Energiespeicher: Flüssiger Sonnenenergiespeicher macht Fortschritte
Sonnenkollektoren sammeln tagsüber und im Sommer oft viel mehr Energie ein, als gerade benötigt wird – nachts und im Winter ist es dann umgekehrt, weshalb intensiv nach günstigen, verlustarmen und langfristigen Speichertechnologien für Wärme oder Strom geforscht wird. Eine Idee ist dabei seit Jahren MOST (Molecular Solar Thermal Energy Storage): Moleküle, die bei Energieaufnahme ihre Struktur ändern und die in der neuen Form steckende Energie dann in einem kontrollierten Prozess punktgenau sobald gewünscht wieder als Wärme abstrahlen. Bisher ist es nicht gelungen, ein Molekül zu finden, das alle dafür wünschenswerten und notwendigen Eigenschaften mit sich bringt – ein Team aus Schweden glaubt nun aber, nach Jahren der Entwicklung zwei wichtige Schritte weitergekommen zu sein: Im Fachblatt »Energy & Environmental Sciences« beschreiben sie ihre neuste Variante eines Wärmespeicher-Isomerpaares, das Sonnenwärme über Jahrzehnte einbehalten und auf Knopfdruck wieder abgeben kann.
Der chemische Reaktionsmechanismus basiert dabei auf der energieabhängigen Isomerisierung eines relativ komplexen chemischen Ringsystems, einem Norbornadien-Molekül. Trifft Sonnenlicht auf das Molekül, so lagert es sich zu einer energetisch eigentlich instabileren Quadricyclanform um, speichert dabei also die Energie in Form chemischer Bindungsenergie. Norbornadiene waren bereits in den 1970er Jahren als Energiespeicher erforscht worden. Damals war aber nie eine im Alltag dann ausreichend stabile energiereiche Form gefunden worden. Das nun vorgestellte Molekül erfüllt diese Erwartung: Es gibt die Energie wohl auch nach Jahren schlagartig erst dann wieder ab, wenn ein spezieller Kobalt-Katalysator die Rückreaktion beschleunigt. Insgesamt könne eine konzentrierte Lösung des vorher angeregten Moleküls dann bis zu 63 Grad Celsius an Wärme sammeln und abgeben, schreiben die Forscher um Kasper Moth-Poulsen von der Chalmers University of Technology. Die Energiedichte im Speicher erreiche somit rund 111 Wattstunden pro Kilogramm, also kaum weniger als bei einem gängigen Lithium-Ionen-Akku. Eine weiter optimierte Version dürfte am Ende rund doppelt so viel Energie speichern können, wie es die derzeit in Prototyphäusern als Energiespeicher eingesetzten Powerwall-Batterien von Tesla schaffen, meinen die Forscher optimistisch.
Mit ihrer Norbornadien-Lösung könne man heute schon einen relativ alltagsrelevanten Speicheranlage-Prototypen bauen, wie die Forscher praktisch auf dem Dach ihres Institutsgebäudes demonstrierten: Sie aktivierten darin das Molekülgemisch in einem geschlossenen Kreislauf mit auf die Sonneneinstrahlung ausgerichteten Kollektoren, speicherten die angeregten Moleküle ohne langfristige Energieeinbußen bei Raumtemperatur und nutzten die chemische Wärme nach dem Durchlauf durch den Katalysator zum Heizen.
Tatsächlich werden aber noch weitere Jahre an Tüftelarbeit nötig sein, um Unebenheiten des Systems abzuschleifen. So reagiert die nun verwendete Molekülvariante zum Beispiel nur mit Licht höherer Wellenlänge, etwa Blau und Ultraviolett – der Löwenanteil des Sonnenlichts geht also verloren. Eine stärker Rot absorbierende Variante speichert dagegen bislang noch zu wenig Energie. Das eingesetzte Molekül hat zudem zwar Vorteile gegenüber anderen Alternativen – es ist zum Beispiel nicht so leicht entflammbar wie Toluol –, unklar ist aber noch, wie kostenaufwändig der Prozess ist und ob er wirklich hochskalierbar ist. Denn das Norbornadien-Gemisch ist zwar womöglich jahrelang verlustfrei einsetzbar, es muss aber zunächst chemisch aufwändig in größeren Mengen synthetisiert werden.
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