Paläoklima: Flüchtige Vorboten
Eisige Zeiten kommen und gehen - oder bleiben. Wie in der Antarktis: Vor 34 Millionen Jahren bildeten sich dort die Eispanzer, und sie halten sich bis heute. Die nördlichen Polarregionen erwischte das Kühlhausklima dagegen erst Millionen Jahre später. Oder nicht?
Welch eine Talfahrt: Vor 55 Millionen Jahren, im frühen Eozän, war das Klima auf unserem Planeten gemütlich feuchtwarm bis tropisch, und Arktis und Antarktis ächzten noch nicht unter ausgedehnten Eismassen. Nur zwanzig Millionen Jahre später herrschte das Kühlhausklima des Oligozäns, die Kohlendioxidkonzentrationen in der Atmosphäre lagen am Boden, und der Südpol bekam sein weißes Gesicht. Der Norden ließ sich damit etwas mehr Zeit, so die verbreitete Ansicht, erste Gletscher und Eisdecken traten hier wohl vor zehn bis sechs Millionen Jahren auf. Reste davon blieben hie wie dort bis heute.
Es war nicht die erste Eiszeit unseres Planeten, und es wird vielleicht auch nicht die letzte sein – je nachdem, wie sich unser momentanes menschgemachtes Treibhaus weiter entwickelt. Aber spannend bleibt die Frage: Wie rutscht unser Planet in Tiefkühlverhältnisse, und wie kommt er wieder heraus? War es wirklich nur ein Kellersturz oder eher ein langsames Trudeln in die Eistruhe?
Anhand von Sedimentbohrkernen versuchen Forscher wie Aradhna Tripati von der Universität Cambridge und ihre Kollegen Antworten zu finden. Allerdings ist die Datenlage für die fragliche Periode aus verschiedenen Gründen ausgesprochen mager: Bisher gab es nur zwei passende Sedimentsequenzen. Tripati und ihr Team präsentieren nun eine dritte – und eine überraschende Schlussfolgerung.
Um das vergangene Klima zu rekonstruieren, verlassen sich Wissenschaftler gern auf das Verhältnis verschiedener Isotope zueinander, weil ihre Schwankungen auch Veränderungen in den Umgebungsbedingungen wiedergeben. Beispielsweise Sauerstoff: Wenn Wasser über den Meeren verdunstet, nimmt es im Vergleich mehr des leichteren 16O mit, als im Meerwasser zurückbleibt. Und das Aussieben geht noch weiter: Auf dem Weg in die hohen Breiten regnen sich mehr schwere 18O-Isotope ab als leichte – in Richtung Pole nimmt der relative Anteil der leichten Isotope also kontinuierlich zu. Wenn nun im Rahmen einer Eiszeit zunehmend Wasser in Eis gebunden wird und nicht mehr über den globalen Wasserkreislauf in die niedrigen Breiten zurückkehrt, sinkt zum einen der Meeresspiegel – und zum anderen steigt der relative Anteil von 18O im Meerwasser, da dessen Rückkehr über Niederschläge in die Ozeane noch funktioniert. Und dies wiederum spiegelt sich in den Kalkschalen von Organismen wider, die sich in den Sedimenten finden.
Und noch eine weitere Größe gibt Auskunft über den Meeresspiegel: Die Kalkkompensationstiefe – jene Wassertiefe, in der sich der Kalknachschub von oben und die Kalklösung im Wasser gerade die Waage halten. Senkt sich nun der Spiegel, und die Flachmeerbereiche fallen trocken, fehlt der Karbonatnachschub aus diesen Gebieten. Dies hat nun zur Folge, dass auch die Kompensationstiefe nach unten nachgibt und sich in Sedimentbohrkernen daher plötzlich noch Kalkschalen finden, wo sie zuvor fehlten.
Womit wir zu der Überraschung kommen: Das bislang gängige Bild von einem stabil warmen Klima, das schließlich recht plötzlich in die Eiszeit rutschte, stimmt wohl nicht. Denn den Ergebnissen der Wissenschaftler zufolge dürften die Thermometer im Eozän eher kräftige Sprünge verzeichnet haben – und zwar so kräftige, dass offenbar bereits mehrere vorübergehende Kaltphasen in die behaglichen Zeiten schmuggelten. Eine davon, vor etwa 42 Millionen Jahren, wuchs sich sogar zu einer richtig ordentlichen Eiszeit heraus, die nicht nur der Antarktis, sondern auch der Arktis Eisbedeckung bescherte.
Eis in der Arktis – schon so früh? Das wiederum widerspricht nun wirklich der allgemeinen Forschermeinung. Doch Tripati und ihre Kollegen präsentieren eine durchaus plausible Erklärung: Die Hebung des Himalajas und damit riesige frische Oberflächen für Kohlendioxid zehrende Erosion hätten die Konzentrationen des Treibhausgases massiv angekratzt. Weniger CO2 in der Atmosphäre jedoch bedeutet kühlere Temperaturen – gute Voraussetzung, eine Eiszeit einzuleiten. Den Werten der Forscher zufolge ging es dabei um Größenordnungen von sechs Grad Celsius und eine Meeresspiegelabsenkung von bis zu 150 Metern. Um eine solche Menge an Wasser in Eismassen zu binden, reicht die Antarktis aber nicht aus – es müssen sich also auch im Norden Eisdecken gebildet haben, folgern die Wissenschaftler.
