Hirnforschung: Flüssig denken übt
Für clevere Faulpelze mit ererbt hohem IQ war bislang eines sehr beruhigend: Intelligent ist man entweder oder eben nicht - und daran ändert schweißtreibendes Kopftraining genauso wenig, wie träges Nichtstun schadet. Wenn sich die Schlaumeier da mal nicht irren.
Sie kann emotional sein und sozial, spirituell, mathematisch, praktisch und räumlich, und dummerweise kann sie manchen auch zu großen Teilen fehlen: die Intelligenz. Wo ein Begriff derart inflationär umhergeworfen wird, leidet er allerdings schnell ein wenig unter Schwammigkeit. Psychologen arbeiten sich nicht ohne Grund seit vielen Jahrzehnten daran ab, "Intelligenz" wissenschaftlich exakt zu definieren und zu kategorisieren.
Unterschieden werden von ihnen derzeit zumindest zwei verschiedene, nicht miteinander zu verwechselnde Schubladen – in der einen steckt die so genannte "fluide", in der anderen die "kristalline" Intelligenz. Letztere kann grob zusammengefasst werden als die Fähigkeit eines intelligenten Kopfes, erlernte Techniken, Fähigkeiten und Wissensbausteine mit Hilfe der eigenen Erfahrung sinnvoll einzusetzen, um bestimmte Ziele zu erreichen.
Die zu großen Teile vererbbare fluide Intelligenz ist dagegen eine Maßeinheit der gehirnpsychologischen Effizienz oder Verarbeitungsgeschwindigkeit, mit der neu auftauchende Probleme und Aufgaben gelöst werden. Dabei wird der eigene Erfahrungsschatz eher kreativ angezapft und sinnvoll umgewidmet, um Transferleistungen zu erbringen; konkretes Wissen über die gerade vorliegenden Umstände muss dabei nicht unbedingt vorhanden sein. Gerade fluide Intelligenz ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für das Lernen, ist aber einem vorherrschenden Dogma zu Folge selbst kaum durch Übung zu erhöhen.
Definitionssachen
Zugegeben: Auch säuberlich definiert klingt das noch recht schwammig, handfeste Unterscheidungsmerkmale der verschiedenen Intelligenzen zu bekommen, ist eben schwer. Ein Knackpunkt: Bei Intelligenztests beißt sich oft die Katze schon allein methodisch in ihren eigenen Schwanz. Susanne Jäggi von der University of Michigan und ihre Kollegen verdeutlichen dies an einem Beispiel, bei dem explizit eine Steigerung fluider Intelligenz festgemacht werden soll. Natürlich gibt es im Prinzip genügend Tests, mit denen genau diese Intelligenzform gemessen wird – störend wirkt sich allerdings aus, dass solche Tests eben Trainingseffekte nach sich ziehen, und allein deswegen bei Wiederholungen zu immer besseren Ergebnissen führen. Gleichzeitig steigt den guten Resultaten zum Trotz aber keineswegs wirklich die Intelligenz – zumindest kann dies so nicht bewiesen werden.
Ein Dilemma also: Die Testdurchführung verhindert, dass der Test am Ende der Durchführung noch verlässliche Daten liefert. Gesucht werden zur Lösung des Dilemmas unterschiedliche Experimentformen, die beide fluide Intelligenz oder ihren Mangel anzeigen, deren Übungseffekte aber die Ergebnisse des anderen nicht beeinflussen – schwer gerade beim Messen einer Intelligenzform, deren Kernkomponente ja gerade die gesteigerte Transferleistung ist. Jäggi und Co glauben nun dennoch einen Ausweg gefunden zu haben.
Übung macht den Gedächtnismeister?
Den Forschern waren zunächst einmal ältere Studienergebnisse aufgefallen, die eine gewisse Korrelation zwischen der Höhe der fluiden Intelligenz und der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses vermuten ließen. Offenbar werden Transferleistungen erleichtert, wenn mehr Ereignisse gleichzeitig in einem gemeinsamen Arbeitsspeicher zwischengelagert werden können. Der Umkehrschluss der Forschergruppe um Jäggi lag nun eigentlich nahe: Könnten nicht Trainingseinheiten, bei denen das Arbeitsgedächtnis unter Stress gesetzt wird, langfristig Intelligenz fördernd sein?
