen nur über einen kurzen Zeitraum hinweg beobachtet und dokumentiert wurden", fügt sie hinzu. "Ein anderer Grund wäre, dass in den beobachteten Schimpansengruppen nur wenige Weibchen vorhanden waren und die Männchen sich daher mittels Nötigung Zugang zu ihnen verschafften."

"Es gibt mehr und mehr Hinweise darauf, dass Schimpansen auch Vergangenheit und Zukunft in ihr Denken einschließen und dass dies ihr Verhalten in der Gegenwart bestimmt", sagt Christophe Boesch. (mpg/jo)
  • Quellen
Gomes C.M., Boesch, C.: Wild Chimpanzees Exchange Meat for Sex on a Long-Term Basis. In: Public Library of Science One 4(4): e5116, 2009.

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