Mikrobiom: Fördern Darmbakterien multiple Sklerose?
Bei Menschen, die an multipler Sklerose (MS) leiden, scheint die Bakteriengemeinschaft im Darm ein wenig anders zusammengesetzt zu sein als bei gesunden Personen. Das berichtet ein Team um Egle Cekanaviciute von der University of California in San Francisco im Fachmagazin "PNAS". Die Forscher analysierten das Mikrobiom von 71 MS-Patienten, die noch keine Behandlung gegen ihre Krankheit erhalten hatten, und 71 Kontrollprobanden. Dabei entdeckten sie, dass bestimmte Bakterien der Gattungen Acinetobacter und Akkermansia im Darm von MS-Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich häufiger zu finden waren. Mikroben der Gattung Parabacteroides kamen dagegen seltener vor.
Wie Versuche mit menschlichen Blutzellen offenbarten, scheinen die Acinetobacter- und Akkermansia-Bakterien die Bildung von T-Helferzellen zu fördern, die als Teil der Immunabwehr Entzündungsreaktionen anstoßen. Parabacteroides kurbelte dagegen in den Zellversuchen die Produktion von regulatorischen T-Zellen an, die eine Aktivierung der Krankheitsabwehr unterdrücken.
Immunprozesse spielen eine wichtige Rolle bei multipler Sklerose. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Erkrankung durch eine Autoimmunreaktion entsteht. Dabei greifen körpereigene Abwehrzellen die Myelinscheiden an, die die Nervenfasern umhüllen, und zerstören sie. In der Folge werden Nervensignale schlechter weitergeleitet. Ausgehend von ihren Ergebnissen spekulieren Cekanaviciute und Kollegen nun, dass die Darmbakterien von MS-Patienten diesen Vorgang zusätzlich befeuern könnten. So zeigten auch Mäuse, die an einem Tiermodell von multipler Sklerose litten, stärkere Symptome, wenn sie die Mikroben von MS-Patienten eingepflanzt bekamen.
Ob die Veränderungen im Bakterienprofil Ursache oder Folge einer multiplen Sklerose sind, verraten die Daten der Wissenschaftler allerdings nicht. Zudem ist unklar, ob die Mikroben bei menschlichen MS-Patienten wirklich die gleichen Auswirkungen haben wie in Zell- und Tierversuchen. Cekanaviciute und ihr Team hoffen aber, dass sich aus ihren Erkenntnissen eines Tages zumindest neue Therapiemöglichkeiten ableiten lassen.
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