Blinder Zwergbilch: Flinker Klettern dank Echoortung?
"Typhlomys", die blinde Maus – der Gattungsname des Vietnamesischen Zwergbilchs Typhlomys chapensis kommt nicht von ungefähr: Das Tier hat winzige Augen und ist tatsächlich so gut wie blind. Dennoch flitzt es behände von Ast zu Ast. Wie es das macht, wollen nun russische Forscher um Aleksandra Panyutina von der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau herausgefunden haben. Demnach könnten die Bilche Ultraschallrufe nutzen, um sich ein Bild der Umgebung zu machen.
Das haben die Forscher an zwei Exemplaren der sehr seltenen Tierart im Moskauer Zoo beobachtet. Während die Zwergbilche ihre Käfige inspizierten, filmten Panyutina und Kollegen das Geschehen und zeichneten mit einem empfindlichen Mikrofon alle Lautäußerungen auf. Tatsächlich stießen die Bilche immer wieder charakteristische, wenn auch nur schwache Ultraschallrufe aus. Die beiden Männchen riefen häufiger, wenn sie in Bewegung waren, als wenn sie auf der Stelle verharrten – für die Forscher ein Beleg, dass das Rufen einen Zweck bei der Fortbewegung erfüllte.
Die akustische Gestalt der Rufe ähnele zudem den Lautäußerungen mancher Fledermausarten, schreiben sie. Es handle sich um Abfolgen von bis zu sieben in rascher Folge und mit gleich bleibendem Abstand ausgestoßenen Verläufen aufsteigender Frequenz.
Einen wirklich eindeutigen Nachweis haben sie in ihrer aktuellen Veröffentlichung allerdings nicht geliefert. Zu den Schwächen ihrer Untersuchung zählt, dass die Aufzeichnungen tagsüber stattfanden, obwohl die Zwergbilche eigentlich nachtaktiv sind. Auch ob die Tiere tatsächlich das Echo ihrer Ultraschallrufe wahrnehmen, klärten Panyutina und Kollegen nicht.
Dennoch ist das Team von den eigenen Schlussfolgerungen überzeugt. Die Anatomie der Augen, die sie durch Sektion von zwei Museumsexemplaren ermittelten, sei schlicht nicht dafür geeignet, einen genauen Eindruck der Umgebung zu liefern. So erschien die Netzhaut unter dem Mikroskop stark gefaltet, auch der Sehnerv sei zurückgebildet gewesen. Dass die kleinen Bilche dennoch so flink durch den Käfig turnten, könne man kaum anders als mit Hilfe von Echoortung erklären.
Typhlomys chapensis ist eine mit dem weiter verbreiteten Chinesischen Zwergbilch T. cinereus nah verwandte Art der Stachelbilche, die nachtaktiv versteckt im Unterholz und auf Bäumen im Norden Vietnams lebt. Über die genaue Lebensweise der auch Schlafmäuse genannten, kaum zehn Zentimeter großen Tiere ist nur wenig bekannt. Sollte sich bestätigen, dass sie sich durch Ultraschall orientieren, würde dies auch einen Hinweis auf die Evolutionsgeschichte der Fledermäuse geben. Experten sind sich uneins, ob diese erst zu fliegen begannen und dann auf Echoortung setzten oder umgekehrt. Dass ein Baumbewohner einer ganz anderen Abstammungslinie sich ebenfalls mit Lauten orientiert, spricht dafür, dass diese Fähigkeit bei den noch nicht flugfähigen Fledermausvorfahren ebenfalls ausgebildet gewesen sein könnte.
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