Fluiddynamik: Phasenübergang bei spielenden Kleinkindern entdeckt
Von Katzen ist bekannt und durch Forschung untermauert, dass sie passende Gefäße lückenlos ausfüllen, als wären sie flüssig. Lassen sich auch Kinder mit Gesetzen beschreiben, die eigentlich Flüssigkeiten und Gasen vorbehalten sind? Diese offene Frage der Fluiddynamik hat ein Team um die Physiker Yi Zhang und Debasish Sarker von der University of Miami untersucht. Dabei haben sie einen Phasenübergang entdeckt: In Gruppenräumen verhalten sich Kleinkinder eher wie Dampf, der feine Tröpfchen bildet. Auf Spielplätzen hingegen bewegen sie sich gasartig.
Im Alltag kennen wir Phasenübergänge bei Fluiden – Flüssigkeiten und Gasen – vom Wasserkochen. Aber auch bei Tieren helfen Methoden aus der statistischen Mechanik. Insekten, Vögel oder Fische wirken im Schwarm wie ein sich selbst organisierender Superorganismus. Das führt zu »emergenten« Verhaltensweisen: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile – und folgt eigenen, manchmal verblüffend einfachen Regeln, die auf das Individuum keine Rücksicht nehmen. Ebenso ist von Menschen seit den 1970er Jahren bekannt, dass sich die Bewegung großer Gruppen mittels klassischer Gasgesetze erfassen lässt. Viele Fußgänger, die sich durch eine enge Passage zwängen müssen, bewegen sich insgesamt ähnlich wie ein Fluid, das man durch ein Rohr presst.
Fußgänger laufen allerdings zügig und interagieren wenig miteinander. Zhang und Sarker vermuteten, bei langsameren und verspielteren Kindern könnten »soziale Phasen« entstehen, wenn man sie zusammenbringt. Sie würden aus dem gasförmigen Zustand kondensieren wie Wasserdampf in der kühlen Luft über dem Kochtopf.
Für ihre Messungen beobachteten die Fachleute einige Dutzend Zwei- bis Vierjährige, und zwar in Gruppenräumen und auf Spielplätzen. Dazu befestigte das Team RFID-Transponder an der Kleidung. Solche Chips kennen wir vom kontaktlosen Bezahlen oder als Diebstahlschutz in Kaufhäusern. Lesegeräte in den Ecken der Räume ermöglichten es, jede Bewegung kontinuierlich nachzuverfolgen. Datenlücken wegen zeitweise vom Leib gerissener Funketiketten (wir reden schließlich von Kleinkindern) überbrückte ein Algorithmus.
Aus den Messreihen erstellten Zhang und Sarker ein Modell, in dem sie den Phasenübergang näher eingrenzten. Als entscheidende Variable stellte sich die Bewegungsfreiheit heraus. In Innenräumen fanden sich die Kinder eher zu Grüppchen zusammen, aus physikalischer Sicht ähnlich zu Molekülansammlungen in Dampf. Mehr Freiraum boten Spielplätze. Hier nahmen die Kinder einen gasartigen Zustand ein.
So eine analytische Herangehensweise mutet kurios an. Sie liefert aber für diverse Anwendungen nützliche Ansätze. Es kann dabei helfen, komplizierte Systeme besser zu verstehen, wenn man viele Objekte mittels RFID-Systemen verfolgt und ihre Dynamik in Computermodellen erfasst. Sei es für bessere Einblicke in das Sozialverhalten von Tieren, für optimierte Rettungswege für Menschen oder sei es für Schwärme von Robotern, die mit Radiowellen genau lokalisiert und koordiniert werden können.
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