Flüsse: Im weltgrößten Holzstau stecken Millionen Tonnen Kohlenstoff
Wenn der Mackenzie River nach über 1900 Kilometern seine Mündung in den Arktischen Ozean erreicht, hat er ein riesiges Gebiet in Kanada entwässert – und Unmengen Holz aus den Nadelwäldern weiter südlich mitgeschleppt. Die Stämme, Äste oder Wurzelstöcke werden aber oft genug nicht direkt ins Meer geschwemmt, sondern verhaken sich untereinander oder mit dem Flussgrund und bleiben stecken; teilweise entsteht ein riesiger Holzstau. Den größten bislang bekannten davon haben Alicia Sendrowski von der Michigan Technological University und ihr Team vermessen und dessen Kohlenstoffgehalt bestimmt, wie sie in den »Geophysical Research Letters« schreiben.
Auf einer Fläche von insgesamt mehr als 50 Quadratkilometern speichert das Geflecht aus Totholz über drei Millionen Tonnen Kohlenstoff. »Zum Vergleich: Das entspricht den Emissionen von etwa zweieinhalb Millionen Autos in einem Jahr«, sagt Sendrowski: » »Das ist eine beträchtliche Menge an Kohlenstoff, aber auch ein Speicher, über den wir nicht viel wissen.« Jedes Jahr erreichen beträchtliche Mengen an Treibholz die Arktis, wo das Holz dank der kalten und oft auch trockenen Bedingungen Jahrtausende überdauern kann, ohne zu zerfallen. Dieses Holz bildet dadurch eine Kohlenstoffsenke, die durch steigende Temperaturen aktiviert werden könnte.
Für seine Studie wertete das Team Satellitenbilder aus und kartierte wochenlang das Delta des Mackenzie-Flusses, welches das drittgrößte der Erde darstellt. Anhand der vor Ort erhobenen Daten berechneten Sendrowski und Co das Volumen des aufgestauten Holzes und daraus wiederum die Menge an Kohlenstoff. Ihre Schätzungen sind dabei eher konservativ: Da es noch mehr Stämme gibt, die im Boden vergraben sind, unter Wasser liegen oder unter Vegetation verborgen sind, könnte die Gesamtmenge des im Holz des Deltas gespeicherten Kohlenstoffs etwa doppelt so groß sein.
Wegen der Holzmassen, aber auch wegen der sehr kohlenstoffreichen Böden gilt die Region als ein gigantischer Kohlenstoffspeicher, in dem 30 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert sein könnten. Das Totholz macht davon zwar nur einen kleinen, aber auch nicht unwesentlichen Teil aus, der zukünftig weiter schrumpfen könnte. »Mit den Veränderungen im Einzugsgebiet wie Abholzung oder Aufstauung und mit dem Klimawandel, der die Niederschlagsmuster und die Temperaturen verändert, wird die Anlandung von Holz abnehmen«, so Sendrowski.
Das Delta des Mackenzie ist zudem nicht das einzige große Mündungsgebiet von Flüssen in der Arktis. Mindestens zwölf Deltas mit einer Fläche von mindestens 500 Quadratkilometern finden sich im hohen Norden. Und alle dienen zumindest als Zwischenlager für Holz.
Die Forscher interessierten sich schließlich noch dafür, wie lange ein angeschwemmter Baum in der Arktis überdauert. Mit den Daten lässt sich modellieren, wie sich die Bilanz des Kohlenstoffspeichers im Laufe der Zeit verändert. Die Kohlenstoffdatierung zeigte, dass viele der untersuchten Bäume um oder nach 1950 zu wachsen begannen: Sie bleiben also meist maximal 70 Jahre liegen, bis sie endgültig zerfallen sind, ins Meer geschwemmt werden oder von jüngerem Material überdeckt werden. In Einzelfällen fand das Team aber Totholz, das bis in die Zeit um etwa 700 n. Chr. zurückreichte.
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