Direkt zum Inhalt

Fluiddynamik: Eine Weltformel für den Flügelschlag

Vom Vogel bis zum Buckelwal: Eine überraschend einfache Gleichung beschreibt, wie schnell verschiedenste Tierarten mit ihren Flügeln und Flossen flattern.
Zwei Bienenfresser stürzen sich im Flug von zwei Seiten auf eine Libelle
Trotz völlig verschiedener Größen und Körperformen gelten für alle Tiere in der Luft die gleichen Gesetze. Manchmal ist das Zusammenspiel von Biologie und Physik sogar erstaunlich allgemeingültig.

Insekten, Vögel, Fledermäuse und Wale haben dem Anschein nach nicht viel gemeinsam. Dennoch beschreibt für all diese Tiere der gleiche einfache Zusammenhang, wie schnell sie ihre Flügel oder Flossen schlagen, um sich in der Luft beziehungsweise im Wasser zu halten. Jens Højgaard Jensen, Jeppe Dyre und Tina Hecksher von der dänischen Universität Roskilde haben im Juni 2024 eine Formel hergeleitet, laut der die Frequenz des Flatterns lediglich von der Masse des Tiers sowie der Flügelfläche abhängt.

Das ist ein überraschend einfacher Zusammenhang, schließlich spielen beim fluiden Fortbewegen noch zahlreiche weitere Größen wie Anstellwinkel oder Flügelform eine Rolle. Doch für all solche Einflüsse braucht es offenbar bloß einen Proportionalitätsfaktor. Konkret ist der federführenden dänischen Physikerin Hecksher und ihren beiden Kollegen zufolge die Frequenz proportional zur Wurzel der Masse geteilt durch die Flügelfläche: f ∝ m/A.

Ihre Erkenntnis untermauerten sie, indem sie aus verschiedenen Publikationen Daten zu Hunderten von Tierarten zusammenstellten. Auch Untersuchungen zu »Ornithoptern« bezogen die Fachleute ein, das sind Schwingenflugzeuge mit bewegten Tragflächen, wie sie schon Leonardo da Vinci oder später der Luftfahrtpionier Otto Lilienthal entworfen hatten. In einem passend zu ihrer Formel doppelt logarithmisch aufgetragenen Diagramm, das von Mücken über Kolibris bis zu Walen viele Größenordnungen umfasst, liegen tatsächlich alle Werte grob entlang einer Geraden.

Bei den Tieren mit Flossen statt Flügeln, das heißt bei Pinguinen und Walen, waren im Vergleich zur Fortbewegung in Luft ein paar Anpassungen bei der Formel nötig. Wenn man allerdings Dichteunterschiede und den Auftrieb im Wasser berücksichtigt, dann ergibt sich der gleiche Zusammenhang. Die drei Fachleute ermittelten eine Proportionalitätskonstante von 0,88 m2/(s √kg).

In der Biologie gibt es für diverse Kennzahlen häufig eine simple Beziehung zur Körpergröße, die zudem viele Arten überspannen kann. Die Tatsache ist schon lange als Allometrie bekannt. Oft sind es Potenzfunktionen, die im doppelt logarithmischen Koordinatensystem eine Gerade ergeben – wie hier beim Flügelschlag. Ein anderes Beispiel: Das Körpergewicht wächst näherungsweise mit dem Volumen (dem Radius in dritter Potenz), der Muskel- und Skelettquerschnitt und damit Kraft und Stabilität aber nur mit der Fläche (dem Radius in der zweiten Potenz). Daher brauchen größere Tiere relativ dickere Beine, und umgekehrt können kleinere Arten auf viel dünneren Extremitäten deutlich mehr stemmen. Ameisen tragen bekanntlich mühelos das Vielfache ihres Körpergewichts.

Gefunden: Die sphärische Kuh im Vakuum!

Dass der Zusammenhang beim Flügelschlag jedoch so simpel ist, überraschte die Physiker dann doch. Die Formel funktioniert recht zuverlässig über ganz verschiedene Tierarten hinweg sowie über Frequenzen, die sich um mehr als den Faktor 1000 unterscheiden. Das dänische Team stellte in seiner Arbeit überdies fest: Einfacher geht es nicht. Eine weitere Gleichung, bei deren Herleitung die Masse wegfiel und bei der die Frequenz nur noch von der Länge abhing, klappte nicht mehr.

Die drei Fachleute ermittelten auf Basis ihrer Erkenntnis die vermutliche Flatterfrequenz eines der größten flugfähigen Tiere der Erdgeschichte, des Pterosauriers Quetzalcoatlus northropi. Mit grob 65 Kilogramm und zehn Quadratmeter Flügelfläche dürfte er seine Schwingen demnach 0,7-mal pro Sekunde geschlagen haben.

Auf der gegenüberliegenden Seite der Skala, bei Mücken und anderen Insekten, versagt die Formel irgendwann allerdings. Sobald die Flügel noch viel kleiner werden, wird aus fluiddynamischer Sicht die Zähigkeit der Luft immer bedeutender – für winzige Lebewesen ist Luft klebrig wie Honig, sie rudern eher hindurch. Beim Design fliegender Nanoroboter lässt sich die Formel darum wohl nicht mehr anwenden. Doch hier haben die Dänen ebenfalls einen Ansatz: Über der Masse müsste man, so rechnen sie vor, lediglich das Wurzelzeichen entfernen, dann würde alles wieder passen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Jensen, J. H. et al.: Universal wing- and fin-beat frequency scaling. PLOS ONE e0303834, 2024

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.