Gegenfrage: Ist das nicht schon längst untersucht worden? Nur unzureichend, trugen die Wissenschaftler frühere Studien zum Thema zusammen. Immerhin scheinen diese Experimente darauf hinzudeuten, dass ein Trainieren des Kurzzeitgedächtnisses tatsächlich nicht nur Testergebnisse verbessert, sondern auch "darüber hinaus einige Effekte hat", so Jäggi. Das Team fasste mit einem eigens entwickelten Test nach, um Klarheit zu schaffen.
Dabei rekrutierten sie zunächst 70 Freiwillige und unterzogen sie einem Test auf fluide Intelligenz. Die Hälfte der Probanden trainierten sie dann knapp drei Wochen lang täglich mit einem Programm zur Steigerung des Arbeitsgedächtnisses, während die andere Hälfte erst am Ende dieser Zeit wieder ins Labor gebeten wurde. Abschließend bestimmten die Forscher noch einmal die fluide Intelligenz mit demselben Test, den sie auch vor dem Start der Experimente durchgeführt hatten. Bei allen Kandidaten sollte die Wiederholung des Tests zu leicht verbesserten Resultaten führen – eben der Trainingseffekt. Gespannt warteten die Forscher aber darauf, ob auch ihr Gedächtnistraining die Ergebnisse der trainierten Gruppe beeinflusst hatte.
In der Tat war dies der Fall: Die trainierten Probanden überzeugten beim abschließenden IQ-Test mit durchweg besserer Leistung als die Untrainierten. Dabei war ihre fluide Intelligenz umso stärker erhöht, je länger sie die Gedächtnistests vorher praktiziert hatten. Gerade die Probanden mit vergleichsweise niedrigen IQ-Werten am Anfang profitierten am meisten von den Übungen, stellten die Wissenschaftler fest.
Erhöht ein Training des Kurzzeitgedächtnisses also wirklich die Intelligenz? Zumindest zeige sich, dass eine Verbesserung der Kapazität des gehirneigenen Arbeitsspeichers die Ergebnisse von Tests auf fluide Intelligenz erhöhe, so das Team vorsichtig – ein Beleg für einen Zusammenhang, der so bislang nicht fest stand. Ganz ausschließen möchten sie auch nicht, dass Nebeneffekte des Trainings sich auf die nachfolgenden IQ-Tests auswirken, etwa weil Multitaskingfähigkeiten bei ersterem trainiert und bei letzterem in gewissem Ausmaß gefordert sind.
Insgesamt bleibe aber eine Kernerkenntnis, die einen alten Zopf der Intelligenzforschung endgültig abschneidet: Auch die vermeintlich rein erbliche fluide Intelligenz kann durch geeignetes Training gesteigert werden. Und das, so Jäggi, dürfte bei der Entwicklung zukünftiger Formen des Lehrens und Lernens von größter Wichtigkeit sein.
Unterschieden werden von ihnen derzeit zumindest zwei verschiedene, nicht miteinander zu verwechselnde Schubladen – in der einen steckt die so genannte "fluide", in der anderen die "kristalline" Intelligenz. Letztere kann grob zusammengefasst werden als die Fähigkeit eines intelligenten Kopfes, erlernte Techniken, Fähigkeiten und Wissensbausteine mit Hilfe der eigenen Erfahrung sinnvoll einzusetzen, um bestimmte Ziele zu erreichen.
Die zu großen Teile vererbbare fluide Intelligenz ist dagegen eine Maßeinheit der gehirnpsychologischen Effizienz oder Verarbeitungsgeschwindigkeit, mit der neu auftauchende Probleme und Aufgaben gelöst werden. Dabei wird der eigene Erfahrungsschatz eher kreativ angezapft und sinnvoll umgewidmet, um Transferleistungen zu erbringen; konkretes Wissen über die gerade vorliegenden Umstände muss dabei nicht unbedingt vorhanden sein. Gerade fluide Intelligenz ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für das Lernen, ist aber einem vorherrschenden Dogma zu Folge selbst kaum durch Übung zu erhöhen.
Definitionssachen
Zugegeben: Auch säuberlich definiert klingt das noch recht schwammig, handfeste Unterscheidungsmerkmale der verschiedenen Intelligenzen zu bekommen, ist eben schwer. Ein Knackpunkt: Bei Intelligenztests beißt sich oft die Katze schon allein methodisch in ihren eigenen Schwanz. Susanne Jäggi von der University of Michigan und ihre Kollegen verdeutlichen dies an einem Beispiel, bei dem explizit eine Steigerung fluider Intelligenz festgemacht werden soll. Natürlich gibt es im Prinzip genügend Tests, mit denen genau diese Intelligenzform gemessen wird – störend wirkt sich allerdings aus, dass solche Tests eben Trainingseffekte nach sich ziehen, und allein deswegen bei Wiederholungen zu immer besseren Ergebnissen führen. Gleichzeitig steigt den guten Resultaten zum Trotz aber keineswegs wirklich die Intelligenz – zumindest kann dies so nicht bewiesen werden.
