News: Flüssig oder überflüssig?
Dass die Fließstrukturen auf dem Mars doch nicht durch Wasser entstanden sind, vermutet dagegen der Geologe Nick Hoffman von der La Trobe University in Melbourne. Der Forscher hält es für möglich, dass Ströme aus Geröll, Gas und Asche ihre Spuren auf der Oberfläche des Mars hinterließen. Selbst auf der Erde werden bei Vulkanausbrüchen ganz ähnliche Vorgänge beobachtet, und die Resultate lassen sich kaum von den erodierten Marslandschaften unterscheiden. Wenn diese so genannten pyroklastischen Ströme zu Tal schießen, erreichen sie hohe Geschwindigkeiten und legen oft weite Strecken zurück – ganz ohne flüssiges Wasser. Hoffman zufolge könnten auf dem Mars unstabile Bereiche, wie beispielsweise Kraterwände, einstürzen und dabei flüssiges Kohlendioxid freisetzen, das zuvor unter der Oberfläche gefangen war. Wie beim Betätigen eines CO2-Feuerlöschers würde sich dann die Flüssigkeit durch den schnellen Druckabfall verflüchtigen und Wolken aus Gas und sehr kaltem CO2-Trockeneis bilden, die auch Wassereis sowie Staub und Geröll losreißen. Und wenn diese lockere Masse dann bergab fegt, könnte sie gewaltige Rinnen graben.
"Das ist aufregend und faszinierend, aber ich bin sehr skeptisch", meint Jay Melosh von der University of Arizona in Tuscon. Seiner Ansicht nach wäre es aber wert, den Vorgang im Labor zu simulieren. Ein Problem sieht er darin, dass den Gesteinsfluten der "Dampf ausgeht", sobald das Gas entwichen ist und sie deshalb keine so gewaltigen Kanäle graben könnten. Hoffman argumentiert dagegen, dass die Trockeneisstückchen in diesem Fall verdampfen und so für den nötigen Gasnachschub sorgen, der die Massen weiter vorantreibt. Weitere Zweifel gegen die Gaslawinen-Theorie hegt auch Aaron Zent vom Ames Research Center der NASA. Denn die Kanäle und Rinnen auf dem Mars enden in flach auslaufenden Mündungszonen mit Spuren einer Uferzone, genauso wie bei Wassermassen, die eine Ebene überfluteten. "Es sind die flachsten Plätze im ganzen Universum", meint Zent, "dies kann nur durch Wasser passiert sein". Hoffman hält dagegen, dass die von Gas unterstützten Geröllströme die gleichen Endstrukturen formen können. "Auf der Erde erzeugen große Masseströme charakteristische, ausgedehnte und flache Ebenen, genauso wie die nördlichen Flächen auf dem Mars", erklärt Hoffman.
Was will man mehr, meint Hoffman, die gasunterstützten Masseströme lieferten uns eine viel einfachere Erklärung für die großen Rinnen auf der Marsoberfläche als Wasser. "Um 200 Kilometer lange und mindestens 300 Meter tiefe Uferwände zu schaffen, hätte auch ausreichend Wasser zur Verfügung stehen müssen und unter der Marsoberfläche ist einfach nicht genug Platz, um solche Mengen zu speichern. Aber aus einem Liter flüssigem CO2 werden 250 Liter Gas, die einen Strom in Bewegung halten können."
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 26.6.2000
"Wasser oder Fata Morgana?"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 22.6.2000
"Wüste oder Badesee auf dem Mars?"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich)
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