Und warum kehrte unser Planet im Eozän doch immer wieder in warme Zeiten zurück, bevor er im Oligozän schließlich langfristig im Eis versank? Möglich, dass nun die Pflanzen ins Geschehen eingriffen, erklären Tripati und Co: Eine verstärkte Fotosynthese – aus welchen Gründen auch immer – könnte zusätzlich die Kohlendioxid-Vorräte der Atmosphäre geplündert und somit den kalten Status quo gesichert haben. Vielleicht reichten dann die üblichen Kandidaten für ein Ende eisige Zeiten – Treibhausgasfreisetzung aus Vulkaneruptionen oder Methanmobilisierung, günstigere Erdbahnparameter für die Sonneneinstrahlung – nicht mehr aus, die Erde dem Kalthaus zu entreißen.
Es war nicht die erste Eiszeit unseres Planeten, und es wird vielleicht auch nicht die letzte sein – je nachdem, wie sich unser momentanes menschgemachtes Treibhaus weiter entwickelt. Aber spannend bleibt die Frage: Wie rutscht unser Planet in Tiefkühlverhältnisse, und wie kommt er wieder heraus? War es wirklich nur ein Kellersturz oder eher ein langsames Trudeln in die Eistruhe?
Anhand von Sedimentbohrkernen versuchen Forscher wie Aradhna Tripati von der Universität Cambridge und ihre Kollegen Antworten zu finden. Allerdings ist die Datenlage für die fragliche Periode aus verschiedenen Gründen ausgesprochen mager: Bisher gab es nur zwei passende Sedimentsequenzen. Tripati und ihr Team präsentieren nun eine dritte – und eine überraschende Schlussfolgerung.
Um das vergangene Klima zu rekonstruieren, verlassen sich Wissenschaftler gern auf das Verhältnis verschiedener Isotope zueinander, weil ihre Schwankungen auch Veränderungen in den Umgebungsbedingungen wiedergeben. Beispielsweise Sauerstoff: Wenn Wasser über den Meeren verdunstet, nimmt es im Vergleich mehr des leichteren 16O mit, als im Meerwasser zurückbleibt. Und das Aussieben geht noch weiter: Auf dem Weg in die hohen Breiten regnen sich mehr schwere 18O-Isotope ab als leichte – in Richtung Pole nimmt der relative Anteil der leichten Isotope also kontinuierlich zu. Wenn nun im Rahmen einer Eiszeit zunehmend Wasser in Eis gebunden wird und nicht mehr über den globalen Wasserkreislauf in die niedrigen Breiten zurückkehrt, sinkt zum einen der Meeresspiegel – und zum anderen steigt der relative Anteil von 18O im Meerwasser, da dessen Rückkehr über Niederschläge in die Ozeane noch funktioniert. Und dies wiederum spiegelt sich in den Kalkschalen von Organismen wider, die sich in den Sedimenten finden.
Und noch eine weitere Größe gibt Auskunft über den Meeresspiegel: Die Kalkkompensationstiefe – jene Wassertiefe, in der sich der Kalknachschub von oben und die Kalklösung im Wasser gerade die Waage halten. Senkt sich nun der Spiegel, und die Flachmeerbereiche fallen trocken, fehlt der Karbonatnachschub aus diesen Gebieten. Dies hat nun zur Folge, dass auch die Kompensationstiefe nach unten nachgibt und sich in Sedimentbohrkernen daher plötzlich noch Kalkschalen finden, wo sie zuvor fehlten.
Womit wir zu der Überraschung kommen: Das bislang gängige Bild von einem stabil warmen Klima, das schließlich recht plötzlich in die Eiszeit rutschte, stimmt wohl nicht. Denn den Ergebnissen der Wissenschaftler zufolge dürften die Thermometer im Eozän eher kräftige Sprünge verzeichnet haben – und zwar so kräftige, dass offenbar bereits mehrere vorübergehende Kaltphasen in die behaglichen Zeiten schmuggelten. Eine davon, vor etwa 42 Millionen Jahren, wuchs sich sogar zu einer richtig ordentlichen Eiszeit heraus, die nicht nur der Antarktis, sondern auch der Arktis Eisbedeckung bescherte.
Eis in der Arktis – schon so früh? Das wiederum widerspricht nun wirklich der allgemeinen Forschermeinung. Doch Tripati und ihre Kollegen präsentieren eine durchaus plausible Erklärung: Die Hebung des Himalajas und damit riesige frische Oberflächen für Kohlendioxid zehrende Erosion hätten die Konzentrationen des Treibhausgases massiv angekratzt. Weniger CO2 in der Atmosphäre jedoch bedeutet kühlere Temperaturen – gute Voraussetzung, eine Eiszeit einzuleiten. Den Werten der Forscher zufolge ging es dabei um Größenordnungen von sechs Grad Celsius und eine Meeresspiegelabsenkung von bis zu 150 Metern. Um eine solche Menge an Wasser in Eismassen zu binden, reicht die Antarktis aber nicht aus – es müssen sich also auch im Norden Eisdecken gebildet haben, folgern die Wissenschaftler.
Und warum kehrte unser Planet im Eozän doch immer wieder in warme Zeiten zurück, bevor er im Oligozän schließlich langfristig im Eis versank? Möglich, dass nun die Pflanzen ins Geschehen eingriffen, erklären Tripati und Co: Eine verstärkte Fotosynthese – aus welchen Gründen auch immer – könnte zusätzlich die Kohlendioxid-Vorräte der Atmosphäre geplündert und somit den kalten Status quo gesichert haben. Vielleicht reichten dann die üblichen Kandidaten für ein Ende eisige Zeiten – Treibhausgasfreisetzung aus Vulkaneruptionen oder Methanmobilisierung, günstigere Erdbahnparameter für die Sonneneinstrahlung – nicht mehr aus, die Erde dem Kalthaus zu entreißen.
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