Ein Dilemma also: Die Testdurchführung verhindert, dass der Test am Ende der Durchführung noch verlässliche Daten liefert. Gesucht werden zur Lösung des Dilemmas unterschiedliche Experimentformen, die beide fluide Intelligenz oder ihren Mangel anzeigen, deren Übungseffekte aber die Ergebnisse des anderen nicht beeinflussen – schwer gerade beim Messen einer Intelligenzform, deren Kernkomponente ja gerade die gesteigerte Transferleistung ist. Jäggi und Co glauben nun dennoch einen Ausweg gefunden zu haben.
Übung macht den Gedächtnismeister?
Den Forschern waren zunächst einmal ältere Studienergebnisse aufgefallen, die eine gewisse Korrelation zwischen der Höhe der fluiden Intelligenz und der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses vermuten ließen. Offenbar werden Transferleistungen erleichtert, wenn mehr Ereignisse gleichzeitig in einem gemeinsamen Arbeitsspeicher zwischengelagert werden können. Der Umkehrschluss der Forschergruppe um Jäggi lag nun eigentlich nahe: Könnten nicht Trainingseinheiten, bei denen das Arbeitsgedächtnis unter Stress gesetzt wird, langfristig Intelligenz fördernd sein?
Gegenfrage: Ist das nicht schon längst untersucht worden? Nur unzureichend, trugen die Wissenschaftler frühere Studien zum Thema zusammen. Immerhin scheinen diese Experimente darauf hinzudeuten, dass ein Trainieren des Kurzzeitgedächtnisses tatsächlich nicht nur Testergebnisse verbessert, sondern auch "darüber hinaus einige Effekte hat", so Jäggi. Das Team fasste mit einem eigens entwickelten Test nach, um Klarheit zu schaffen.
Dabei rekrutierten sie zunächst 70 Freiwillige und unterzogen sie einem Test auf fluide Intelligenz. Die Hälfte der Probanden trainierten sie dann knapp drei Wochen lang täglich mit einem Programm zur Steigerung des Arbeitsgedächtnisses, während die andere Hälfte erst am Ende dieser Zeit wieder ins Labor gebeten wurde. Abschließend bestimmten die Forscher noch einmal die fluide Intelligenz mit demselben Test, den sie auch vor dem Start der Experimente durchgeführt hatten. Bei allen Kandidaten sollte die Wiederholung des Tests zu leicht verbesserten Resultaten führen – eben der Trainingseffekt. Gespannt warteten die Forscher aber darauf, ob auch ihr Gedächtnistraining die Ergebnisse der trainierten Gruppe beeinflusst hatte.
In der Tat war dies der Fall: Die trainierten Probanden überzeugten beim abschließenden IQ-Test mit durchweg besserer Leistung als die Untrainierten. Dabei war ihre fluide Intelligenz umso stärker erhöht, je länger sie die Gedächtnistests vorher praktiziert hatten. Gerade die Probanden mit vergleichsweise niedrigen IQ-Werten am Anfang profitierten am meisten von den Übungen, stellten die Wissenschaftler fest.
Erhöht ein Training des Kurzzeitgedächtnisses also wirklich die Intelligenz? Zumindest zeige sich, dass eine Verbesserung der Kapazität des gehirneigenen Arbeitsspeichers die Ergebnisse von Tests auf fluide Intelligenz erhöhe, so das Team vorsichtig – ein Beleg für einen Zusammenhang, der so bislang nicht fest stand. Ganz ausschließen möchten sie auch nicht, dass Nebeneffekte des Trainings sich auf die nachfolgenden IQ-Tests auswirken, etwa weil Multitaskingfähigkeiten bei ersterem trainiert und bei letzterem in gewissem Ausmaß gefordert sind.
Insgesamt bleibe aber eine Kernerkenntnis, die einen alten Zopf der Intelligenzforschung endgültig abschneidet: Auch die vermeintlich rein erbliche fluide Intelligenz kann durch geeignetes Training gesteigert werden. Und das, so Jäggi, dürfte bei der Entwicklung zukünftiger Formen des Lehrens und Lernens von größter Wichtigkeit sein.
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